Die Themen Family Offices, Hedgefonds (Archegos) und Regulierung werden in Fachkreisen und Medien derzeit intensiv diskutiert. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Daniel Grieger, Plenum Investments AG, über die Bedeutung von Risikomanagement und über die Stärken von Versicherungen gegenüber klassischen Hedgefonds in diesem Zusammenhang. Der Schwerpunkt des Gespräches stellten Themen wie Nachranganleihen im Versicherungsbereich und der spezielle Faktor Knowhow, Investmentprozess und CAT Bonds dar. Punkte wie Portfolio Management-Due Diligence und eine aktuelle Veranstaltung (21. & 22.4.2021) waren ebenso Inhalt dieses Austausches.
Hill: Sie beschäftigen sich schon seit Jahren intensiv mit den Themenkreisen CAT Bonds (Insurance-Linked Securities) und Risikomanagement. Aktuell findet in den Medien der Skandal um den US-Hedgefonds Archegos große Aufmerksamkeit. Credit Suisse, Family Offices, Regulierung – die Ursachenforschung läuft. Was können Versicherer eigentlich besser als Hedgefonds?
Grieger: Seit zwei Jahrzehnten beschäftige ich mich mit der Schnittmenge zwischen der Welt der Versicherungen und der Welt des Asset Managements. Mein Plenum Insurance Capital Fund, der bald ein Jahr Track Record haben wird, verkörpert in idealerweise was möglich ist, wenn man offen ist für Ideen, Versicherungen Kapital zur Verfügung zu stellen. Versicherungen werden in meinen Augen völlig unterschätzt was ihre Fähigkeit betrifft, Risiken zu analysieren. Dabei sind viele Methoden, Risiken zu analysieren in Versicherungen entstanden und wurden erst später von anderen Branchen, wie beispielsweise von Banken, übernommen. Hier gibt es sogar das Berufsbild des Aktuars (=Versicherungsmathematiker), was zeigt, dass man sich seit sehr langer Zeit mit Risiken beschäftigt.
Der aktuelle Fall des Untergangs eines „Family Offices“ (Archegos), das eher als Hedge Fund operierte, zeigt eindrücklich, was passieren kann, wenn man Risiken nicht im Griff hat. Und wenn ich Banken mit Versicherungen vergleiche gibt es einige Unterschiede, die offensichtlich sind. Versicherungen können häufig auf einen gewaltigen historischen Datenkatalog zurückgreifen. Für Erdbebenmodelle geht man beispielsweise mehrere Hundert Jahre zurück, um die Schadensintensität eines möglichen Erdbebens abzuschätzen. Zudem kommen Versicherungsschäden nicht unmittelbar zur Auszahlung. Anders als beim Untergang eines Hedge Funds sind die Gelder nicht unmittelbar weg. Versicherte Schäden kommen über längere Zeiträume zur Auszahlung. Die Liquidität für einen Schadensfall muss also nicht permanent vorgehalten werden. Bei größeren Schäden hat man auch die Zeit, sich am Kapitalmarkt weitere Mittel zu beschaffen. Dies bedeutet auch, dass ein Bank-Run wie 2007 bei Northern Rock bei Versicherern nicht möglich ist.
Hill: Ihre spezielle Expertise stößt aufgrund der Niedrigzinsphase auf verstärktes Interesse, Anlagealternativen werden gesucht. Was ist das Besondere beim Investieren im Bereich CAT Bonds (Insurance-Linked Securities)?
Grieger: Bei CAT Bonds nehmen wir die Position eines Rückversicherers ein. Wir decken Katastrophenrisiken – meist Stürme oder Erdbeben in Nordamerika oder Japan. Dies sind geographisch lokale Ereignisse, die in Portfolien diversifiziert werden können. Die Fonds, die wir verwalten, übernehmen diese Risiken und erhalten im Gegenzug die Couponzahlungen der CAT Bonds. Im Ereignisfall kann es einen Teilausfall bis hin zu einem Totalausfall alles geben. In den vergangenen Jahrzehnten haben CAT Bonds bewiesen, dass sie kaum auf Finanzmarktereignisse reagieren. CAT Bonds stellen damit eine wichtige Quelle für alternative Fixed-Income-Renditen. An dieser Stelle ist es mir übrigens wichtig zu betonen, dass ich auch den Bereich der Versicherungsnachränge zu diesem Anlagesegment zähle. Ob CAT Bond oder Nachranganleihe – die Art der Kapitalzuführung erscheint mir weniger relevant, am Schluss kann der Versicherer mehr Geschäft schreiben.
