Caduff: Herr Hill, man nennt Sie gerne auf dem Finanzplatz Deutschland «Mr. Family Office». Warum interessiert Sie dieses Geschäftsfeld so sehr?
Hill: Der Ursprungsgedanke eines Family Office ist es, das Kapital einer Familie nach bestem Wissen und Gewissen zu verwalten. Interessant an diesem Segment erscheint mir die mögliche Vielfalt von Tätigkeiten, je nach Ausgestaltung der Organisation: Interessenkonflikte managen, Experten miteinander vernetzen, Produkte und Dienstleistungen neutral bewerten und auswählen und auch die Nachfrage nach «Special Services» (Seeding von Fondskonzepten, Direktinvestments, «M&A-Projekte», Nachfolge-Themen, Governance etc.). Ich erlebe die Vertreter dieses Segments als angenehm neugierig und vielseitig interessiert, nicht nur in Bezug auf Produktthemen. Kunst, Kultur, Unternehmertum, Politik – man spürt hier häufig, dass aktiv am Schicksal des Gemeinwesens teilgenommen wird. Nicht umsonst ist oft eine enge Bindung zu Stiftungen und Hochschulen zu finden. Übrigens sind einige dieser Elemente auch bei Fondsboutiquen zu finden: Unternehmertum, Unabhängigkeit und die Eigenschaft des «Überzeugungstäters» – wie bei Family Officern häufig zu finden: Man tut, was man liebt zu tun. Ich selbst bin seit 2005 selbstständig und hatte davor auch immer Tätigkeitsfelder, in denen ich mich mit einer sehr grossen Anzahl von Experten aus den verschiedensten Fachrichtungen austauschen konnte. Als Volkswirt schätze ich zudem die «Adlerperspektive» auf bestimmte Themengebiete, neudeutsch nennt man das wohl auch Freude am vernetzten Denken – in Kombination mit fachlicher Expertise.
Caduff: Der Begriff «Family Office» ist nicht geschützt und so schmückt sich auch der eine oder andere klassische Vermögensverwalter damit. Stört Sie das?
Hill: Überhaupt nicht. Jeder Topf findet seinen Deckel. Exzellente Family Offices leiden hierunter wohl weniger, da diese «nichts» verkaufen wollen. Da das Berufsbild Family Officer mir als sehr attraktiv erscheint, kann es sogar einen positiven Aspekt beinhalten: Viele Fachkräfte haben durch die kontroverse Diskussion vielleicht zum ersten Mal erfahren, dass es diese sehr interessanten Arbeitsstellen gibt. Diffusion von Wissen in einer Branche schadet ja weniger. Ähnlich wie der Begriff Fondsboutiquen erscheint mir der Begriff Family Office wissenschaftlich gesehen noch nicht erschöpfend diskutiert und definiert. Ich verfolge hier mit Interesse die Publikationen verschiedener Experten. Mir ist noch nicht klar, wer hier die Oberhoheit über die Definition am Ende gewinnt. Ich verstehe aber auch die Kritik mancher Vertreter aus dem Segment klassischer Single Family Offices. Hier nehme ich ab und an ein «Nasenrümpfen» wahr, wenn es um das Thema konzerngebundener Multi Family Offices und um den Themenbereich «Eigenprodukte & Scheinneutralität» geht. Man sollte sich hier immer die einzelnen Organisationen und deren Vertreter genau ansehen: Natürlich gibt es auch hier exzellente Professionals, die wissen, dass sie im Wettbewerb im Segment Family-Office-Dienstleistungen stehen. Gegen «Eigenprodukte» habe ich nicht grundsätzlich Vorbehalte. Im Gegenteil: Eines meiner gegenwärtigen Projekte besteht darin, durch den Austausch mit vielen Family Offices (neben Vermögensverwaltern, Dachfondsmanagern etc.) gerade spezielle Fondskonzepte zu entdecken, bei denen schon eine erste Due Diligence und Investments stattgefunden haben. Gerade hier stösst man oft auf interessante Fonds, die kaum bekannt sind, da diese vorrangig zur Anlage des Familienvermögens konzipiert wurden. Manchmal werden diese ohne grossen Marketingaufwand an «Friends & Family» weiterempfohlen, allein deswegen würde ich mir bezüglich der Thematik Eigenprodukte im Family-Office-Segment des Öfteren eine etwas differenzierende Diskussion wünschen. Oft entdecken und kreieren hier Family Officer Produkte und Dienstleistungen, die dann «Kollegen» und anderen Investoren zugute kommen!

