„We are very patient“ (Jean Marie Eveillard) ist eine Denkhaltung, die viele Fondsboutiquen im Bereich Value Investing verfolgen. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Stefan Rehder, Geschäftsführer und CIO des Vermögensverwalters Value Intelligence Advisors, über die Bedeutung von Faktoren wie Geduld, Langsamkeit, Risikomanagement, Lernfreude und die Einordnung von Investmentstilen – interessante Köpfe in diesem Bereich: Jean-Marie Eveillard, Warren Buffett, Bruce Greenwald, Benjamin Graham. Herr Rehder sprach zudem über die Bedeutung von „Antennen“ (Makroökonomie, Politik etc.) im Bereich Portfoliomanagement sowie über die Rolle von Family Offices als Value-Investoren.
Hill: Wie würden Sie Ihren Investmentansatz beschreiben?
Rehder: Ich bin der Überzeugung, dass in der Vermeidung von Verlusten der Schlüssel zu langfristig attraktiven Renditen am Aktienmarkt liegt. Geprägt wurde ich diesbezüglich unter anderem von Jean-Marie Eveillard, einem der erfolgreichsten globalen Value Investoren. Die Umsetzung seiner wertorientierten „Slow & Steady“-Investmentphilosophie ist vergleichsweise anspruchsvoll, da sie sowohl dem Fondsmanager als auch dem Fondsanleger sehr viel Geduld abverlangt. Sich vorsichtig und im Schildkrötentempo vorwärts zu bewegen ist nicht jedermanns Sache, insbesondere in Bullenmärkten. Im aktuellen Umfeld wird die Sinnhaftigkeit dagegen schneller transparent.
Hill: Wo sehen Sie den Unterschied zu anderen Value-Ansätzen?
Rehder: Stilistisch bewegen wir uns am Buffett-Ende des Value-Spektrums. Wir investieren gern in Qualitätsunternehmen mit Preissetzungsmacht und haben wenig Berührungsängste mit Wachstum, sofern es durch Markteintrittsbarrieren geschützt ist. Unsere Unternehmensanalyse basiert auf den Lehren unseres Mentors Prof. Bruce Greenwald, der Buffetts Stil der Unternehmensbewertung über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg an der Columbia Universität gelehrt hat. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu anderen Value-Ansätzen liegt im Umfang des Risikomanagements. Aus der Organisationslehre weiß man, dass Unternehmen dann besonders widerstandsfähig sind, wenn sie über zahlreiche Antennen in die Umwelt verfügen. Die Konstruktion eines widerstandsfähigen Portfolios interpretiere ich ähnlich. So sind für mich auch Makro-, Nachhaltigkeits- oder politische Analysen potentiell wichtige Antennen im Rahmen des Risikomanagements.
Hill: Hat sich das Value Investing Ihrer Ansicht nach verändert?
Rehder: Ja und nein. Seit Benjamin Graham versuchen Value Investoren Wert und Preis eines Unternehmens strikt voneinander zu trennen. Bei der Wertermittlung orientieren sie sich an durchschnittlichen zukünftigen Bedingungen. Die Herausforderung der Gegenwart besteht darin, dass die Welt sich in einem Paradigmenwechsel befindet und Mean-Reversion in vielen Fällen keine Gewissheit mehr ist. So ändern sich in zahlreichen Branchen die Spielregeln grundlegend. Gleichzeitig vertrete ich die These, dass die Politik des billigen Geldes Angebot und Nachfrage in diversen Industrien massiv positiv beeinflusst hat. Die Antwort auf die Frage, ob zum Beispiel die Gewinnmargen der letzten 10 Jahre repräsentativ sind, ist komplexer geworden.
Hill: Value Investing und Family Offices – welche Rolle spielt diese Fondsselektoren-Gruppe für Sie und Ihre Fonds?
Rehder: Family Offices bilden mit einem ca. 40% Anteil am verwalteten Vermögen unsere größte Anlegergruppe. Dies ist insofern wenig überraschend, da der Fokus auf den Kapitalerhalt hier besonders stark ausgeprägt ist. Die Kunden der Family Offices sind häufig Unternehmer, die hart für ihr Geld gearbeitet haben. Sie streben weniger nach maximaler Rendite als vielmehr danach, von den langfristigen Renditevorzügen der Aktie mit vergleichsweise niedrigem Risiko zu profitieren. Wir haben das große Glück gehabt Family Offices zu finden, die unserem Ansatz vertrauen und langfristig denken.
Hill: Wenn Sie auf die Gründung Ihrer Firma zurückblicken – welche Dinge haben Sie gelernt?
Rehder: Das Schöne an meinem Beruf ist es, dass man jeden Tag etwas dazulernen kann. VIA wurde 2009 gegründet, der erste Fonds wurde im Mai 2010 aufgelegt. Nachdem ich zuvor für unterschiedliche Banken tätig war, habe ich es als Geschenk empfunden, Value Investing völlig unabhängig von den Vorgaben anderer umsetzen zu können. Über die Jahre hinweg musste ich lernen, dass ein Ansatz der langfristig sehr viel Sinn macht, trotzdem nicht zwangsläufig zu jedem Kunden passt. Inzwischen habe ich verstanden, dass es Zeit braucht unsere Allwetter-Fonds zu etablieren. Letztendlich müssen neben dem Prozess auch die Ergebnisse überzeugen.
Hill: Was lesen Sie zurzeit? Womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver?
Rehder: Das aktuelle Investmentumfeld ist nach meiner Einschätzung sehr komplex und anspruchsvoll. Insofern gibt es im Moment jede Menge Arbeit und vergleichsweise wenig Zeit die Gedanken schweifen zu lassen. Im April haben wir unser Team um einen weiteren Mitarbeiter ausgebaut, womit ich persönlich noch mehr Zeit habe mich um das zu kümmern, was ich am liebsten tue: Weltweit nach attraktiven Unternehmen zu suchen und mich in interessante Geschäftsmodelle einzuarbeiten. Zudem beschäftige ich noch intensiver als sonst mit der Top-Down-Perspektive. Ich denke wir leben in außergewöhnlichen Zeiten in denen Volkswirtschaften gravierende Anpassungsprozesse durchlaufen, die auch die Unternehmensebene nachhaltig beeinflussen werden.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
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