„Was wir heute tun, entscheidet darüber, wie die Welt morgen aussieht.“ (Marie von Ebner-Eschenbach)
Wer von erfolgreicher Vermögensanlage von Family Offices und Fondsboutiquen spricht, hat schnell die Worte „Langfristdenke“ und „Nachhaltigkeit“ im Mund. Grund für Markus Hill mit dem Familienunternehmer Florian Riedel, in dritter Generation Mitinhaber der Krebs & Riedel Schleifscheibenfabrik aus Bad Karlshafen im äußersten Norden Hessens, über Nachhaltigkeit und Realwirtschaft zu sprechen.
Hill: Nachhaltigkeit wird in der Finanzbranche derzeit häufig mit „Impact Investing“ gleichgesetzt. Wie sieht das ein Familienunternehmer?
Riedel: Impact Investing kann wichtige Akzente setzen, wird aber unsere Welt allein nicht retten. Das liegt schon in der Tatsache begründet, dass Impact Investing nur einen kleinen Teil der Assets, die CO2 emittieren, adressieren kann. Ein kleiner Ziegeleibetrieb in Indien oder ein Kohlekraftwerk im chinesischen Staatsbesitz kann nicht mit Kapitalmarktinstrumenten erreicht werden. Ich bin der Meinung, dass nur Eigentum zu einem pfleglichen Umgang mit der Umwelt, den Ressourcen, mit allem anregt. „Ownership Approach“ und „Skin in the game“ sind Schlagworte, die einem dabei möglicherweise einfallen. Der studierte Volkswirt, was wir ja beide sind, würde von der „Internalisierung externer Effekte“ sprechen. Am Ende geht es immer um das Gleiche: Handle so, als wäre es Dein Eigentum. Und wenn neben „Skin“ auch noch die eigene Gene im Spiel sind, zum Beispiel in Form der eigenen Nachkommen, wird es wirklich nachhaltig.
Hill: Was ist das Besondere an einem Familienunternehmen?
Riedel: Der Name sagt es eigentlich schon. Es ist der Familien- und Mehrgenerationenansatz. Mehrere Studien belegen, dass Familienunternehmen sehr großzügig in den Ausbau des Geschäfts und in Forschung und Entwicklung investieren, gerade weil der Investitionshorizont nicht nur bis zum Renteneintrittsalter oder bis zum Ende einer Bestellungsperiode eines Vorstands reicht. Der Unternehmer, der sein Unternehmen so aufstellt, dass die folgende Generation es weiterführen kann und das als Kern seiner unternehmerischen Verantwortung begreift, handelt nachhaltig. Darüber hinaus muss er innovativ sein, damit er etwas zum Vererben hat. Bei ihm sind es nicht die Aktienoptionen, die man dem Manager als Anreiz zugesteht, damit er sich nicht wie ein Beamter, sondern wie ein Unternehmer verhält, sondern der Gedanke an die eigenen Kinder.
Hill: Die angesprochenen Studien zeigen auch, dass Familienunternehmen börsennotierte Unternehmen bezüglich der Rendite schlagen. Sind also Familienunternehmen attraktive Investments?
Riedel: Ein Investor sieht in einem Familienunternehmen ein attraktives Übernahmeziel, wird vielleicht noch 5 Jahre mit dem Unternehmer als Minderheitsgesellschafter zusammenarbeiten und dann seinen Exit anstreben. Für das Familienunternehmen bedeutet dieser Exit-Druck aber, dass es kein Familienunternehmen mehr ist, sobald klar ist, dass ein Verkauf in der mittleren Zukunft ansteht. Da zerbricht also genau das, was vorher das Besondere an dem Unternehmen war. Eine aktive Zusammenarbeit zwischen Investor und Familienunternehmer könnte sehr fruchtbar sein, sofern die Anforderungen bezüglich des Wunsches nach Kontrolle seitens der Unternehmerfamilie und der Mehrgenerationenaspekt hinreichend gewahrt bleiben. So könnte der Finanzinvestor wirklich von den Familienunternehmenseigenschaften profitieren und das Familienunternehmen von der finanziellen Stärke des Finanzinvestors. Solche Modelle sind leider viel zu selten.
Hill: Dann werden wir doch mal konkret: was hat ein Finanzinvestor davon, in ein Familienunternehmen einzusteigen und was hat das Familienunternehmen davon? Wie spielen die beiden zusammen?
