Im Juli dieses Jahres fand in Monaco beim FundForum International im Rahmen einer Paneldiskussion zu den Themen Family Offices, Due Diligence und Fondsboutiquen ein intensiver Gedankenaustausch zwischen Investoren und Produktanbietern statt. Marcel Müller von HQ Trust in Bad Homburg hatte als einer der Family Office-Vertreter als Panelist unter anderem Punkte wie Track Record, Entscheidungsprozesse, Active Share sowie das Thema Karriererisiko im Bereich der Managerselektion angesprochen. Moderator Markus Hill* sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit dem Fondsselektor im Nachgang zu der intensiven Fachdiskussion.
Hill: Wir hatten ja die Gelegenheit auf dem Fund Forum Panel in Monaco uns über das Thema Managerselektion bei Family Offices auszutauschen. Jedes Haus hat eigene Kriterien bei der Due Diligence. Wie sieht die Vorgehensweise bei der Auswahl von Fondsmanagern bei Ihnen aus?
Müller: Wir haben bei HQ Trust einen sehr stringenten und systematischen Selektionsprozess. Im ersten Schritt führen wir ein quantitatives Screening durch, welches uns zunächst einen guten Überblick über das Risikoverhalten und das Leistungsverhalten der Peer-Gruppe gibt. Hier spielen Kennzahlen wie Volatilität, Upside Capture, Downside Capture Ratios und Active Share eine größere Rolle. Allerdings ist das für uns zunächst nur ein Tool zur Ideengenerierung. Der Schwerpunkt des Selektionsprozesses bei HQ Trust ist stark qualitativ getrieben. Warum qualitativ? Wir glauben das Asset Management ein „People’s Business“ ist, und die Qualität des Portfoliomanagements einen erheblichen Einfluss auf die Performance der Fonds hat. Und dies macht eine detaillierte, qualitative Due Diligence der Fondsmanager und deren Teams notwendig. Daher ist es enorm wichtig, die handelnden Personen zu interviewen und vor Ort zu besuchen. Wir versenden zudem sehr detaillierte Fragebögen, die ausgefüllt teilweise bis zu 100 Seiten lang sein können. Die Auswertung der Fragebögen ist insbesondere für die Vorbereitung auf einen Due Diligence Termin vor Ort von großer Bedeutung. Es geht darum zu verstehen, warum ein Fondsmanager in der Vergangenheit gute Ergebnisse erzielt hat und ob dies in der Zukunft systematisch wiederholt werden kann. Dies geht nun einmal nicht rein quantitativ über eine Fondsdatenbank. Wir analysieren daher sehr genau die Investmentprozesse der Fondsmanager und achten vor allem auf kompetitive Vorteile in der Analyse und der Verarbeitung von Informationen. Welche Quellen der Ideengenerierung und wie viele potentielle Alpha-Quellen besitzt ein Fondsmanager? Finden diese Ideen ihren Weg in die Portfoliokonstruktion und letztendlich in das Portfolio? Wie qualitativ hochwertig ist das Risikomanagementsystem bzw. findet es überhaupt Anwendung? Kann der Fondsmanager seine Performance zu jedem Zeitpunkt genau erklären und passt der Investmentprozess zur Investmentphilosophie? Fazit: Es ist uns wichtiger einen Track Record zu verstehen als einen guten Track Record zu kaufen.
Hill: Interessanter Punkt. Was genau meinen Sie damit, wenn Sie davon sprechen, einen guten Track Record zu kaufen? Im Markt gibt es auch Manager, die Schwächephasen im Performanceverlauf aufweisen. Wie gehen Sie mit diesem Sachverhalt um? Sind in diesem Fall Entscheidungsprozesse im Team oft schwieriger?
