Viele Fondsboutiquen besitzen eine ausgeprägte Expertise und Leidenschaft im Bereich Value Investing: „Freude an der Arbeit lässt das Werk trefflich geraten“ (Aristoteles). Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Dominikus Wagner, Gründer der Bonner Vermögensverwaltung Wagner & Florack, über Ownership Approach, Skin-in-the-Game und auch über die Auswahlkriterien eines Vermögensverwalters beim Einsatz von Boutiquen in Kundenportfolien. Thematisiert wurden ebenso Themen wie Bilanzanalyse, „buffettscher Burggraben“ und die Bedeutung von Charlie Munger für Value-Investments.
Hill: Es gibt viele interessante Ansätze von Fondsboutiquen im Value-Investing-Segment. Wie würden Sie Ihren Investmentansatz beschreiben?
Wagner: Konzentration auf das unternehmerisch Wesentliche. Deshalb gilt es für uns, die Geschäftsmodelle und die Bilanzen von Unternehmen zu analysieren und wirklich zu verstehen – und zwar beides aus einem unternehmerischen Blickwinkel.
Wir investieren mit einer unternehmerischen und langfristigen Sichtweise in Aktien cash-flow starker, beständig wachsender Unternehmen. Diese Unternehmen verdienen langfristig immer sehr gut, auch in einer Rezession. Uns ist es wichtig, dass die Unternehmen wenig Kapital einsetzen müssen, hohe zuverlässige Skaleneffekte haben und eine herausragende Kapitalverzinsungen schaffen. Und die Unternehmen müssen robuste und stabile Wettbewerbsvorteile haben, also den buffettschen Burggraben.
Hill: Wo sehen Sie den Unterschied zu anderen Value-Ansätzen?
Wagner: Wir nennen unseren Stil „Value-Investing nach Munger“. Wenn ein Target, an dem wir beteiligt sein möchten, zu einem Preis -inklusive eines Sicherheitsabschlags- unter dem Wert der Firma zu haben ist, kaufen wir. Niedriger Fair Value abzgl. Sicherheitsabschlag bedeutet übrigens fast nie, dass wir zu vermeintlichen oder tatsächlichen Billigstbewertungen kaufen, wie früher Buffetts Lehrmeister Graham, der von der Great Depression der 30er Jahre beeinflusst war, als viele Firmen deutlich unter ihren bilanziellen Buchwerten valutierten. Buffett hat in seiner Zeit ohne Munger auch oft versucht, derart (vermeintlich) günstige Aktien zu finden. Das war selten erfolgreich, wie Buffett eingeräumt hat. Munger hingegen hat von Fisher gelernt, dass vermeintliche Billigst-Firmen oft zu Recht billigst zu haben sind. Weltklasse-Firmen mit stets niedrigem Kapitalbedarf und hohen Skaleneffekten und deshalb robust hohen Margen und hoher Kapitalverzinsung, mit robusten Burggräben, starken Marken und Preissetzungsmacht werden immer etwas höher oder ausgeprägt höher bewertet sein. Dennoch muss der Preis unter dem Wert liegen. Und gelegentlich liegt der Wert von Top-Firmen deutlich über ihrem Preis, z.B. in der Baisse wie aktuell, oder wenn Analysten „enttäuscht“ sind von guten Geschäftszahlen, weil sie noch mehr erwartet hatten, und automatische Handelssysteme, Trader und Ängstliche verkaufen. Munger hat Buffett klargemacht, dass solche Firmen langfristig bessere Investments sind als reine „Graham-Firmen“. Value-Investing nach Munger ist also kein Graham-Investing, sondern ein fokussiertes, langfristiges Investieren in Weltklasse-Qualitätsfirmen, die zu einem Preis unter ihrem Wert zu kaufen sind, und dieser Preis wird in der Regel höher sein als bei Aktien, die zu Recht billig sind.
Hill: Wen sehen Sie als Ihre Konkurrenten bzw. als Ihre direkten Mitbewerber an?
Wagner: Konkurrenzdenken kenne ich nur vom Sport her, ansonsten ist es mir fremd. Wir konzentrieren uns auf uns. Wir müssen weiterhin unsere Hausaufgaben konsequent erledigen, dann kommt der Rest von selbst.
Hill: Was sind die „Hausaufgaben“ und was meinen Sie mit „Rest“? Was sind Ihre Ziele?
Wagner: Geschäftsberichte, Investorenpräsentationen, Äußerungen guter Manager lesen, dann übers Geschäft und die Bilanzen der Firmen und deren Wettbewerber intensiv nachdenken. Und zwar beides unbedingt und ausschließlich mit kritischem, unternehmerischem Verstand. Geschäftsmodelle verstehen, über Risiken des Geschäfts und die Burggräben nachdenken und deren Veränderung verstehen. Dabei ist es uns extrem wichtig, dass man genau untersucht, wie ein Geschäft in der Rezession läuft und welche anderen schwerwiegenden Probleme auftauchen können. Auch Burggräben verändern sich, darüber nachzudenken, was die Folgen sein könnten, ist zentral. Bei der quantitativen Analyse ermitteln und schauen wir uns nur die Kennzahlen an, die aus unternehmerischer Sicht Relevanz haben. Letztlich muss man eine Gesamtschau von Geschäftsmodell und gesamter Bilanz machen, um ein Unternehmen vernünftig einschätzen und bewerten zu können. Macht meine seine Hausaufgaben stetig und gründlich, dann ergibt sich der „Rest“ – man vermeidet unnötige Fehler, schafft durch die Beteiligung an Firmen, die immer gutes Geld verdienen, hohe Investitionssicherheit und wird langfristig mit einer hohen Performance belohnt, weil die Firmen nicht nur verlässlich, sondern auch stark wachsen.
