Caduff: Herr Hill, Sie sind ein erstklassiger Kenner der Family-Office-Landschaft in Deutschland. Nicht umsonst nennt man Sie auch «Mr. Family Office». Kommen Sie geschäftlich gut durch die Krise?
Hill: Family Offices, ähnlich wie der klassische Mittelstand und Fondsboutiquen, sind bekanntlich «Langfristdenker». Viele der Dienstleister in diesem Segment sind mir ja bekannt. Feedback bei mir und auch von diversen anderen Dienstleistern: Die Dinge laufen weiter, manchmal mit etwas weniger Tempo. Interessant ist jedoch, dass es auch wieder neue Anbieter mit interessanten Services gibt, zum Beispiel Peter Brock und Christian Stadermann (BEEWYZER) – ich bin aufgrund von gemeinsamen Paneldiskussionen hier vielleicht etwas selektiv und befangen, das gebe ich zu. Kurzum, im Gegenteil: Die Dinge haben sich trotz «Krise» viel besser entwickelt, als ich es erwartet hätte. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man schon lange Zeit vorher digital gesehen sehr gut aufgestellt war.
Caduff: Sie sind ja überaus aktiv auf LinkedIn mit immer viel Resonanz. Warum interessiert das Thema «Family Office» so viele Leute?
Hill: Man sollte LinkedIn nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen – XING scheint hier etwas in die Defensive geraten zu sein. Ich betrachte Social Media primär als Kanal, um mit einer grossen Anzahl von Marktteilnehmern über lange Zeit im lockeren Kontakt zu bleiben oder nutze es aktiver (MH-Transparenz), wenn ich sozusagen bestimmte Themen einmal visibler machen möchte. Ich selber freue mich, wenn Leute mich auf Dinge aufmerksam machen. Der Reiz besteht für mich im Austausch der Gedanken, in interessanten Einladungen oder auch einfach im Input zu Themen wie Finanzen und auch Kultur. Family Offices und Interesse – man kann da vielleicht verschiedene Gruppen im Markt unterscheiden. Presse, Investoren, Anbieter, Unternehmer etc. Ich selber arbeite seit 2005 auf eigene Rechnung, kenne aber auch das Anstellungsverhältnis aus Bank- und Asset- Manager-Zeit. Ich bewundere Hidden Champions, Leute die Dinge tun, die sie lieben und in denen sie im Laufe der Zeit immer besser werden. Man findet diese Persönlichkeiten im Unternehmerbereich, viele dieser Unternehmer findet man auch wieder in der Rolle des Principals bei bestimmten Single Family Offices. Der Austausch auf der Produktebene mit diesen Adressen macht Spass, ab und an ergeben sich auch interessante Vernetzungen mit Anbietern, die man gerne weiterempfiehlt oder weiterempfohlen bekommt. Und da ist dann halt die andere Gruppe im Markt, die vielleicht hier weniger inhaltlich motiviert ist, um in Kontakt mit dem jeweiligen Family Office zu treten. Primar wird hier das Family Office als «Beute» gesehen, die es zu erlegen gilt. Bitte entschuldigen Sie meine bildhafte Sprache, präziser ausgedrückt: Das Gegenüber wird hier vom Produktanbieter einfach nur in seiner Funktion als Einkäufer betrachtet. Das ist nichts Verwerfliches, nur wird es halt zum Problem, wenn dem Family Office eines von den vorwiegend austauschbaren Produkten (Beispiel: Fonds) «aufgedrängt» werden soll. Dieses rein funktionale Interesse ist wahrscheinlich ein sehr, sehr starker Treiber in diesem Markt. Man nennt es aber wohl auch nur einfach das legitime Verfolgen von Geschäftsinteressen.
Caduff: Wenn man die Fachpresse liest, bekommt man den Eindruck, es würden solche Offices wie Pilze aus dem Boden schiessen und bestehende immer grösser werden. Teilen Sie diesen Eindruck?
