FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Wealth Management – Status quo, Alternativen und der Weg in die Zukunft (Kommentar – Markus Schwingshackl, Centro LAW)

Müssen und können sich Wealth Manager neu erfinden?

Brauchen Vermögensinhaber eigentlich noch einen Wealth Manager? Angesichts der Nachrichten über Fehlverhalten und der negativen Folgen für Anleger, der Kreativität der Branche in neue Gebührenbereiche vorzudringen und des Aufstiegs digitaler Herausforderer, die ein besonderes Kundenerlebnis und wettbewerbsfähigere Preismodelle bieten, stellt sich diese Frage durchaus. Dennoch ist die Alternative, mit verschiedenen Anbietern zu arbeiten und segmentierte Beziehungen zu koordinieren, nicht einfach umzusetzen. Dieser Artikel beleuchtet einige der Schmerzpunkte des aktuellen Wealth Management Angebots und zeigt Möglichkeiten auf, diese zu lösen.

Begriffsabgrenzung

Wealth Management deckt ein breites Spektrum von Finanzdienstleistungen ab und ist gewissermassen der grosse Bruder der Vermögensverwaltung, die oft auch als Investment Management oder Asset Management bezeichnet wird, da Wealth Manager in der Regel auch diese Dienstleistung anbieten. Klassische Vermögensverwalter verfolgen einen technischen Ansatz, um durch aktive Anlageentscheidungen im Auftrag ihrer Kunden den Wert von Finanzanlagen zu vermehren und zu erhalten.

Markus Schwingshackl ist Rechtsanwalt und Gründer der Boutique Rechtsanwaltskanzlei Centro LAW
Markus Schwingshackl ist Rechtsanwalt und Gründer der Boutique Rechtsanwaltskanzlei Centro LAW

Wealth Manager betrachten das Vermögen ihrer Kunden ganzheitlich zur umfassenden Vermögensplanung. Diese Herangehensweise wird regelmässig auch als Private Banking oder Private Wealth Management umschrieben und berücksichtigt im Vergleich zur klassischen Vermögensverwaltung weitere Dimensionen, zum Beispiel Wealth Planning und Estate Planning, um den Schutz des Vermögens und dessen Erhalt über Generationen hinweg zu gewährleisten. Wealth Management und Vermögensverwaltung können sich auch in der Anlageberatung überschneiden, die im engen Sinne die Empfehlungen zum Kauf, Halten oder Verkauf von Finanzinstrumenten umfasst.

In der Praxis findet man eine breite Palette von Definitionen und Begriffen für manchmal dieselbe Dienstleistung, weshalb der Autor keinen Anspruch auf die Deutungshoheit erhebt. Nachfolgend wird allerdings bei den Begriffen Wealth Management, Vermögensverwaltung und Anlageberatung auf obige Definitionen abgestellt.

Interessenkonflikte

Ein typisches Szenario: Wenn ein Wealth Manager seine eigenen Finanzinstrumente oder Produkte, die von Unternehmen derselben Gruppe aufgelegt werden, verkauft und aktiv bewirbt, besteht ein erhöhtes Risiko, dass er tatsächlich im eigenen Interesse und nicht im besten Interesse des Kunden handelt. Mit anderen Worten steht ein möglicher Interessenkonflikt im Raum. Die gute Nachricht ist, dass Regulatoren Wealth Manager dazu verpflichten, im besten Interesse ihrer Kunden zu handeln, potenzielle Interessenkonflikte offenzulegen und eine faire Behandlung sicherzustellen, falls sich ein Interessenkonflikt nicht vermeiden lässt.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass Wealth Manager versuchen, regulatorischen Auflagen lediglich im Kleingedruckten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerecht zu werden. Was kann man in solchen Fällen tun? Man fragt nach, ob ein möglicher Interessenkonflikt mit den Produkten verbunden ist, deren Kauf empfohlen wird. Insbesondere wenn es sich um ein hauseigenes Produkt handelt, sollten man Alternativen erhalten, die zwar gleichwertig, aber in Bezug auf Kosten und Komplexität vorteilhafter sind. Obwohl diese Informationen gesetzlich vorgeschrieben sind, gilt es stets nachzufragen. Und falls empfohlen wird, eine bestehende Position durch ein neues Produkt zu ersetzen, sollte man auch gleich die Bestätigung einfordern, dass die erwarteten Vorteile eines Wechsels die dadurch verursachten Kosten überwiegen.