Caduff: Sie beschäftigen sich auch stark mit Fonds kleinerer und mittelgrosser Anbieter. Was ist daran so spannend? Es gibt ja mehr als genug grosse Adressen.
Hill: Richtig. Es gibt viele grosse und gute Adressen, das will ich an dieser Stelle ausdrücklich anmerken. Bei einem Fondsselektions-Projekt schliesse ich dieses Segment bei der Analyse nicht aus. Wenn ein Konzern-Flaggschiff-Produkt «besser» sein sollte – warum sollte man dann eine «schlechte» Fondsboutique auswählen? Fairness ist nicht von Nachteil. Die «kleinen», unabhängigen Häuser bereiten meiner Ansicht nach sehr viel Freude bei der Due Diligence. Warum ist das so? Viele dieser Unternehmer besitzen ein exzellentes Know-how in ihrem speziellen Feld. Diese Expertise verbindet sich dann auch noch mit den Faktoren Unternehmer-Biografie, Unabhängigkeit und Skin-in-the-Game («eigenes Geld im eigenen Fonds»). Oft bezeichnet man diese Konzepte als «High Conviction»-geprägt: Im wahrsten Sinne des Wortes – die Überzeugung in das fachlich betreute Segment (Aktien, Anleihen, Anlagestil, «exotische» Asset-Klassen etc.) in Verbindung mit der Überzeugung an das eigene unternehmerische Können. Es ist ein Genuss, mit vielen dieser Hidden Champions der Finanzbranche zu sprechen. Dies ist übrigens ein Grund dafür, warum viele Family Offices und unabhängige Vermögensverwalter gerne mit den Fondsboutiquen-Vertretern den fachlichen Gedankenaustausch schätzen. Und, das wird oft vergessen, speziell auf diese Gruppen bezogen: Alle tun die Dinge, für die sie Leidenschaft empfinden.
Caduff: Kommen wir zu Ihrem Geschäftsmodell – was bieten Sie genau an?
Hill: Ich komme eigentlich aus der «Special-Projects»-Ecke. Manager-Search, Seed-Money-Suche, Fondskonzept-Feedback-Surveys (direkter fachlicher Gedankenaustausch mit der Investorenseite) etc. Ursprünglich habe ich einmal im Bereich Produktmanagement gearbeitet, bin dann später in den Bereich Marketing & Sales gewechselt und dann wieder durch die Tätigkeit mit einem Dachfondsmanager in das Segment Fondsselektion & Fondsboutiquen «gerutscht». Durch die damalige Zusammenarbeit mit der Universal Investment bin ich zum Schreiben über den Themenbereich Fondsboutiquen & Private-Label-Fonds gekommen. Vor zwei Jahren hat mir die Fondsgesellschaft Ampega den Anstoss (Impuls & Unterstützung) gegeben, meine Website mit dem Titel fondsboutiquen.de aufzusetzen. Aufgrund dieses Projektes ergibt sich zusätzlich die Möglichkeit, kleinere Boutiquen im Markt etwas visibler zu machen. Social Media, Presse, Interviews, oft auch Direktkontakt zu Investoren (kein Ersatz für Vertrieb – eher im Sinne: Direkt einmal fragen, ob Interesse an einem Direktkontakt zum Boutiquen-Inhaber besteht – dieser muss fachlich als Gesprächspartner beim Investor punkten, einen Mehrwert in Sachen Education bieten, es besteht kein Interesse an reinen «Produktpromotion-Gesprächen»), Events begleiten und bewerben, Themenkampagnen zu bestimmten Asset-Klassen begleiten, Gastbeiträge veröffentlichen, «Auf-den-Punkt-Whitepaper» zu Fachthemen etc. Diese publizistischen Tätigkeiten unterstützen einerseits meine Fachprojekte, andererseits lerne ich hierdurch eine grosse Anzahl von interessanten Persönlichkeiten kennen, national und international. Interessant ist vielleicht, dass ich über die Jahre hier viele Kontakte in dem Bereich «Nicht-liquide-Produkte» gewonnen habe – AIF-Segment, Real Assets, Immobilien, Venture Capital, Private Equity etc.: Auch hier gibt es viele interessante Unternehmer, die sich mit dem Themenkreis Visibilität, Positionierung & Branding auseinandersetzen.
