FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Value Investing, Family Offices, Ownership Approach und Fondsselektion (Interview – Christian Freischütz)

Fondsboutiquen stoßen nicht nur in Deutschland seit Jahren auf verstärktes Interesse. Im Value Investing-Segment gibt es eine Reihe von Dienstleistern die Schulungen, Veranstaltungen und Webinare anbieten. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Christian Freischütz von der Value School in Madrid, Spanien. Neben Themen wie Value Investing, Family Office- und Investmentkultur in Spanien wurden auch Themen wie die Gründung einer Beratungsfirma im Pensionskassenbereich, die Auswahl von Fondsboutiquen und der Skin-in-the-Game-Faktor angesprochen.

Hill: Wie sieht der spanische Markt für Fondsboutiquen aus? Welche Rolle spielen hier Family Offices?

Freischütz: Hierzu muss ich zwei bis drei Jahrzehnte zurückgehen. Der spanische Markt war lange Zeit als ein „bankendominierter“ (ich schließe hier auch Versicherungsgesellschaften mit ein, da die meisten Bankassurance-Allianzen hier entstanden, um die Vertriebskraft zu erhöhen) Vermögensverwaltungssektor charakterisiert, mit Bankfilialen an „jeder Ecke“ Spaniens. Damals war es sehr profitabel für Banken, niedrig bezahlte Vermögensverwalter im „Sortiment“ zu haben, die im Grunde genommen indexgebunden Portfoliomanagement betrieben haben. Mit der großen Finanzkrise änderte sich kurzfristig wenig, aber als die Bankfilialen zu verschwinden begannen und die Banken in eine ganze Reihe von Skandalen verwickelt waren, wurde das Leben für unabhängige Vermögensverwalter einfacher. Die Bereiche Family Offices, Value Investing und Fondsboutiquen passen ideal zueinander. Einige wenige Family Offices begannen Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre damit, ihr Geld unabhängig von den Banken zu verwalten, unter ihnen das Family Office Entrecanales (eine Familie mit damalig besonderem Interesse am Bausektor, heute Eigentümer von der in Spanien gelisteten Firma Acciona), Name hier: Bestinver. Sie stellten Francisco García Paramés 1989 ein, und zwei Jahre später leitete er den spanischen Aktienfonds mit einem Value Investing-Ansatz und erzielte eine sehr gute Erfolgsbilanz (Performance: 15,7% p.a., von Januar 1993 bis 2014). Er erlangte größere Aufmerksamkeit in den spanischen Medien, als er sich während der Internetblasen-Kernschmelze im Jahr 2000 weigerte, die trendigen Aktien zu kaufen. Er erzielte hierdurch eine starke Performance gegenüber einem fallenden Markt. Andere familienbezogene Manager traten neu auf in diesem Segment, wie z.B. Lierde Sicav und La Muza Sicav, die mit Herrn Alierta, CEO von Tabacalera und Telefonica, sowie mit der Familie Urquijo, verwandt waren, ebenso eine Adresse wie Metagestión. Zwischen der Internet-Blase und der GFK wurden weitere unabhängige Projekte geboren: Cartesio Inversiones, Belgravia Capital, Solventis Gestión, Abaco Capital. Der größere Boom in Bezug auf die Zahl der unabhängigen Fondsmanager kam nach der GFK, da die Leistung der Vermögensverwalter der Banken sehr unbefriedigend war. Seitdem haben wir eine ganze Reihe neuer Namen im Markt, wie Trea AM, Valentum AM, Invexcel, Equam Capital, Buy&Hold, Lift Investment Advisors, Horos AM und auch in Portugal Casa de Investimentos. Ein Faktor, der den Sektor viel dynamischer gemacht hat, war der Austritt von Herrn Paramés und einigen anderen Partnern beziehungsweise Portfoliomanagern aus Bestinver im September 2014. Seitdem sind eine Reihe von „Projekten“ von dort aus gestartet und haben dem Ökosystem viel mehr Tiefe verliehen. Ende 2015 wurden AZ Valor (E-Partner von Paramés) und Magallanes Value Investors (ein Kunde von Paramés) gegründet, 2016 entstand auch Cobas AM (Herr Paramés).

Christian Freischütz,
Director Business Development bei Value School
Christian Freischütz,
Director Business Development bei Value School

Hill: Family Office-Segment und Fondsboutiquen scheinen in Spanien in engem Zusammenhang zu stehen. Worin besteht hier die Beziehung zu Ihrem Institut (Value School)? Was genau machen Sie dort, was ist Ihre „Mission“?