Hill: Ich gebe zu, dass der Begriff nach wie vor unscharf ist. Natürlich wird er aus Vertriebsinteresse oft von Banken oder Vermögensverwaltern als Marketing-Label genutzt, diese Entwicklung ist sozusagen im System «Freie Marktwirtschaft & Wettbewerb» schon vorgezeichnet. Namen sind nach bestimmter Zeit Schall und Rauch, die Leistung zählt dann, empfinde ich das nicht als zu beklagenswert. Mein Gefühl ist sogar, dass das vielen «richtigen» Family Offices relativ egal ist, da diese sich in der Regel mit viel wesentlicheren Dingen beschäftigen als mit Themen wie Branding und Positionierung – gerade im Single-Family-Office-Segment. Um ein praktisches Beispiel zu nennen: Ich hatte einmal die Gelegenheit, mich fachlich kurz mit Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer und mit dessen Sohn Till Grönemeyer (Grönemeyer Health GmbH) auszutauschen. Beide besitzen eine tiefe Expertise in Sachen Healthcare. Im letzten Jahr wurde von der Familie, in Kombination mit externen Dienstleistern (Christian Exner & Team), auch ein liquider Publikumsfonds zu diesem Thema aufgelegt. Bei dem Gedankenaustausch ging mir spontan durch den Kopf, dass diese familiäre Konstellation mit dieser starken fachlichen Ausrichtung in Kombination mit der Investoreneigenschaft meiner Ansicht nach eher einer Single-Family-Office-Struktur nahekommt, im Vergleich zur Struktur von diversen anderen Single Family Offices. Konkretes Gegenbeispiel in einem anderen Marktsegment, Thema Immobilienentwickler: Im Extremfall hat man hier das Gefühl, dass sich einige dieser Adressen noch gerne die Bezeichnung Single Family Office zulegen oder gerne zulegen würde – fairerweise ist dies nur auf die Adressen zutreffend, die sich vielleicht eher in der Rolle des «Vermarkters» sehen. Manchmal sind nach aussen diese Strukturen nicht auf den ersten Blick erkennbar für Dritte: Spreche ich mit einem Family Office oder mit dem Immobilienentwickler, der sich mit der Reputation seines «Kern-Seeders» schmückt. Auch das ist nichts Besorgniserregendes, fördert aber nicht unbedingt die Transparenz im Markt.
Caduff: Das können Sie uns sicher sagen: in welcher deutschen Stadt gibt es die meisten und grössten Family Offices?
Hill: Ich weiss, dass ich (fast) nichts weiss. Ernsthaft gesprochen: Natürlich weiss ich das nicht, dazu sind die Grenzen entweder oft zu verschwommen zwischen Single Family Office, Multi Family Office und reinen Vermögensverwaltern. Und ich wäre vorsichtig, wenn jemand behaupten würde, dass er hier transparent über alles – Adressen, Investments, Investmenthöhe und AuM (Assets under Management) als Information verfügen würde. Ich lasse mich aber gerne von sachkundigen Dritten des Gegenteils überzeugen.
Caduff: Ist die Feststellung richtig, dass dieses Geschäft doch sehr stark örtlich verwurzelt ist?
Hill: Grundsätzlich, vom lokalen Mittelstand ausgehend, würde ich der Aussage zustimmen. Anderseits ist es aber so, dass auch viele dieser Adressen wiederum geschäftlich auch ausserhalb Deutschlands erfolgreich agieren oder zum Beispiel in Sachen Asset Protection einen Anreiz haben, die Fühler stärker international auszustrecken. Corona, Immobilienmarkt, Inflation, EZB-Politik – alles Gründe, die Leute in kreativer Bewegung halten, nicht nur im Family-Office-Bereich. Man muss halt Kerngeschäft und den Bereich Asset Management gesondert betrachten, kenn es deshalb weniger eindeutig beantworten.
Caduff: Sie publizieren auch häufig über Themen wie Family Offices, Fondsboutiquen und Fondsselektion. Auch in Corona Zeiten – mit welchen Themen beschäftigen Sie sich in 2021 intensiver?