Caduff: Haben Sie noch freie Kapazitäten für neue Kunden?
Hill: Ich kann gegenwärtig nur eine bestimmte Anzahl von Projekten begleiten. Besonders interessant für mich sind Themen, die ich selber gerne inhaltlich begleite. Dinge, wo ich meine Lieblingsthemen miteinander vernetzen kann. Fondsboutiquen, Family Offices und Finanzplatz Frankfurt. Ich konkurriere hier nicht mit PR-Agenturen, Event-Veranstaltern und Fachpublikationen, eher kann man mich als Ergänzung betrachten, «Helikopter über der Branche» – gerade, weil ich fortwährend Fachprojekte begleite und kein klassischer Journalist bin. Allein der Bereich Marktbeobachtung Fondsboutiquen / Fondskonzepte nimmt viel Zeit in Anspruch. Wichtig ist, dass mich die Themen interessieren – ich betreibe gerne das, was man früher «Sparten-Marketing» genannt hat (einfach Stichwort Markus Hill & Fondsboutiquen in Google eingeben, Anzahl der Meinungskommentare zu diesem Segment in DACH-Region): Wie kann man ein Themenfeld inhaltlich begleiten, beschreiben, visibler machen, ohne, dass man die Leute mit reiner Produktinfo langweilt? Die Unternehmer-Persönlichkeiten in Kombination mit fachlicher Expertise sind das, was dazu führt, dass auch Investoren sich gerne mit diesen gedanklich austauschen möchten. Am Schluss kann das in einem «Ticket» für den Anbieter münden. Zumal hier über verschiedene Kanäle kommuniziert wird, der Vertrieb der Boutiquen steht ohnehin im engen Kontakt mit den Investoren, aufgrund meiner Unabhängigkeit habe ich hier eine ganz andere Rolle besetzt. Minimal gesehen, kommt es zu einem freudvollen, intellektuellen Gedankenaustausch von beiden Seiten, maximal gesehen schätzt man sich hierdurch so sehr, dass es zu einer intensiveren Zusammenarbeit kommen kann. Diese Brücke «Pull-Effekt-durch-fachliche-Faszination» kann kein Sales- oder Marketing-Vertreter kreieren. Der ideale Kunde versteht mich und meinen Ansatz und ich muss die Philosophie (DNA & Leidenschaft) des Kunden verstehen und mögen! Natürlich ist Demut angesagt – es besteht auch bei mir Potenzial nach oben: Besser, schöner, interessanter, facettenreicher geht immer. Genauso wie es neben mir noch viele andere Vertreter in der Branche gibt, die exzellent Skills & Kommunikationsfähigkeiten verkörpern, mit Top-Plattformen für die Industrie und exzellenter Reichweite. Diese Gedanken hatten auch zur Konzept-Idee «Finanzplatz Frankfurt meets Switzerland» geführt. Gerade Schweizer Fondsboutiquen stossen auf Interesse bei deutschen Fondsselektoren, hier wird viel Potenzial leider noch nicht genutzt.
Caduff: Womit beschäftigen Sie sich in diesem Jahr noch intensiver?
