Stiftungen, Family Offices und Vermögensverwalter – Sozialarbeiter und Trusted Advisor ante portas?

„Zuviel Analyse führt zu Paralyse“ (Unbekannt). Stiftungen haben derzeit einen interessanten oder einen schweren Stand in der Fondsindustrie – je nach Sichtweise. Das Niedrigzinsumfeld zwingt diese Investorengruppe nach Lösungen jenseits der Anleihen-Welt zu suchen. Interessant kann es für die Fachverantwortlichen dort sein, durch die Ansprache von Produktanbietern mehr Knowhow aufzubauen. Schwer kann es sein, mit dem möglicherweise auftretenden Information-Overflow-Problem fertig zu werden. Oft wird in der Branche nach Beratern gerufen, auch im Publikumsfondsbereich. Nicht immer ist externe Hilfe notwendig. Eulen nach Athen zu bringen, hat sich schon sehr häufig nicht gelohnt. Wo ist eine gute Informationsgrundlage vorhanden? Wo können blinde Flecken liegen im Auswahlprozess? Gibt es interne und externe Lösungen?

Quantitative Faktoren bei Fondsauswahl

Publikumsfonds leiden bekanntlich unter der „Peitsche der Transparenz“. Die grundlegenden Informationen findet man in der Regel auf dem sogenannten Factsheet. Performance, Drawdown, Fondswährung, Kosten etc. Es gibt eine große Anzahl von Datenanbietern, bei denen man Publikumsfonds nach den verschiedensten Formaten vergleichen und analysieren kann. Große Stiftungen können für die Auswahl von Produkten externe Berater engagieren oder interne Abteilungen mit Fachleuten aufbauen. Mittelgroße bis kleine Stiftungen bleibt diese Möglichkeit oft verwehrt. Trost kann vielleicht sein, dass Komplexitätssteigerung beim Informationsbeschaffungs-Prozess nicht unbedingt zu besseren Entscheidungen führen muss. Sehr viele der Häuser, die sich zunächst nicht externen Support sichern können, fahren mit den Tools aus der Publikumsfonds-Welt (Datenbanken etc.) ganz gut, um geeignete Manager bzw. Fonds zu identifizieren.

Finanzwissen über Kennzahlen wie Sharpe Ratio, Tracking Error, Treynor Ratio etc. sind öffentlich zugänglich. In komprimierter Weise finden sich auch hierzu oft fachlich nachvollziehbare Darstellungen und Erklärungen auf Factsheets und bei Datenbank-Anbietern. Zugebenermaßen schadet es nicht, den Bereich Finanzen / Kapitalmarkttheorie studiert zu haben. Zumindest für die Interpretation bzw. Einordnung dieser Kennziffern. Eine andere Frage ist es, ob eine gute Auswahl von Fondsmanagern rein in quantitativer Form immer die optimale Lösung darstellt.

Reporten, Controllen, Dokumentieren von Fondsmanagerleistungen – es gibt viele Dienstleister im Markt, die mit Zahlen (Vergangenheit!) gut und effizient arbeiten können. Jeder Stiftung bleibt es überlassen, hier interne oder externe Lösungen aufzubauen.

Qualitative Faktoren bei Fondsauswahl

Der Publikumsfonds stellt eine transparente Struktur zur öffentlichen Darstellung der Fondsmanagerleistung dar. Die Leistungen der großen, konzerngebundenen Asset Manager bzw. Vermögensverwalter sind aufgrund von großen Marketingbudgets oft schon bekannt. Viele kleine bis mittelgroße, unabhängige Vermögensverwalter suchen derzeit aktiv nach stärkerer Visibilität bei Stiftungen. Zum einen findet man sich in den oben genannten Datenbanken, zum anderen erfährt man von vielen Adressen oft durch Mundpropaganda. Es gibt sogar Häuser, die „milliardenschwere“ Vermögen verwalten, die jedoch keineswegs auf dem Radar von vielen Investoren sind.

Neben den quantitativen Faktoren auf den Factsheets finden sich noch andere Informationen wie Fondskategorie, Fondsstruktur etc. Zusätzliche Informationen in einem besonders aufbereiteten Format kann ein so genannter „Transparenzbericht“ liefern. Themen wie Aktienquote und Anlagestruktur, Anlageinstrumente und bestimmte Qualitätskriterien werden hier durch externe Spezialisten aufbereitet, wenn in der Stiftung nicht selber das Know-how vorhanden ist, um sich selbst eine solche Form von Reporting-Tools zu erstellen. Auch diese Informationen können bei der Manager- bzw. Produktauswahl hilfreich sein. Ein spezielles Beispiel im Stiftungsbereich: Inwiefern werden Nachhaltigkeitskriterien vom Fondsmanagement bei Anlageentscheidungen berücksichtigt?

Die Adler-Perspektive: Sozialarbeiter („Supervision“) und Trusted Advisor

Im Bereich der Sozialarbeit gibt es den Bereich Supervision. Oft wird dieser Begriff Coaching, zu Recht oder Unrecht, in Verbindung gebracht. Wenn man den neudeutschen Begriff „Trusted Advisor“ noch ins Spiel bringen möchte, dann beurteilt man das Informationsbeschaffungs-Thema der Stiftungen zumindest einmal auf einer Meta-Ebene. Heißt: Oft kann die Adler-Perspektive bei dem Aufsetzen von effizienten Entscheidungsprozessen helfen.

