Family Offices, Fonds­boutiquen und der Finanz­platz Frankfurt (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff, fundplat.com)

Caduff: Herr Hill, man nennt Sie gerne auf dem Finanz­platz Deutschland «Mr. Family Office». Warum interessiert Sie dieses Geschäfts­feld so sehr?

Hill: Der Ursprungs­gedanke eines Family Office ist es, das Kapital einer Familie nach bestem Wissen und Gewissen zu verwalten. Inte­ressant an diesem Segment erscheint mir die mögliche Vielfalt von Tätig­keiten, je nach Ausge­staltung der Orga­ni­sation: Inte­ressen­konflikte managen, Experten mitein­ander vernetzen, Produkte und Dienst­leistungen neutral bewerten und auswählen und auch die Nachfrage nach «Special Services» (Seeding von Fonds­konzepten, Direkt­investments, «M&A-Projekte», Nach­folge-Themen, Gover­nance etc.). Ich erlebe die Vertreter dieses Segments als angenehm neugierig und viel­seitig inte­ressiert, nicht nur in Bezug auf Produkt­themen. Kunst, Kultur, Unter­nehmertum, Politik – man spürt hier häufig, dass aktiv am Schicksal des Gemein­wesens teil­ge­nommen wird. Nicht umsonst ist oft eine enge Bindung zu Stiftungen und Hoch­schulen zu finden. Übrigens sind einige dieser Ele­mente auch bei Fonds­boutiquen zu finden: Unter­nehmertum, Unab­hängig­keit und die Eigen­schaft des «Über­zeugungs­täters» – wie bei Family Officern häufig zu finden: Man tut, was man liebt zu tun. Ich selbst bin seit 2005 selbst­ständig und hatte davor auch immer Tätig­keits­felder, in denen ich mich mit einer sehr grossen Anzahl von Experten aus den verschie­densten Fachrich­tungen austauschen konnte. Als Volks­wirt schätze ich zudem die «Adler­perspek­tive» auf bestimmte Themen­gebiete, neudeutsch nennt man das wohl auch Freude am vernetzten Denken – in Kombi­nation mit fach­licher Expertise.

Caduff: Der Begriff «Family Office» ist nicht geschützt und so schmückt sich auch der eine oder andere klassische Vermögens­verwalter damit. Stört Sie das?

Hill: Überhaupt nicht. Jeder Topf findet seinen Deckel. Exzel­lente Family Offices leiden hierunter wohl weniger, da diese «nichts» verkaufen wollen. Da das Berufs­bild Family Officer mir als sehr attraktiv erscheint, kann es sogar einen posi­tiven Aspekt beinhalten: Viele Fach­kräfte haben durch die kontro­verse Diskussion vielleicht zum ersten Mal erfahren, dass es diese sehr inte­res­santen Arbeits­stellen gibt. Diffusion von Wissen in einer Branche schadet ja weniger. Ähnlich wie der Begriff Fonds­boutiquen erscheint mir der Begriff Family Office wissen­schaft­lich gesehen noch nicht erschöpfend diskutiert und definiert. Ich verfolge hier mit Inte­resse die Publi­kationen verschie­dener Experten. Mir ist noch nicht klar, wer hier die Ober­hoheit über die Defi­nition am Ende gewinnt. Ich verstehe aber auch die Kritik mancher Vertreter aus dem Segment klassischer Single Family Offices. Hier nehme ich ab und an ein «Nasen­rümpfen» wahr, wenn es um das Thema konzern­gebun­dener Multi Family Offices und um den Themen­bereich «Eigen­produkte & Schein­neutra­lität» geht. Man sollte sich hier immer die einzelnen Orga­nisa­tionen und deren Vertreter genau ansehen: Natürlich gibt es auch hier exzel­lente Profes­sionals, die wissen, dass sie im Wett­bewerb im Segment Family-Office-Dienst­leis­tungen stehen. Gegen «Eigen­produkte» habe ich nicht grund­sätzlich Vorbe­halte. Im Gegen­teil: Eines meiner gegen­wärtigen Projekte besteht darin, durch den Austausch mit vielen Family Offices (neben Vermö­gens­ver­waltern, Dach­fonds­managern etc.) gerade spezielle Fonds­konzepte zu entdecken, bei denen schon eine erste Due Dili­gence und Invest­ments statt­gefunden haben. Gerade hier stösst man oft auf inte­res­sante Fonds, die kaum bekannt sind, da diese vorrangig zur Anlage des Familien­ver­mögens konzipiert wurden. Manchmal werden diese ohne grossen Marke­ting­aufwand an «Friends & Family» weiter­empfohlen, allein deswegen würde ich mir bezüglich der Thematik Eigen­produkte im Family-Office-Segment des Öfteren eine etwas diffe­renzie­rende Diskussion wünschen. Oft entdecken und kreieren hier Family Officer Produkte und Dienst­leistungen, die dann «Kollegen» und anderen Inves­toren zugute kommen!