Hill: Ähnlich wie bei Ihnen mag ich den persönlichen Gedankenaustausch. Vielen Dank an dieser Stelle auch für die netten Einladungen zu Ihren Frankfurt-Events, Sie wären ein interessanter Interviewpartner. Was steht noch an in 2022? Verschiedene Formate zu den Themenkreisen Family Offices (Impact Investing, Next-Gen) & Ausblick 2030-Befragung zum Themenkreis «Family Offices, Stiftungen & Know-how» sowie eine Paneldiskussion zu diesem Thema in erweiterter Form, sowie ein Panel zum Thema «Global Investment Outlook», eine Medienpartnerschaft von fondsboutiquen.de und finanzplatz-frankfurt-main.de (5. Sustainable Investor Summit D-A-CH 2022). Vorab bedanke ich mir hier schon bei Tobias Karow von stiftungsmarktplatz.eu und der Marketsgroup, ich freue mich auf die Diskussion zum Thema Family Offices – hier führe ich gerade viele Gespräch mit Fachexperten im Vorfeld. Ich selber plane noch im 2. Halbjahr ein kleines Format für Frankfurt («out of the box»), das Thema muss keineswegs kommerziell motiviert sein. Auch der Gesprächskreis «Frankfurter Dialog» wird im September stattfinden, die jährliche Veranstaltung mit SIA Funds AG sollte dort auch in dem Monat wieder stattfinden. Themenfelder, die ich derzeit mit stärkerem Interesse verfolge: Value Investing, Immobilien, Rohstoffe, Digital Assets, Künstliche Intelligenz & Asset Management etc. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich auf LinkedIn verschiedene unabhängige «Fachkanäle» eingerichtet: Finanzplatz Frankfurt am Main, Fondsboutiquen, Private Label Fonds, Fund Boutiques, Cat Bonds. Diese Kanäle sind auf gute Resonanz gestossen. Für Inputs, Ideen, Anregungen für diese Formate bin ich immer dankbar. Nächste Woche werde ich mir zudem nochmals genauer die Inhalte der Fortbildungen (Fachseminare von Fürstenberg) zum Themenbereich Family Offices ansehen, da ich hier noch in einer speziellen «Bringschuld» bin. 2022 wird wieder ein interessantes Jahr, den Finanzplatz Frankfurt als Center of Competence und angenehmen Platz für den Gedankenaustausch sollte man nicht aus den Augen verlieren – vorab schaue ich auch mit Vorfreude wieder auf Ihre nächste Veranstaltung vor Ort!
Markus Hill ist seit Mitte 2005 unabhängiger Asset Management Consultant. Beruflicher Hintergrund sind u.a. Firmen wie SEB Bank (Marketing/Produktmanagement, Investment Banking) und Credit Suisse Asset Management (Vertrieb, Asset Management). Zu seinen Tätigkeitsfeldern gehören die Betreuung von Mandaten im Marketing-, PR-Bereich und Fondsselektion. Als ehemaliger Head of Sales Publikumsfonds bei einer Investmentboutique (Aktien und Renten) und in der externen Zusammenarbeit mit einem Dachfondsmanager stehen kleine- bis mittelgrosse Asset-Management-Firmen im Fokus seines Interesses. Zusätzlich beschäftigt er sich journalistisch mit den Themen Fondsboutiquen (fondsboutiquen.de) und Einsatz von Publikumsfonds bei Institutionellen sowie mit der Thematik Zielfondsauswahl bei Multi-Management-Ansätzen. Zusätzlich liegt ihm der Finanzplatz Frankfurt am Main als Ort des Gedankenaustausches am Herzen (finanzplatz-frankfurt-main.de).
Verwandte Beiträge:
- Family Offices, Fondsboutiquen und die Schweizer Expertise (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff)
- Family Offices, Fondsinitiatoren und der Faktor „Brennende Leidenschaft“ (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff)
- Family Offices und Fondsboutiquen besitzen viele Gemeinsamkeiten (Interview – Thomas Caduff, Markus Hill)
- Frankfurt ist immer eine Reise wert – nicht nur für Finanzprofis! (Interview – Thomas Caduff, Markus Hill)
Quelle: www.fundplat.com
Foto: www.istock.com/oscity