Unabhängige Asset Manager (Fondsboutiquen) stehen seit Jahren im Fokus der institutionellen Investoren im Bereich der Fondsselektion. Markus Hill* sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Daniel Knoerr, Head of Product Management & Unit Linked Business bei Ampega Investment GmbH, über wesentlichen Fragestellungen, die bei Konzeption, Prozess und Auflage von Private Label Fonds behandelt werden. Themen wie die Beurteilung von Derivatestrategien, aktuelle Fondsprojekte, die Bedeutung von Marketing- und Vertriebsunterstützung bei Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie die Bedeutung von ESG im Asset Management werden ebenso angesprochen. Interessant erscheinen zudem die gemachten Erfahrungen im Bereich „Gelebter Agilität“ bei Projekten und Prozessen im Konzernbereich.
Hill: Was genau umfasst Ihr Aufgabengebiet bei der Ampega?
Knoerr: Ich bin in meiner neuen Funktion unter anderem für die Akquisition administrativer Mandate sowie Betreuung der Label-Fonds und Kunden verantwortlich. Des Weiteren zählen die Produktentwicklung und das Produktmanagement zu meinem Aufgabenbereich. Dazu gehört beispielsweise auch die Erstellung von Pflichtpublikationen wie Verkaufsprospekte oder (Halb-) Jahresberichten. Zudem verantwortet mein Team die Produktentwicklung der fondsgebundenen Lebensversicherungs-Tarife der verschiedenen Lebensversicherer der Talanx Gruppe.
Hill: Was sind für Sie die wesentlichen Schritte bei der PLF-Konzeptprüfung? Haben Sie einige Faktoren für erfolgreiche Konzepte erkennen können?
Knoerr: Wir orientieren uns bei der Evaluierung neuer Projekte im Private Label Fonds-Bereich methodisch sehr stark an „Business Model Canvas“ aus Lean-Startup. Zentral bedeutet dies die Value Proposition des Produkts herauszuarbeiten und anhand unterschiedlicher Kriterien zu überprüfen, ob die Realisierung für alle Seiten – Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG), Initiator beziehungsweise Advisor und Verwahrstelle – langfristig Wertbeiträge liefert. Dazu stellen wir uns beispielsweise folgende Fragen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
• Welche Anlageidee bzw. welcher Investment Case wird umgesetzt und hat der Initiator Expertise und Track Records vorzuweisen?
• Welchen Nutzen haben unsere Vertriebspartner und Vertriebskanäle durch den Product Launch?
• Haben wir möglicherweise einen Wettbewerbsvorteil? (Beispiel: First Mover-Advantage)
• Was könnten Erfolgstreiber sein? Wer unterstützt uns? Wer profitiert von der Umsetzung? (Dies könnte beispielsweise ein großer Ankerinvestor sein, der Seed Capital stellt).
• Welche Hindernisse und Aufwände könnten sich auf der Wegstrecke zur Fondsauflage ergeben? Können zum Beispiel alle Instrumente abgebildet und bewertet werden oder muss eine neue Verwahrstelle angebunden werden?
• Welche internen und externen Ressourcen benötigen wir für die Realisierung? (Externe Ressourcen könnten beispielsweise ein Portfolio- / bzw. -Order Management-System sein, welches der Partner verwendet und mit den internen KVG-Systemen kommunizieren muss.
Bei der Bearbeitung dieser und anderer weitergehender Fragen gehen wir sehr gründlich vor. Wichtig ist für uns hierbei das Zusammenspiel der Bereiche Vertrieb und Produktmanagement sowie die Abstimmungen mit weiteren wichtigen internen und externen Schnittstellen.
Hill: Sie selbst haben ja lange Erfahrung in der Fondsselektion, zu Beginn dieses Jahres fand man Sie ja noch auch auf der TOP 100-Fondsmanager-Liste von Citywire in Deutschland. Viele Fondsansätze konnten Sie ja in dieser Funktion durch die „Investoren-Brille“ betrachten, eine Erfahrung, die hilfreich bei der Due Diligence ist. Wie ist Ihre Einstellung zu dem Einsatz von Derivaten bei Fondskonzepten im Private Label Fonds-Segment?