Markus Hill, unabhängiger Asset Management Consultant
Markus Hill, unabhängiger Asset Management Consultant

Caduff: Sie beschäftigen sich auch stark mit Fonds kleinerer und mittel­grosser Anbieter. Was ist daran so spannend? Es gibt ja mehr als genug grosse Adressen.

Hill: Richtig. Es gibt viele grosse und gute Adressen, das will ich an dieser Stelle ausdrücklich anmerken. Bei einem Fonds­selektions-Projekt schliesse ich dieses Segment bei der Analyse nicht aus. Wenn ein Konzern-Flagg­schiff-Produkt «besser» sein sollte – warum sollte man dann eine «schlechte» Fonds­boutique auswählen? Fairness ist nicht von Nachteil. Die «kleinen», unab­hän­gigen Häuser bereiten meiner Ansicht nach sehr viel Freude bei der Due Dili­gence. Warum ist das so? Viele dieser Unter­nehmer besitzen ein exzel­lentes Know-how in ihrem speziellen Feld. Diese Exper­tise verbindet sich dann auch noch mit den Faktoren Unter­nehmer-Biografie, Unab­hän­gigkeit und Skin-in-the-Game («eigenes Geld im eigenen Fonds»). Oft bezeichnet man diese Konzepte als «High Conviction»-geprägt: Im wahrsten Sinne des Wortes – die Über­zeugung in das fachlich betreute Segment (Aktien, Anleihen, Anlage­stil, «exo­tische» Asset-Klassen etc.) in Verbindung mit der Über­zeugung an das eigene unter­nehme­rische Können. Es ist ein Genuss, mit vielen dieser Hidden Champions der Finanz­branche zu sprechen. Dies ist übrigens ein Grund dafür, warum viele Family Offices und unab­hän­gige Vermö­gens­ver­walter gerne mit den Fonds­boutiquen-Vertretern den fach­lichen Gedanken­austausch schätzen. Und, das wird oft vergessen, speziell auf diese Gruppen bezogen: Alle tun die Dinge, für die sie Leiden­schaft empfinden.

Caduff: Kommen wir zu Ihrem Geschäfts­modell – was bieten Sie genau an?

Hill: Ich komme eigentlich aus der «Special-Projects»-Ecke. Manager-Search, Seed-Money-Suche, Fonds­konzept-Feedback-Surveys (direkter fach­licher Gedanken­austausch mit der Inves­toren­seite) etc. Ursprünglich habe ich einmal im Bereich Produkt­mana­gement gear­beitet, bin dann später in den Bereich Marketing & Sales gewechselt und dann wieder durch die Tätigkeit mit einem Dach­fonds­manager in das Segment Fonds­selektion & Fonds­boutiquen «gerutscht». Durch die damalige Zusam­men­arbeit mit der Uni­versal Investment bin ich zum Schreiben über den Themen­bereich Fonds­boutiquen & Private-Label-Fonds gekommen. Vor zwei Jahren hat mir die Fonds­gesellschaft Ampega den Anstoss (Impuls & Unter­stützung) gegeben, meine Website mit dem Titel fondsboutiquen.de aufzu­setzen. Aufgrund dieses Projektes ergibt sich zusätzlich die Möglich­keit, kleinere Boutiquen im Markt etwas visibler zu machen. Social Media, Presse, Interviews, oft auch Direkt­kontakt zu Inves­toren (kein Ersatz für Vertrieb – eher im Sinne: Direkt einmal fragen, ob Inte­resse an einem Direkt­kontakt zum Boutiquen-Inhaber besteht – dieser muss fachlich als Gesprächs­partner beim Investor punkten, einen Mehr­wert in Sachen Edu­cation bieten, es besteht kein Inte­resse an reinen «Produkt­promotion-Gesprächen»), Events begleiten und bewerben, Themen­kampagnen zu bestimmten Asset-Klassen begleiten, Gast­beiträge veröffent­lichen, «Auf-den-Punkt-White­paper» zu Fach­themen etc. Diese publi­zis­tischen Tätig­keiten unter­stützen einer­seits meine Fach­projekte, ande­rer­seits lerne ich hierdurch eine grosse Anzahl von inte­res­santen Persön­lich­keiten kennen, national und inter­na­tional. Inte­ressant ist vielleicht, dass ich über die Jahre hier viele Kontakte in dem Bereich «Nicht-liquide-Produkte» gewonnen habe – AIF-Segment, Real Assets, Immo­bilien, Venture Capital, Private Equity etc.: Auch hier gibt es viele inte­ressante Unter­nehmer, die sich mit dem Themen­kreis Visi­bi­lität, Posi­tio­nierung & Branding ausein­ander­setzen.