Hill: Ampega und Hansainvest unterstützen mich netterweise dabei, dass ich mich stark mit verschiedenen Fondsboutiquen-Themen inhaltlich und publizierend auseinandersetzen kann (Stichworte: FondsmanagerRunde, Auf.Den.Punkt., Fondstique etc.). Durch unser beider damaliges Kennenlernen in Frankfurt (Caduff / Hill) hat sich unter anderem der Gedankenaustausch mit Alex Rauchenstein von SIA Funds AG ergeben. Aufgrund der Moderation und den gemeinsamen Einladungen zu deren Investoren-Events mit Prof. Dr. Carlos Jarillo in Frankfurt und anderen Städten in Deutschland habe ich einen guten Einblick in die Denke von Schweizer Fondsboutiquen erhalten. Aufgrund des Kennenlernens von David Gamper vom Liechtensteinischen Anlagefondsverband (LAVF) bei einer Frankfurter Veranstaltung habe ich mich in den letzten Jahren stärker mit dem Thema Schweizer Asset Manager und Fondsjurisdiktionen befasst (Verhältnis: DACH-Region, Luxemburg & Liechtenstein etc.). Zudem war ich ja früher selber bei der Credit Suisse Asset Management in Frankfurt tätig, zusätzlich hatte ich aufgrund eines damaligen Dachfondsmanager-Mandats auch die Gelegenheit gehabt, im «Liechtensteiner Volksblatt» über das Thema Fondsboutiquen zu schreiben. Interessanterweise begleite ich gerade ein Projekt mit Bezug zum Thema Schweizer Asset Manager (Plenum Investments AG) in Kombination mit einer Liechtensteiner KVG. Hier wird mir die Möglichkeit gegeben, mich fachlich etwas tiefer mit dem Themenfeld Cat Bonds / Insurance-Linked Securities auseinanderzusetzen. Durch Martin Friedrich von Lansdowne Partners Austria (LPA) bin ich bei einem Interview zufällig auf dieses Themenfeld aufmerksam gemacht worden. Als Dachfondsmanager hat er sich viele Anbieter in diesem Segment angesehen. Das Schreiben zu diesen Themenkreisen ergänzt sehr gut die reine Analysetätigkeit, man betrachtet Konzepte zusätzlich durch eine andere Brille. Alle die genannten Adressen befassen sich stärker mit dem Thema ESG in 2021, auf KVG- wie auch Boutiquen-Ebene. Konkret – trotz Corona-Zeiten hoffe ich auf Live-Events in der zweiten Jahreshälfte, vielleicht bin ich auch zu optimistisch, ein Fach-Webinar ist auf jeden Fall in Planung, wird sozusagen «organisch» angedacht. Neben Value-Investment-Moderation im Herbst in Frankfurt (Fondskongress in Mannheim mit Fragezeichen – Corona) freue ich mich auf den 12. Mai 2021, da ich ein «Wiedersehen» mit Tobias Karow und Kollegin (STIFTUNGSMARKTPLATZ.EU) haben werde. Bei seinem virtuellen Stiftungstag bekommen diese Investoren eine Plattform zum Gedankenaustausch zum Thema Vermögensverwaltung geboten. Nur so viel möchte ich verraten: Als Panelist werde ich hier bestimmt einen interessanten Gedankenaustausch zu dem Themen Asset Allocation, Aktien, Renten und Franziskaner haben. Nicht zuletzt freue ich mich natürlich auf die «Mountain Talks» von Ihnen in St. Moritz, genauso wie auf ein persönliches Wiedersehen bei Ihrem «Experten-Lunch» in Frankfurt, in 2021 oder aber 2022 – natürlich brauchen wir alle in der Branche Glück und Gesundheit, damit man sich im zweiten Halbjahr wieder persönlich die Hände schütteln kann!
Zur Person
Markus Hill ist seit Mitte 2005 unabhängiger Asset Management Consultant. Beruflicher Hintergrund sind u.a. Firmen wie SEB Bank (Marketing/Produktmanagement, Investment Banking) und Credit Suisse Asset Management (Vertrieb, Asset Management). Zu seinen Tätigkeitsfeldern gehören die Betreuung von Mandaten im Marketing-, PR-Bereich und Fondsselektion. Als ehemaliger Head of Sales Publikumsfonds bei einer Investmentboutique (Aktien und Renten) und in der externen Zusammenarbeit mit einem Dachfondsmanager stehen kleine- bis mittelgrosse Asset-Management-Firmen im Fokus seines Interesses. Zusätzlich beschäftigt er sich journalistisch mit den Themen Fondsboutiquen (fondsboutiquen.de) und Einsatz von Publikumsfonds bei Institutionellen sowie mit der Thematik Zielfondsauswahl bei Multi-Management-Ansätzen. Zusätzlich liegt ihm der Finanzplatz Frankfurt als Ort des Gedankenaustausches am Herzen – «Kunst, Kultur & Finanzen auf kleiner Flamme».
Verwandte Artikel:
- Family Offices, Fondsinitiatoren und der Faktor „Brennende Leidenschaft“ (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff)
- Family Offices und Fondsboutiquen besitzen viele Gemeinsamkeiten (Interview – Thomas Caduff, Markus Hill)
- Frankfurt ist immer eine Reise wert – nicht nur für Finanzprofis! (Interview – Thomas Caduff, Markus Hill)
Quelle: www.fundplat.com
2 Gedanken zu “FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Family Offices, Fondsboutiquen und die Schweizer Expertise (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff)”