Hill: Danke für das Stichwort. Sie haben gerade einen Fonds im Bereich Versicherungsnachränge aufgelegt. Viele Anleger kennen dieses Segment bei Banken. Wie kam es zu der Idee? Wo gibt es Unterschiede in der Betrachtung von Nachrängen bei Banken und Versicherungen?
Grieger: Versicherungsnachränge sind eine höchst attraktive Nische – die anscheinend kaum jemand versteht. Immer mehr Banken trennen sich von ihren Analysten. Ich habe gerade heute gehört, dass bei einer großen Londoner Investmentbank die Analyse der Versicherungen der Bankenanalyst macht. Da darf man von diesem Analysten aber nicht mehr viel Qualität erwarten. Wir können zeigen, dass mit dem MIFID-induzierten Abbau der Analysten – denn niemand zahlt mehr für Research – die Fehlbewertungen am Markt zunehmen. Und diese möchten wir mit dem neuen Plenum European Insurance Bond Fund ebenfalls ausnutzen. Zudem bezahlen Versicherungsnachränge seit Jahren eine Zusatzprämie gegenüber traditionellen Corporate Bonds.
Hill: Wie sieht der Investmentprozess bei dem Fonds aus?
Grieger: Wir haben einmal den Schritt der Fundamentalanalyse auf dem Emittenten selbst. Unser Coverage Universe deckt ca. 60 Emittenten ab. Im ersten Schritt wird definiert, welche Emittenten in unserem Portfolio einen Platz finden. Im zweiten Schritt kommt die Prospektanalyse, wo wir die Attraktivität der einzelnen Anleihen und Kapitaltypen miteinander vergleichen. Ein wichtiger Faktor ist hier das Abschätzen des erwarteten Kündigungsdatums der Anleihe. Dies muss individuell erfolgen, da die Anleihen sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Erst ab Basis des erwarteten Kündigungsdatums können wir die erwartete Rendite einer Anleihe definieren und die Attraktivität der einzelnen Anleihen eines Emittenten miteinander vergleichen.
Hill: Diese strukturierte Vorgehensweise erscheint sehr arbeitsintensiv. Wer deckt welche Bereiche bei Analyse und Portfoliomanagement in Ihrem Team ab, mit welcher Expertise?
Grieger: Das Portfoliomanagement-Team besteht aus drei Mitarbeitern. Jeder hat seinen eigenen Fokus – aber die Koordination untereinander ist extrem eng. Rotger Franz betreibt seit 20 Jahren Kreditanalyse von Versicherungen in Europa, er war zehn Mal in Folge als bester Versicherungsanalyst von Euromoney ausgezeichnet worden. Beim Plenum European Insurance Bond Fund ist er der Lead PM. Ich selbst verwalte seit acht Jahren Portfolien mit Versicherungsnachrängen und fungiere als sein Deputy. Dirk Schmelzer ist der erfahrenste CAT Bond- Portfolio Manager im gesamten Markt – für ihn sind die Versicherungsnachränge noch relativ neu aber er wächst in die Aufgabe hinein.
Hill: Sie sagten oben, dass der Markt für Versicherungsnachränge sehr speziell ist, sehr knowhow-intensiv. Gibt es genügend Anleihen in dem Segment?
Grieger: Wenn man das Segment der Nachränge von Financials anschaut, sind natürlich 90 % Anleihen von Banken. Dennoch sind die übrigen 10 % Versicherungsnachränge ein Markt von knapp unter 200 Mrd. Euro. Genügend Auswahl gibt es natürlich und das Segment ist dank der Modernisierung des Solvenzregimes in Europa (Stichwort Solvency II) stark gewachsen.
Hill: Womit beschäftigen Sie sich aktuell?
Grieger: Wir bereiten gerade das Webinar in der kommenden Woche vor. Das Thema sind natürlich Nachranganleihen von Versicherungen. Das Interesse ist riesig – denn alle suchen verzweifelt nach interessanten Lösungen auf der Fixed Income Seite. Zudem darf ich gerade Gespräche mit Studenten der International University of Monaco vorbereiten. Studenten des Master of Finance-Programms möchten mit mir eine simulierte Portfolio Manager Due Diligence durchführen. Ich freue mich jetzt schon darauf, einige ungewohnte Fragen zu bekommen.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
Daniel Grieger ist Partner und Fondsmanager der Plenum Investments AG.
PLENUM INVESTMENTS AG: www.plenum.ch
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