Caduff: Haben Sie noch freie Kapa­zitäten für neue Kunden?

Hill: Ich kann gegen­wärtig nur eine bestimmte Anzahl von Projekten begleiten. Besonders inte­ressant für mich sind Themen, die ich selber gerne inhaltlich begleite. Dinge, wo ich meine Lieblings­themen mitein­ander vernetzen kann. Fonds­boutiquen, Family Offices und Finanz­platz Frankfurt. Ich konkurriere hier nicht mit PR-Agen­turen, Event-Veran­staltern und Fach­publi­kationen, eher kann man mich als Ergänzung betrachten, «Heli­kopter über der Branche» – gerade, weil ich fort­während Fach­projekte begleite und kein klassischer Journa­list bin. Allein der Bereich Markt­beo­bachtung Fonds­boutiquen / Fonds­konzepte nimmt viel Zeit in Anspruch. Wichtig ist, dass mich die Themen inte­ressieren – ich betreibe gerne das, was man früher «Sparten-Marketing» genannt hat (einfach Stich­wort Markus Hill & Fonds­boutiquen in Google eingeben, Anzahl der Meinungs­kommen­tare zu diesem Segment in DACH-Region): Wie kann man ein Themen­feld inhalt­lich begleiten, beschreiben, visibler machen, ohne, dass man die Leute mit reiner Produkt­info lang­weilt? Die Unter­nehmer-Persön­lich­keiten in Kombi­nation mit fach­licher Exper­tise sind das, was dazu führt, dass auch Inves­toren sich gerne mit diesen gedanklich austauschen möchten. Am Schluss kann das in einem «Ticket» für den Anbieter münden. Zumal hier über verschie­dene Kanäle kommu­niziert wird, der Vertrieb der Boutiquen steht ohnehin im engen Kontakt mit den Inves­toren, aufgrund meiner Unab­hängig­keit habe ich hier eine ganz andere Rolle besetzt. Minimal gesehen, kommt es zu einem freud­vollen, intel­lek­tuellen Gedanken­austausch von beiden Seiten, maximal gesehen schätzt man sich hierdurch so sehr, dass es zu einer inten­siveren Zusam­men­arbeit kommen kann. Diese Brücke «Pull-Effekt-durch-fach­liche-Faszi­nation» kann kein Sales- oder Marke­ting-Vertreter kreieren. Der ideale Kunde versteht mich und meinen Ansatz und ich muss die Philo­sophie (DNA & Leiden­schaft) des Kunden verstehen und mögen! Natürlich ist Demut ange­sagt – es besteht auch bei mir Potenzial nach oben: Besser, schöner, inte­res­santer, facetten­reicher geht immer. Genauso wie es neben mir noch viele andere Vertreter in der Branche gibt, die exzellent Skills & Kommu­nika­tions­fähig­keiten verkörpern, mit Top-Platt­formen für die Industrie und exzel­lenter Reich­weite. Diese Gedanken hatten auch zur Konzept-Idee «Finanz­platz Frankfurt meets Switzerland» geführt. Gerade Schweizer Fonds­boutiquen stossen auf Inte­resse bei deutschen Fonds­selek­toren, hier wird viel Potenzial leider noch nicht genutzt.