Hill: Und was sind die Ziele für den Fonds hinsichtlich des Volumens?
Wagner: Wir sind und bleiben da ganz bodenständig. Ich möchte aber schon, dass sich die Traktion, die wir in puncto Investmentprozess und Performance auf die Straße bringen, auch ansatzweise im Volumen widerspiegelt. Wir liegen aktuell bei gut 75 Mio. nach ca. 30 Mio. vor gut einem Jahr, wir haben bisher aber sehr wenig vertrieblich bzw. für die Außenwahrnehmung unternommen, sind aber gerade dabei, das behutsam zu ändern. Wir haben diesbezüglich Geduld, auch wenn es manchmal schwerfällt.
Hill: Der Fonds soll langfristig und insbesondere in schwachen Marktphasen die Anleger überzeugen, die aktuelle Phase war herausfordernd für viele Value-Manager. Liegt es bei Ihnen am Risikomanagement, an gutem Timing oder was sind die Hauptgründe für Erfolge in diesem Bereich?
Wagner: Am Timing liegt es nicht, wir waren und sind im Unternehmerfonds voll investiert. Und ja, Risikomanagement? Unser Risikomanagement ist die stetige und gründliche Erledigung der oben erwähnten Hausaufgaben. Und: Robuster Cash Flow und eine gesunde Bilanz ist die beste Downside Protection beziehungsweise das unseres Erachtens beste Risikomanagement. Unsere Portfoliounternehmen sind auch nicht von der Insolvenz bedroht, während ein beachtlicher Teil der börsennotierten Firmen in einem rauem bis sehr rauem Umfeld latent „pleitegefährdet“ ist. Von daher werden wir unserem eigenen, obersten Ziel gerecht, nämlich langfristig kein Geld zu verlieren.
Hill: Apropos kein Geld verlieren – sind Sie mit eigenem Geld im Fonds investiert?
Wagner: Ja, klar. 100% meines mittel- bis langfristig zur Verfügung stehenden Kapitals. Auf die 100% bezogen, bedenken Sie bitte: Der Arzt oder Apotheker medikamentiert sich auch ein wenig anders als den Patienten!
Hill: Können Sie nur Krisen, oder funktioniert der Ansatz auch in Zeiten freundlicher Märkte?
Wagner: Wir haben gezeigt, dass wir auch in freundlichen Marktphasen Outperformance genieren. Und das wird auch in Zukunft so sein müssen, weil es ökonomisch zwingend ist. Unternehmen mit niedrigem Kapitalbedarf und hohen Skaleneffekten haben dauerhaft hohe und fast immer wachsende Margen, eine hohe Bilanzqualität und eine hohe Kapitalverzinsung, weshalb ihr Unternehmenswert und somit der Kurs auf Dauer stärker steigen MUSS als der Wert anderer Firmen.
Hill: Sie sind selber auch Vermögensverwalter und wählen Asset Manager aus. Auf welche Kriterien achten Sie besonders bei Fondsboutiquen?
Wagner: Wir, beziehungsweise die Kollegen, achten bei der Fondsauswahl natürlich nicht nur auf die Performance. Sie ist wichtig, aber es muss geschaut werden, wie sie zustande gekommen ist. Vereinfacht: War es Glück oder war es Können? So gucken wir uns zum Beispiel nicht nur das erzielte Alpha an, sondern auch, wann und wie stabil es entstanden ist. Am wichtigsten ist jedoch: Wir müssen die Investmentphilosophie und den Investmentprozess verstanden haben und beides für plausibel und für dauerhaft erfolgsversprechend erachten. Wir wollen sehen, dass das Fondsmanagement sein Handwerk wirklich versteht. Und der jeweilige Investmentstil muss konsequent umgesetzt werden.
Hill: Womit beschäftigen Sie sich -neben der Arbeit- noch beziehungsweise womit würden Sie sich gerne befassen?
Wagner: Im Mittelpunkt stehen die Arbeit und die Familie. Außerdem bringe mich in einer Stiftung ein und treibe Sport, so viel es die Zeit zulässt. Ich pflege meine guten Freundschaften, allerdings momentan- gefühlt- mehr schlecht als recht. Ich bemühe mich das zu verbessern und möchte zukünftig auch anderen Leidenschaften wieder mehr nachgehen, wie zum Beispiel der Musik. Aber alles in allem bin ich zufrieden.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
WEBINAR MIT DOMINIKUS WAGNER (23.4.2020): Viele Boutiquen nutzen derzeit die Gelegenheit zur „digitalen Kommunkation“. EIN BEISPIEL: Value Investing & Unternehmertum (Dominikus Wagner), Quant-Ansätze & Szenarien (Oliver Klehn), Risikomanagement & Marktzyklus (Cyrus Moriabadi). DIGITAL & ANLALOG – Beide Welten ergänzen sich, ersetzen sich jedoch nicht. Es geht weiterhin nichts über einen gepflegten persönlichen Gedankenaustausch im Herbst 2020!
INFORMATION ZUR ANMELDUNG:
https://www.edudip.com/de/webinar/hamburger-fondsmanagerrunde/149546
FONDSBOUTIQUEN & BONN:
https://www.wagner-florack.de
Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com
2 Gedanken zu “FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Value Investing, Aristoteles, Fondsselektion & Ownership Approach (Interview & Webinar, 23.4.2020 – Dominikus Wagner)”