Müller: Ich denke, einer der größten Irrtümer in unserer Industrie ist der Glaube an die Möglichkeit, dass „Past Performance“ kaufbar sei. Obwohl es eigentlich jeder weiß, dass dies nicht möglich ist, scheinen sehr viele Marktteilnehmer diesem Irrtum zu erliegen. In den meisten Fällen führt eine vergangenheitsfokussierte Fondsauswahl zu enttäuschenden Investmentergebnissen. Dass diese vergangenheitsbezogene Vorgehensweise jedoch überwiegend praktiziert wird, sehen Sie alleine daran, dass Fonds mit einer guten Renditehistorie in Folge relativ stark im Fondsvolumen wachsen. Diese Fonds werden dann häufig auch zu groß und werden in ihrem Investmentuniversum eingeschränkt. Das Resultat sind dann meist schlechtere Ergebnisse als in der Vergangenheit. Ich denke diesem Fehler sitzen einige Investoren auf. Es ist natürlich viel einfacher und angenehmer, einen Fonds mit einem guten Track Record zu kaufen beziehungsweise für Analysten einen solchen Fonds zu empfehlen. Sie brauchen wesentlich bessere Argumente, einen Fonds zu empfehlen, wenn dieser in der Vergangenheit weniger gut gelaufen ist. Zudem birgt sich damit auch ein gewisses Karriererisiko für Analysten. Wenn Sie einen Fonds empfehlen, der über Jahre gut performt hat und der Manager sehr bekannt ist, dann ist es weniger schlimm, wenn dieser einmal schlecht performt. Bei einem unbekannten Manager und eventuell nicht so guter Performancehistorie müssen Sie sich stärker rechtfertigen. Die Frage ist jedoch, was am Ende zu besseren Investmentergebnissen für unsere Kunden führt. Wir sind der festen Überzeugung, dass vergangenheitsbezogene Fondsauswahl qualitativer Fondsauswahl unterlegen ist.
Hill: Würden Sie bei der Managerauswahl einen Unterschied sehen beim Due Diligence-Prozess von Fondsboutiquen in Abgrenzung zum Auswahlprozess bei etablierten, konzerngebundenen Managern?
Müller: Grundsätzlich verfolgen wir einen strukturierten und disziplinierten Selektionsprozess bei allen investierten Fonds für unsere Kunden. Allerdings gibt es bei Fondsboutiquen gewisse Unterschiede im Detailgrad der Due-Diligence im Vergleich zu einem der großen globalen Asset Managern. Lassen Sie mich hierfür ein Beispiel nennen. Wir haben vor ein paar Jahren eine Fondsboutique mit 4 Mitarbeitern selektiert. Für die Due-Diligence vor Ort bei dem Manager waren mehrere Tage notwendig. Zum einen wollten wir uns die gesamte IT-Infrastruktur (z.B. Handelssysteme, Risikomanagementsysteme) erklären lassen und genau verstehen, mit welchen Portfoliotools gearbeitet wird. Darüber hinaus war es für uns wichtig, die handelnden Personen genau kennenzulernen und uns zudem vor Ort von bestehenden Kunden, Geschäftspartnern sowie ehemaligen Arbeitskollegen eine Meinung einzuholen. Es gilt zudem, die Eigentümerstruktur sowie die Stabilität und Intensivierung des Investmentteams genau zu analysieren, da das Personenrisiko bei Boutiquen meist um einiges höher ist. Insgesamt kann man sagen, dass wir bei einer Boutique eher jeden Stein zweimal umdrehen als nur einmal. Wir denken, diese Gründlichkeit zahlt sich für unsere Kunden langfristig aus.
Hill: Viele Selektoren beobachten intensiv verschiedene Anlagestile, manche Häuser haben hier Präferenzen herausgebildet. Erscheinen Ihnen quantitative Strategien erfolgversprechender bzw. attraktiver als diskretionäre Strategien?