Offene Architektur und Best-in-Class

In einer offenen Architektur agiert ein Wealth Manager als sogenannter One-Stop-Shop, der sowohl eigene als auch fremde Produkte in grosser Auswahl anbietet. In Kombination mit einem Best-in-Class-Ansatz sollte der Kunde ein breites Angebot objektiv marktführender Produkte erhalten, unabhängig davon, ob es sich um hauseigene oder Produkte von Dritten handelt. Hört sich gut an, aber bekommt man auch das Beste oder werden eigene Produkte bevorzugt?

Die Regulierung verpflichtet Wealth Manager losgelöst vom Vertriebskonzept, Richtlinien und Prozesse einzuführen, die sicherstellen, dass sie im besten Interesse ihrer Kunden handeln. Es liegt jedoch erneut am Kunden, genauere Informationen darüber einzuholen, wie man mit Interessenkonflikten umgeht. Kunden sollten durchaus die Einzelheiten zu internen Richtlinien verlangen, um zu erfahren, in welchem Umfang und unter welchen Konditionen eigene Produkte platziert werden. Die Due-Diligence-Prüfung von Produkten hat ihren Preis und daher sollte man genau wissen, was man dafür bezahlt.

Die Anlageberatung

Erhält man eine Anlageberatung, muss der Wealth Manager grundsätzlich geeignete Anlagen empfehlen. Zu dieser Verpflichtung gehört auch, dass er Interessenkonflikte vermeidet, die sich negativ auf die Beurteilung der Eignung der Anlagen für den Kunden auswirken könnten.

Das Konzentrationsrisiko ist ein wichtiges Detail, das hierbei beachtet werden muss. Es ist Teil der Eignungsprüfung, um sicherzustellen, dass Kunden kein Konzentrations- und Kreditrisiko eingehen, indem sie in zu viele Produkte desselben Anbieters investieren. Diese Risiken werden durch Diversifizierung bewältigt, und man sollte sprichwörtlich nicht alle Eier in einen Korb legen. Daher empfiehlt es sich nicht, alle Anlageprodukte von einem Produktanbieter zu kaufen, egal wie gut sie sind.

Auch hier fordert die einschlägige Regulierung die Offenlegung, Kontrolle und Handhabung von Risiken und Interessenkonflikten. Es verbleibt jedoch beim Kunden, Einzelheiten und Konzentrationsschwellen für Fremd- und Eigenprodukte in Erfahrung zu bringen.

Die Vermögensverwaltung

Obiges gilt auch, falls der Anlageprozess vollständig an den Wealth Manager im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats delegiert wird. Dieser Umstand mag beruhigend wirken, da man sich nicht mehr um Anlageentscheidungen kümmern muss. Trotzdem sind die Dinge genauer zu betrachten. Wenn man beispielsweise Vermögensverwaltungsgebühren entrichtet und einen Dachfonds desselben Wealth Managers im Portfolio hält, der wiederum in hauseigene Fonds investiert, laufen Kosten auf mehreren Ebenen zugunsten desselben Dienstleisters auf, und dafür sollte es gute Gründe geben. Die Behandlung eigener und verbundener Produkte ist nicht nur der Kosten wegen im Detail zu verstehen, sondern auch um sicherzustellen, dass man in die besten Produkte investiert ist und eine angemessene Diversifizierung erzielt.

Die Alternativen

Obwohl die weltweiten Vermögen konstant wachsen, stehen Wealth Manager vor Herausforderungen, da Vermögensinhaber mittlerweile bestens informiert sind, in Branchen ausserhalb der Finanzindustrie gute Erfahrungen mit High-Tech und High-Touch gemacht haben und eine Preisgestaltung erwarten, die sich am erbrachten Mehrwert orientiert. Unerfüllte Vertrauens- und Transparenzerwartungen veranlassen sie dazu, nach Lösungen zu suchen, die besser auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind.

Family Offices

Family Offices sind mehrheitlich hervorragend positioniert, um Interessenkonflikte zu vermeiden und zu managen, die besten Dienstleister einzubinden, vorteilhafte Vertragskonditionen auszuhandeln und die gesamte Wertschöpfungskette finanzieller Dienstleistungen zu überwachen. Wealth Manager bieten eigene Schnittstellen für Family Offices und Zugang zu institutionellen Kapazitäten an, um hochwertige Lösungen, Kontrolle und Transparenz zu ermöglichen. Der weitere Vorteil eines Family Offices ist die strukturierte Suche nach den besten Anbietern für die verschiedenen Anlageklassen.

Nach Ansicht des Autors liegt der grösste Mehrwert im Controlling: Erfolgreiche Family Offices erfassen und analysieren Daten im Detail, um klare Erkenntnisse über Kosten, Performance und Strategiekonformität über alle Anlageklassen und Manager hinweg zu erhalten. Das ist der entscheidende Pluspunkt des Family Offices: eine umfassende Kontrolle und Analyse aller Anlagen und Anbieter als Grundlage für fundierte Entscheidungen in der Steuerung des Gesamtvermögens.