Caduff: Womit beschäf­tigen Sie sich in diesem Jahr noch intensiver?

Hill: Ähnlich wie bei Ihnen mag ich den persön­lichen Gedanken­austausch. Vielen Dank an dieser Stelle auch für die netten Einla­dungen zu Ihren Frankfurt-Events, Sie wären ein inte­ressanter Interview­partner. Was steht noch an in 2022? Verschie­dene Formate zu den Themen­kreisen Family Offices (Impact Investing, Next-Gen) & Ausblick 2030-Befragung zum Themen­kreis «Family Offices, Stiftungen & Know-how» sowie eine Panel­diskussion zu diesem Thema in erwei­terter Form, sowie ein Panel zum Thema «Global Investment Outlook», eine Medien­partner­schaft von fondsboutiquen.de und finanzplatz-frankfurt-main.de (5. Sustain­able Investor Summit D-A-CH 2022). Vorab bedanke ich mir hier schon bei Tobias Karow von stiftungsmarktplatz.eu und der Markets­group, ich freue mich auf die Diskussion zum Thema Family Offices – hier führe ich gerade viele Gespräch mit Fach­experten im Vorfeld. Ich selber plane noch im 2. Halbjahr ein kleines Format für Frankfurt («out of the box»), das Thema muss keines­wegs kommer­ziell moti­viert sein. Auch der Gesprächs­kreis «Frankfurter Dialog» wird im September statt­finden, die jähr­liche Veran­staltung mit SIA Funds AG sollte dort auch in dem Monat wieder statt­finden. Themen­felder, die ich derzeit mit stärkerem Inte­resse verfolge: Value Investing, Immo­bilien, Roh­stoffe, Digital Assets, Künst­liche Intel­ligenz & Asset Mana­gement etc. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich auf LinkedIn verschie­dene unab­hängige «Fach­kanäle» eingerichtet: Finanz­platz Frankfurt am Main, Fonds­boutiquen, Private Label Fonds, Fund Boutiques, Cat Bonds. Diese Kanäle sind auf gute Resonanz gestossen. Für Inputs, Ideen, Anre­gungen für diese Formate bin ich immer dankbar. Nächste Woche werde ich mir zudem nochmals genauer die Inhalte der Fort­bildungen (Fach­seminare von Fürstenberg) zum Themen­bereich Family Offices ansehen, da ich hier noch in einer speziellen «Bring­schuld» bin. 2022 wird wieder ein inte­res­santes Jahr, den Finanz­platz Frankfurt als Center of Compe­tence und ange­nehmen Platz für den Gedan­ken­austausch sollte man nicht aus den Augen verlieren – vorab schaue ich auch mit Vorfreude wieder auf Ihre nächste Veranstaltung vor Ort!


Markus Hill ist seit Mitte 2005 unab­hän­giger Asset Mana­gement Consultant. Beruf­licher Hinter­grund sind u.a. Firmen wie SEB Bank (Marketing/Produkt­mana­gement, Investment Banking) und Credit Suisse Asset Mana­gement (Vertrieb, Asset Mana­gement). Zu seinen Tätig­keits­feldern gehören die Betreuung von Mandaten im Marketing-, PR-Bereich und Fonds­selektion. Als ehemaliger Head of Sales Publikums­fonds bei einer Invest­ment­boutique (Aktien und Renten) und in der externen Zusammen­arbeit mit einem Dach­fonds­manager stehen kleine- bis mittel­grosse Asset-Management-Firmen im Fokus seines Inte­resses. Zusätz­lich beschäftigt er sich journa­listisch mit den Themen Fonds­boutiquen (fondsboutiquen.de) und Einsatz von Publikums­fonds bei Insti­tutio­nellen sowie mit der Thematik Ziel­fonds­auswahl bei Multi-Mana­gement-Ansätzen. Zusätzlich liegt ihm der Finanz­platz Frankfurt am Main als Ort des Gedanken­austausches am Herzen (finanzplatz-frankfurt-main.de).

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Quelle: www.fundplat.com

Foto: www.istock.com/oscity

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