„Supervision (lateinisch für Über-Blick) ist eine Form der Beratung für Mitarbeiter, unter anderem in psychosozialen Berufen. Supervisionen werden von einem Supervisor, der zumeist eine entsprechende Qualifikation oder Zusatzausbildung hat, geleitet. Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen lernen in der Supervision, ihr berufliches oder ehrenamtliches Handeln zu prüfen und zu verbessern. Dazu vereinbaren die Teilnehmer mit dem Supervisor Ziele“ (Quelle: Wikipedia). Keineswegs will man mit diesem Instrument die Wirtschaft als „krank“ definieren, vielmehr findet man diese reflektorische Betrachtungsweise unter dem Label Coaching wieder Eingang in den Wirtschaftsbereich. Auch benötigen Stiftungen in der Regel keinen ausgebildeten Supervisor für das Thema Managerauswahl. Es lässt sich über diese fachliche Schiene aber die Brücke zur Rolle des Trusted Advisor schlagen.

Trusted Advisor – keineswegs ein wissenschaftlicher Begriff: Man kann diese Bezeichnung zum Beispiel als „Neutralen Berater“ verstehen, als Coach, als klassischer Berater. Oft findet man auch institutionalisierte Formen der Unterstützung durch den Begriff des „Stiftungsoffices“, in Anlehnung an den Begriff Family Office. Diese Rolle, des Beraters, kann von verschiedenen Funktionsträgern übernommen werden. Vom Family Offices, vom Vermögensverwalter, vom klassischen Consulting-Dienstleister, auch vom klassischen institutionellen Asset Manager. Entscheidend erscheint, dass eine gewisse Neutralität beim Beratungsprozess der Stiftung gewahrt bleibt. „Gewisse Neutralität“ schließt nicht aus, dass diese Trusted Advisor eigene Produkte oder Dienstleistungen anbieten können. Der Kunde, hier die Stiftung, sollte nur ein transparentes Bild über die möglichen Interessenlagen und Interessenkonflikt-Felder erhalten und dann eine freie Entscheidung fällen können. Wenn interne Ressourcen bei Themenstellungen wie Managerauswahl nicht reichen sollten, kann man hier unter Umständen externe Unterstützung einkaufen. Der Markt für Stiftungen und „Trusted Advisor“ als potenzielle Vertragspartner wächst zunehmend. Das Bündeln, Aufbereiten, Transparenz-schaffen ist scheinbar ein Bedürfnis bei manchen Investoren. Informationen für die Entscheidungen gibt es genügend, benötigt wird wohl eine Art „Chef-Redakteur“, der fachlich beurteilen und gewichten kann, um Entscheidungen zu optimieren.

Kapitalverwaltungsgesellschaften als Trusted Advisor

Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen, vormals: KAGen) können in Teilen auch als Ratgeber für die Selektion von stiftungsgeeigneten Fonds genutzt werden. Viele Häuser wie Universal-Investment, Ampega, Hansainvest oder IP Concept (und viele andere Häuser) legen Private Label Fonds im Stiftungssegment auf. Viele der Fonds tragen den Begriff Stiftung schon im Fondsnamen. Ähnlich wie oben im Bereich Trusted Advisor beschrieben, die Begrifflichkeit greift manchmal in diesem Bereich zu kurz. Natürlich gibt es neben den namentlich genannten Stiftungsfonds auch viele reguläre Mischfonds (neben sogenannten vermögensverwaltenden Ansätzen), die für die Anlage von Stiftungsgeldern geeignet sind. Als erste Anlaufstelle für Informationen, zumindest schon einmal auf der Internetseite, sind diese Anbieter von Private Label Fonds oft gut geeignet. Transparent sind die Interessen der KVGen auch: Man möchte Fonds auflegen, man möchte administrieren.

Fazit

Viele Angebote zur Identifikation von stiftungsgeeigneten Fonds bzw. für die Auswahl von stiftungsgeeigneten Vermögensverwaltern oder Family Offices (z. B. die mit eigenen Produkten) sind durch Recherche von Stiftungsinvestoren identifizierbar. Hier herrscht fast eher ein zu viel als zu wenig an Information. Es gibt Stiftungen, die diese Prozesse schon intern exzellent beherrschen. Einen Engpass kann es bei kleinen und mittelgroßen Stiftungen mit Analysebedarf geben. Hier müssen die oben genannten selbst-definierten Trusted Advisor befriedigende Antworten geben. Ketzerisch gesagt: „Liebt“ man Stiftungen als Kundengruppe und vertieft sich in deren Nöte, Probleme, Themenstellungen oder betrachtet man Stiftungen nur als weiteren Absatzkanal unter vielen – gibt es das Bestreben nach langfristiger Partnerschaft oder regiert das kurzzeitgetriebene, opportunistische Produktabsatz-Interesse (ähnlich: Dienstleister)? Diese Frage gilt es zu beantworten – die Diskussion hat gerade erst begonnen und kann mit großer Spannung weiter verfolgt werden!


Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

Artikel teilen