Unabhängige Vermögensverwaltung

Unabhängige Vermögensverwaltungsverwaltung ist eine weitere Option. In der Schweiz gibt es beispielsweise mehr als 2000 unabhängige Vermögensverwalter mit einem betreuten Kundenvermögen von über 500 Milliarden Schweizer Franken. Der Grossteil konzentriert sich auf die Vermögensverwaltung und Anlageberatung, während die Verwahrung der Vermögenswerte bei einer Bank verbleibt. Sie sind unabhängig von den Depotbanken und damit eine echte Alternative zum traditionellen Wealth Management.

Mit der jüngsten Schweizer Branchenregulierung sind sie zudem zu erhöhter Transparenz und Governance sowie besserem Kundenschutz verpflichtet und unterstehen einer verstärkten Aufsicht. Obwohl die Depotverwahrung zukünftig zur Massenware werden dürfte, ist der Zugang zu anspruchsvollen Produkten, massgeschneiderten Finanzierungen und exklusiven Dienstleistungen nach wie vor ein ausgezeichneter Grund, mit einem unabhängigen Vermögensverwalter und einem Wealth Manager zusammenzuarbeiten.

Unabhängig von einer Bank können externe Vermögensverwalter kreative und umfassende Anlageideen erarbeiten, indem sie die besten und auf das Risikoprofil der Kunden zugeschnittenen Produkte identifizieren. Darüber hinaus kann es für Vermögensinhaber interessant sein, die Vermögensbetreuung zu konsolidieren, ohne die Diversifizierung ihrer Portfolios und der Depotbanken zu gefährden. Indem sie ihre Anlagestrategie von einem unabhängigen Vermögensverwalter umsetzen lassen, können sie alle Vermögenswerte ganzheitlich übersehen.

Wealth-Management-Plattformen

Wealth-Management-Plattformen und ihre standardisierten Beauty Contests sind ein neueres Angebot. In den meisten Fällen sind sie unabhängig und haben keine Verbindung zu Wealth Managern und Vermögensverwaltern. Mit einer objektiven Auswahl der Dienstleister erzielen sie Kosteneffizienz, Transparenz und vermeiden Interessenkonflikte. Zudem erstellen sie regelmässige Performance- und Kostenberichte und überwachen die Anlagestrategien.

Da Privatkunden in der Regel eine langfristige Beziehung in der Betreuung ihres Vermögens anstreben, kann es sich lohnen, einen unabhängigen Anbieter für den Auswahlprozess hinzuzuziehen. Insbesondere, wenn man mit mehreren spezialisierten Nischenanbietern zusammenarbeiten möchte, kann dieser Auswahlansatz einen Mehrwert bieten.

Und wenn sich Wealth Manager neu erfinden?

Die Deloitte Studie „The Future of Wealth Management in Switzerland“ aus dem Jahr 2019 bestätigt, dass Wealth Manager vor herausfordernden Zeiten und einem hohen Mass an Unsicherheit stehen. Dies gilt nicht nur für die Schweiz, sondern global.

Infolgedessen dürften sich Wealth Manager in diesem Jahrzehnt notgedrungen in Family-Office-Ökosysteme mit offener Architektur und Zusammenarbeit, in Wealth-Management-Marktplätze als modulare Integratoren von Dienstleistungen, in digitale Inseln mit herausragender Kundenerfahrung und Kosteneffizienz oder in exklusive Investmentclubs für Mitglieder verwandeln. Diese Geschäftsmodelle zielen alle darauf ab, das Kundenerlebnis auf ein neue Stufe aussergewöhnlicher Dienstleistungen zu heben und digitale Anwendungen mit kundenzentriertem Design zu implementieren.

Das sind hervorragende Aussichten für Vermögensinhaber, denn Wealth Manager müssen sich unablässig auf ihre Kundenorientierung konzentrieren, ihr digitales Gesamterlebnis auf ein hervorragendes Niveau heben, Partnerschaften im Ökosystem für innovative Lösungen eingehen und mehr Klarheit über die Kosten und Qualität ihres Angebots schaffen. Damit könnten Transparenz, Mehrwert, Personalisierung und Kosteneffizienz die Merkmale einer neuen Ära des Wealth Managements werden.


Markus Schwingshackl ist Rechtsanwalt und Gründer der Boutique Rechtsanwaltskanzlei Centro LAW (www.centrolaw.ch) in Zürich und unterstützt internationale VermögensinhaberInnen, UnternehmerInnen und ihre Familien bei der Navigation durch die Komplexität von Family Offices, Wealth Planning, Estate Planning und Wealth Management.

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Quelle: LinkedIn

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