Freischütz: Jetzt gehe ich nur einige Jahre zurück. Während seiner Zeit des Wettbewerbsverbots las Herr Paramés die klassischen Investorenbücher erneut, darunter von Peter Lynch, der über 13 Jahre in Folge eine Performance von 29% p.a. erzielte. In seinem Buch stellte Lynch fest, dass keiner der Investoren in seinem Fonds diese Performance persönlich erzielte, da diese den Fonds viel zu viel „handelten“, zu viel Timing betrieben hatten. Dies war eine Offenbarung, denn als Herr Paramés in der Lage war, in den folgenden Jahrzehnten eine Performance von 15% p.a. zu erzielen, sollten seine Anleger in der Lage sein, die gleichen Renditen zu erzielen. Die Spanier sollten also etwas über finanzielle Bildung lernen – das war die Grundidee der Value School. Im Jahr 2017 wurde die Value School gegründet, die vor allem Online-Informationen und -Ausbildung anbot. Ebenso wurden Investmentbücher ins Spanische übersetzt, um den Menschen mehr Bildung in diesem Feld zu bieten. Im Jahr 2019 haben wir einige potenzielle Partner gefunden, um das Modell der Value School in Italien (Value School Italia) zu replizieren, in Zukunft vielleicht in Deutschland mit den Gründern von Value Campus. Andere Projekte, die ich interessant finde, sind valueDACH (Tilman Versch) und Vadevalor, die ebenfalls eine Veranstaltung zusammen mit RankiaPro durchführen werden. Abgesehen davon, dass wir eine ganze Reihe von Online-Kursen gestartet haben, um Menschen mit wenig oder gar keinem Finanzwissen auszubilden, konnten wir – Value School zusammen mit mir – im September 2018 auch Professor George Athanassakos für sein Value Investing-Programm in Madrid gewinnen und haben uns nun mit der Gabelli School of Business zusammengetan, um einen Online-Kurs über Verhaltensinvestitionen nach Spanien zu bringen.

Hill: Was würden Sie sich für das Segment der Fondsboutiquen in Spanien wünschen? Haben Sie Erfahrungen mit dem Konferenzbereich in anderen europäischen Ländern?

Freischütz: Einer meiner Träume ist es, zur Entwicklung eines viel größeren unabhängigen Vermögensverwaltungssektors in Spanien beizutragen. Gegenwärtig werden etwa sieben Prozent aller AuM von unabhängigen Managern verwaltet, weitere vier Prozent sind ausländische Firmen, von denen einige unabhängig sind und andere nicht. Langfristiges Ziel ist es, dass das Fondsangebot in Spanien letztendlich genauso sein sollte wie zum Beispiel in Großbritannien (70% der Gelder werden von unabhängigen Managern bzw. Fondsboutiquen verwaltet). Aus diesem Grund habe ich schließlich mit der Value School die Zusammenarbeit gesucht, da hier unsere Ziele komplementär erscheinen. Seit 2015 leiten meine Frau und ich die spanische Value Investing-Konferenz Value Spain, die dem Geist des italienischen Value Investing-Seminars folgt. Andere Konferenzen unterstützen wir als Freunde: Die Nordic-Value-Konferenz in Kopenhagen, Smart Vienna in Wien, die Internationale Value Investing-Konferenz in Luxemburg und die tschechische Value-Konferenz in Prag. Wir haben an allen europäischen und einigen US-Konferenzen teilgenommen – die Londoner Value-Investoren-Konferenz, Value X in Klosters und die zypriotische Value-Investoren-Konferenz. In Deutschland waren wir auch auf der VIA-Konferenz von Herrn Stefan Rehder und in Nordamerika haben wir zweimal an der Berkshire Hathaway Annual Shareholder Meeting (der Wiege des Kapitalismus, wie Herr Buffett es ausdrückt) und an den Konferenzen, die um diese herum entstanden sind (Gurufocus-Konferenz und die University of Omaha Value Investing Conference), teilgenommen. Darüber hinaus habe ich auch an der Ben Graham Value Investing Conference in Toronto teilgenommen, die kurz vor der Fairfax-Jahreshauptversammlung von Prem Watsa stattfindet.

Hill: Ihre Schule organisiert ja Veranstaltungen, Schulungen, Webinare. Welche Veranstaltung im Value-Bereich hat Sie am meisten beeindruckt, welche haben Sie intensiv erlebt?