Knoerr: Bei der Beurteilung von Fondskonzepten bei Fondsboutiquen ist meine frühere Erfahrung als Fondsselektor sehr hilfreich. Der derivative Einsatz ist oftmals Bestandteil von Konzepten und muss daher abgebildet, gesteuert und monitored werden. In den meisten Fällen werden Absicherungsinstrumente eingesetzt. Werden derivative Strategien eingesetzt, um bspw. Risikoprämien zu vereinnahmen, wird es oft komplexer. Hier sollte aus meiner Sicht stets darauf geachtet werden, ob die Strategie im UCITS Mantel und vor allem unter dem geltenden Vorgaben-Set (Stichwort: Risiko-Controlling) der KVG vernünftig umgesetzt werden kann, um ihren Nutzen voll zu entfalten. Wir haben in diesem Jahr ja schon einige Negativbeispiele während der turbulenten Marktphase im März erlebt. Derartige Fallstricke versuchen wir bereits im Vorfeld der Auflage zu erkennen und würden das Mandat im Zweifel auch ablehnen.
Hill: Was hatten Sie vor Ihrem Wechsel als Aufgabengebiet?
Knoerr: Vor meinem Wechsel hatte ich verschiedene Aufgaben im Konzern. Wie schon oben von Ihnen kurz beschrieben, war ich Portfolio Manager mehrerer Publikum-Dachfonds, Portfolio Manager fondsgebundener Lebensversicherungen. Zudem habe ich die Fonds-Selektion für die unterschiedlichen Trägergesellschaften im Talanx Konzern durchgeführt und war Projektleiter und Product Owner im ESG-Projekt „Kapitalanlage“ im Talanx Konzern.
Hill: Welche Konzepte stehen bei Ihnen aktuell am Start?
Knoerr: Wir haben jetzt aktuell den „FAROS Listed Real Assets AMI“ in Zusammenarbeit mit dem Consultant FAROS realisiert und vor einem Monat aufgelegt. Die in Deutschland weitgehend unbekannten REITs weisen viele Vorteile für Investoren auf, die in Immobilien investieren wollen. Sie entwickeln sich oft stabiler als Aktien, zahlen hohe Dividenden und sind zudem sehr liquide. Im Fonds bieten wir den Anlegern auch einen breiten Zugang zu anderen immobilienthematischen Anlagethemen aus dem Rentenbereich, wie zum Beispiel Corporates oder immobilienbesicherte Anleihen. Aktuell sind noch weitere spannende Projekte kurz vor der Auflage, sowohl Publikums- als auch Spezialfondsmandate. Auf ein Fondsprojekt bin ich sehr gespannt: ein Biotechnologie Fonds, den wir mit dem Anbieter LUNIS realisieren werden.
Hill: Beschäftigen Sie sich auch mit der Prüfung von Fondskonzepten im nicht-liquiden Bereich?
Knoerr: Wir sind ein Full-range Provider und bieten neben den liquiden Asset Klassen auch Asset Management-Dienstleistungen für Immobilien, Private Equity und Infrastrukturanlagen. Die Ampega Real Estate bündelt als Spezialist die gesamte Wertschöpfungskette von der Akquisition über Projektentwicklung, Bestandsoptimierung bis hin zum Desinvestment in einer eigenen Gesellschaft. Einer der größten Wachstumstreiber ist der Bereich Infrastrukturanlagen. Hier hat die Gruppe konsequent Expertise aufgebaut und beteiligt sich seit Anfang 2014 mit einer neuen, spezialisierten Einheit auch direkt über Eigen und Fremdkapitalvergabe an ausgewählten Projekten. Zum diversifizierten Infrastrukturportfolio gehören derzeit u. a. Investitionen in Windparks (onshore und offshore), Solarparks (PV), Stromnetze, Transport-Infrastruktur sowie Public-Private-Partnership-Projekten (PPP) in Deutschland und dem europäischen Ausland.
Hill: Welche Bedeutung hat für Ihr Haus das Thema Marketing- und Vertriebsunterstützung?