Riedel: Der Finanzinvestor hat seine – hoffentlich tatsächlich realisierbare – Überrendite gegenüber dem Investment in eine beispielsweise börsennotierte Gesellschaft. Die wird er auch brauchen, allein wegen der Illiquidität seines Investments. Dafür hat er nicht das Problem, sein Investment nach einigen Jahren verkaufen und dann auch noch eine Wiederanlagemöglichkeit suchen zu müssen. Und was das Beste ist: er eröffnet sich ein komplett neues Universum von Anlagemöglichkeiten, welches ihm anderenfalls verschlossen bliebe. Das Familienunternehmen auf der anderen Seite kann Investitionen stemmen, die sonst vielleicht völlig außerhalb des realisierbaren stünden. Beispielsweise die Übernahme eines Wettbewerbers aus den USA oder den Bau einer neuen Fabrik in China. Mit einem Finanzinvestor wird es realisierbar, aber deswegen das Unternehmen zu verkaufen? Da bleibt so manche hervorragende Idee auf der Strecke, weil sich die Zielkoordinaten der beiden nicht in Übereinstimmung bringen lassen. Es braucht also auf beiden Seiten den Willen zur kreativen Gestaltung, zum Dialog. Mit standardisierten Ansätzen wird man diesen Antagonismus nicht lösen können. Das bedeutet natürlich auch, dass der Familienunternehmer bereit sein muss, dem Finanzinvestor durch Informations- und Kontrollrechte eine Mitgestaltungsmöglichkeit einzuräumen. Er sollte mitdenken und mitentscheiden, denn er hat mutmaßlich Kompetenzen, die der Familienunternehmer typischerweise nicht hat.
Hill: Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage nach der Nachhaltigkeit: Sie haben in Ihrem Beispiel vom Bau einer Fabrik in China gesprochen. Wie nachhaltig ist nach Deiner Meinung eine Investition in China, vor dem Hintergrund von Know-how-Abfluss, der Erfahrung von Corona und Umweltaspekten?
Riedel: Es ist nicht so, dass Chinesen weniger vertrauenswürdige Menschen wären, auch wenn immer wieder dieser Eindruck in Europa und den USA vermittelt wird und sich leider auch in vielen Köpfen festgesetzt hat. Schlechte Erfahrungen gibt es viele, aber es gibt weit mehr positive Erfahrungen. Ich kenne einen Fall eines Herstellers von Tiernahrung, der es geschafft hat, sein Know-how zu schützen und ein sehr erfolgreiches Joint-Venture mit einem Chinesischen Unternehmer zu gründen. Ohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Tiernahrung zu sein, denke ich immer, dass es doch nicht schwer sein kann, Tiernahrung nachzuahmen. Es gibt also Erfolgsgeschichten.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass wir mit Ausbruch der Pandemie ohne unsere Chinesische Tochtergesellschaft und deren Lager massive Schwierigkeiten gehabt hätten, unsere Kunden in China zu beliefern. Umgekehrt waren wir in der Lage aus China größere Mengen Mundschutzmasken für unsere Mitarbeiter und die Stadtverwaltung zu besorgen. Das zu einer Zeit, in der Feuerwehrleute in Deutschland von amtlicher Seite eine Bastelanleitung für Masken als einzige Unterstützung erhalten haben.
Ich halte Globalisierung für eine grundsätzlich positive Sache, auch für die Umwelt. Der Austausch von Wissen, zum Beispiel bei der Reduzierung von Industrieabgasen, kann am leichtesten befördert werden, wenn Direktinvestitionen in Anlagen stattfinden und dieses Know-how gleich mit implementiert wird. Es liegt vor allem in der Verantwortung der Staaten, den richtigen Rahmen abzustecken. Das sollte bitte nicht vergessen werden.
Hill: Was lesen Sie zurzeit?
Antwort: ich lese immer mehrere Bücher parallel. Derzeit beschäftigen mich am meisten die Sachbücher “Enlightment Now“, von Stephen Pinker und „Regency Revolution“ von Robert Morrison. Grade habe ich nach vielen Jahren das Buch „The Black Swan“ von Nassim Nicolas Taleb wiedergelesen.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
Florian Riedl ist Head of International Business, Sales and Finance bei Krebs & Riedel Schleifscheibenfabrik.
Krebs & Riedel Schleifscheibenfabrik: www.krebs-riedel.de/
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