Freischütz: Für jeden Value-Investor sind die Omaha-Veranstaltungen mindestens einmal im Leben ein Muß, während Warren Buffett und Charlie Munger sozusagen noch „unter uns“ sind. Ganz von der Generalversammlung abgesehen, sind die Gelegenheiten zum Networking dort erstaunlich. Alle Konferenzen haben ihre eigenen Besonderheiten. Einige sind eher marketing-orientiert, während andere eher dazu neigen, „geheime Freundschaftstreffen“ zu sein. Auf jeden Fall gilt: Alle dieser Veranstaltungen sind es wert, mindestens einmal besucht zu werden. Die besonderen Settings, Themen, Schwerpunkte der Veranstaltung könnten Ihnen bei der Entscheidung helfen, in welcher Reihenfolge sie getestet werden sollten: Wenn Sie gerne Ski fahren, ist Guy Spier’s Value X etwas für Sie, aber es ist nicht einfach, in die Gruppe einzutreten. Möchte man Süditalien (Gebiet Bari) gerne erkunden, dann sollten Sie die Konferenz von Ciccio Azzollini besuchen. Wer den Zauber der nordischen Länder schätzt, vor allem Kopenhagen im Juli, für den eignet sich Ole Soeberg und seine phantastische Kulisse. Einen späten Urlaub bietet, um mit einer schönen Bräune in den Winter einzutreten, Ende September in Zypern die Veranstaltung von Sophocles Sophocleus. Sie mögen die Kunststadt Wien, dann ist Reinhard Krakauer und seine Konferenz ein Muß. Offensichtlich sind spanisches Essen, Kunst und Charme in Madrid bei uns zu finden. Wie gesagt, alle Formate haben ihren spezifischen Reiz und Flair.

Hill: Wenn Sie nicht die Value School unterstützen, womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver?

Freischütz: Ich habe eine kleine Beratungsfirma gegründet, um einen Pensionsfonds in Spanien zu beraten, der bald auf den Markt aktiv werden soll. Die spanischen Pensionsfonds haben in den letzten 20 Jahren im Grunde keine besondere Entwicklung verzeichnet in Sachen Performance. In den letzten 15 Jahren hat mehr als die Hälfte aller Fonds diesbezüglich die Inflationsrate hier „unterschritten“ (von der Anzahl der Fonds her betrachtet, wenn man sie nach AuM gewichten würde, kämen wir mit der Anzahl von zwei Dritteln diesen Sachverhalt viel näher). Die einzige Neuheit war die Aufnahme von Indexfonds vor zwei bis drei Jahren. Ansonsten sind es immer noch die Banken, die Pensionsfonds verkaufen, hier „Geschenke“ anbieten, um Kunden anzulocken. Vor 20 Jahren waren es Handtücher und Fernseher, jetzt sind es iPhones und Tablets, aber im Grunde ist es die gleiche Idee, sinngemäße Interpretation, je nach Sichtweise verschiedener Marktbeobachter: „Bringen Sie Ihr Geld zur Bank, wir werden mit Sicherheit in Sachen Performance die Inflationsrate ‚unterschreiten‘ bis Sie in Rente gehen, dafür werden wir saftige Gebühren von Ihnen erhalten“. Aufgrund dieser Entwicklung werde ich einen Dachfonds (zwischen sieben bis zwölf Fonds) einrichten, der in kleinere, aber sehr interessante Fondsboutiquen in Spanien investiert, die über Unternehmergeist verfügen und „skin in the game“ haben. Obwohl die endgültige Allokation in Sachen Boutiquen noch nicht beschlossen ist, prüfen wir die folgenden Namen (in alphabetischer Reihenfolge): Der Fonds Global Opportunity von Abaco Capital, der Aktienfonds von Buy&Hold, der Incometric-Fonds von Equam, der Japan Deep Value-Fonds von Gesiuris, die Sicav von La Muza, der Fond von Lift Investment Advisors, der Aktienfonds von Palm Harbor Capital, der Aurora Investment Trust von Phoenix Asset Management Partners, der Value Strategy Fond von Singular Bank und der europäische Aktienfonds von Trea Asset Management. Alle diese Häuser sind unabhängig, haben „skin in the game“, investieren mehrheitlich in eigentümer-geführte Unternehmen. Sie haben langfristige Ansätze, einen soliden Investitionsprozess und langjährige Investitionserfahrung – in einigen Fällen über zwei Jahrzehnte.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.


*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com

Christian Freischütz ist verantwortlich für den Bereich Business Development bei der Value School (https://valueschool.es).
T: +34.630942684
https://valueschool.es

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Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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