Knoerr: Die Unterstützung unserer Partner spielt für uns eine zentrale Rolle und ist bei uns im Service Paket für unsere Partner (ohne zusätzliche Gebühr) inbegriffen. Jeder Partner wird von einem Kollegen aus dem Sales Department und aus dem Produktmanagement bei seinen Aktivitäten bestmöglich unterstützt. Zurzeit führen wir unsere in den vergangenen Jahren sehr erfolgreichen Fondsmanagerrunden im Webinar-Format fort. Dabei stellen wir fest, dass die Teilnehmerzahl bei diesen Angeboten größer ist als bei reinen Präsenzterminen. Das macht das gleichbleibend hohe Informationsbedürfnis unserer Vertriebspartner deutlich und beeinflusst die Planung unserer Kommunikation nachhaltig. Wir werden das digitale Angebot weiter ausbauen, weil auch wir feststellen, dass schnelle und ressourcenschonende Kommunikation immer wichtiger wird. So können wir noch flexibler auf die aktuellen Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Diese bestehen im Wesentlichen in Informationen zur Entwicklung sowie Ausrichtung einzelner Fondsprodukte. Zudem werden Fragen nach alternativen Produktlösungen in der besonderen Marktphase gestellt. Wir können unseren Label-Partnern auf Grundlage unserer eigenen tagesaktuellen Analyse und Einschätzung strategische Empfehlungen für das aktuelle Marktumfeld bieten. Das ist ein absoluter Mehrwert und stärkt die vertrauensvolle Zusammenarbeit tiefgreifend und dauerhaft. Auch in Zeiten des flächendeckenden mobilen Arbeitsmodus kommen wir im Konzern bislang wirklich gut zurecht. Wir haben bereits im letzten Jahr die unternehmensweite Einführung von mobilem Arbeiten ermöglicht und dieses sowohl testweise als auch anschließend für die Gesamtorganisation erfolgreich erprobt. Dabei konnten wir feststellen, dass alle Arbeits- und Organisationsformen einwandfrei umsetzbar sind und keinerlei Einschränkungen bei Vertriebs- und Kundenbetreuung oder Marketingsupport aufgetreten sind.
Hill: ESG ist ein intensiv diskutiertes Thema bei vielen Asset Managern. Wie betrachten Sie diesen Themenkreis? Wie ist Ihr Haus in diesem Segment aufgestellt?
Knoerr: Ich bin schon seit Jahren davon überzeugt, dass ESG aufgrund der aktuellen Regulierungsdichte kurz- bis mittelfristig zum neuen Markt-Standard in der Asset-Management-Industrie werden wird. Nachhaltigkeit und ESG müssen ein fester Bestandteil jedes Asset-Managers werden. Dafür müssen Unternehmen aber in neuen Dimensionen denken und eine eigene ESG-Vision entwickeln. Viele Asset-Manager haben sich sehr lange auf Ihren ESG-Produktlinien ausgeruht – manche haben sich kaum bis gar nicht mit dem Thema beschäftigt. Das rächt sich jetzt. Die Einbettung der eigenen Nachhaltigkeitsphilosophie in die Unternehmens-DNA ist eine große Herausforderung und braucht Zeit, Commitment und Ressourcen. Als Asset Manager der Ampega haben wir viele Rollen, Stakeholder und Blickwinkel, die es zu berücksichtigen gilt. Zu nennen wären hier beispielsweise der Asset Manager der verschiedenen Talanx-Gesellschaften, die Anbieter von Admin-Dienstleistungen im institutionellen Drittkundengeschäft, der Partner für unsere Private Label Fonds-Kunden im Publikumsfondsgeschäft. Die unterschiedlichen Facetten und Schattierungen von Nachhaltigkeit müssen sinnvoll ineinandergreifen und dürfen sich nicht konterkarieren. Wir haben schon vor einigen Jahren ein agiles Projektteam gegründet, welches versucht die Nachhaltigkeits-Initiativen sinnvoll in die Change-Aktivitäten des Unternehmens einzubetten. Zudem gibt es unterschiedliche ESG-Komitees, welche konkrete Empfehlungen für die ESG-Integration, Engagement oder Proxy Voting Guidelines der unterschiedlichen Kundensegmente erarbeiten. Bereits vor mehr als zehn Jahren hat die Ampega eine dezidierte Produktreihe mit ESG-Fokus in Zusammenarbeit mit der Missionszentrale der Franziskaner gestartet. Diese Partnerschaft ist ein gutes Beispiel für ein glaubwürdiges Commitment in Bezug auf ESG. Das verstehen auch die Kunden.
Hill: Womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver?
Knoerr: Ich bin ein großer Fan der Agility Priciples und setze mich bei Talanx für die agile Transformation ein. Das vorher erwähnte Business Model Canvas ist eines der Templates zur Evaluierung von (Fonds-) Projekten, welches nunmehr Einzug in den Arbeitsalltag gefunden hat. Generell bin ich ein Freund von viel Kommunikation, großer Transparenz und gelebter Ownership. Ich glaube an Selbstorganisation und Verantwortung des Einzelnen und nicht an hierarchisches „command & control“ in der Reporting Line. Wenn wir es schaffen, den Mitarbeitern wieder mehr Freiheit und Verantwortung für Ihre Themenfelder zu geben, wird auch die ganze Organisation davon profitieren, hiervon bin ich fest überzeugt. Im Projektumfeld gibt es bereits viele positive Leuchttürme für agiles Arbeiten, in der „klassischen“ Linientätigkeit der Asset-Manager ist sicherlich noch viel Luft nach oben.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com
Link zu Ampega Investment GmbH: https://www.ampega.de
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