Müller: Ich denke, hier gibt es keine klare Ja/Nein Antwort. Es gibt sowohl bei quantitativen als auch bei diskretionären Strategien hervorragende Ansätze. Bei quantitativen bzw. regelgebunden Ansätzen besteht häufig das Problem eines „Stil-Bias“, wodurch diese Ansätze häufig bei Trendwenden in den Kapitalmärkten nicht mehr funktionieren bzw. Underperformance generieren. Daher ist es sehr wichtig, auf eine gewisse Stil-Neutralität und insbesondere auch auf die Bewertung der im Portfolio befindlichen Unternehmen zu achten. Wir haben bei HQ Trust sowohl mit quantitativen als auch mit diskretionären Ansätzen sehr gute Ergebnisse erzielt. Uns geht es mehr darum, einen qualitativ hochwertigen Ansatz mit kompetitiven Vorteilen im Investmentprozess (Ideengenerierung, Analyse und Portfoliokonstruktion) zu identifizieren, als sich auf einen bestimmten Anlagestil „einzuschießen“. Ob dies dann diskretionär oder regelgebunden passiert ist zweitrangig.
Hill: Bei vielen Fondsselektoren ergeben sich oft interessante, intensive Diskussionen im Feld aktives versus passives Management. Wie denken Sie über dieses Thema?
Müller: Grundsätzlich glauben wir als Haus sehr stark an aktives Management. Wir denken jedoch, dass beides seine Daseinsberechtigung hat. Es macht in einigen Peer-Gruppen durchaus Sinn, über passive Strategien nachzudenken, insbesondere dann, wenn der ETF systematisch im ersten Quartil einer Peer Gruppe liegt. Hier ist wichtig anzumerken, dass sich der ETF im ersten Quartil bewegt und nicht die Benchmark. Denn die Benchmark kann niemand kaufen, dies ist insbesondere in illiquiden Anlageklassen der Fall wie beispielsweise Wandel- oder Hochzinsanleihen. In diesen Anlageklassen werden Sie keinen ETF im ersten Quartil einer solchen Peer-Gruppe finden, sofern es überhaupt einen vergleichbaren ETF gibt. Passive Strategien bergen jedoch auch ihre Risiken, die insbesondere durch die Konstruktion der zugrundeliegenden Benchmarks begründet sind. Nehmen Sie zum Beispiel die gängigen Rentenbenchmarks, welche die größten Gewichtungen in Ländern bzw. Unternehmen haben, die die größten Verschuldungen aufweisen und oftmals die schlechteren Bonitäten (Beispiel Japan). Wenn Sie passiv investieren, investieren Sie unter Umständen sehr risikoreich und oftmals renditearm. Daher haben wir gegenüber passiven Strategien in dieser Anlageklasse eher Bedenken. Hier gilt, je aktiver desto besser. Sehr sinnvoll erscheint jedoch der Einsatz von passiven Strategien in sehr liquiden und effizienten Märkten wie USA Large Cap und Japan Large Cap. Hier finden Sie in beiden Peer-Gruppen die ETFs systematisch über lange Zeiträume im ersten Quartil. Wenn Sie zusätzlich noch das Selektionsrisiko mit berücksichtigen, erscheint hier aktives Management weniger attraktiv. Dies kann sich jedoch ändern, da auch Aktienbenchmarks ihre Risiken bergen. Sollten Indexschwergewichte durch ständig steigende passive Gelder zunehmend teurer werden, dann können passive Strategien auch in diesen Peer Gruppen in der Zukunft weniger vorteilhaft sein als in der Vergangenheit. Ein gutes Beispiel sind Lateinamerikanische Aktien, bei denen es in den Jahren 2002-2007 in der Rohstoffhausse deutlich vorteilhafter war, über einen ETF zu investieren, ab 2008 bis 2015 war aktives Management jedoch sehr erfolgsversprechend. Hier gilt es genau zu beobachten und entsprechend zu agieren. Das ist im Übrigen auch das Interessante in unserem Job, die Dynamik!
Hill: Aktuell wird häufig über Kennzahlen wie Active Share gesprochen. Wie sehen Sie das Thema?
Müller: Active Share ist eine interessante Kennzahl, die wir uns auch schon seit längerem genau anschauen. Jedoch sollte man bei dieser Kennzahl ein paar Dinge beachten, wenn man diese zur Entscheidungsfindung mit einbezieht. Zum einen sagt die Kennzahl für sich betrachtet nichts über die Qualität des Investmentprozesses aus. Darüber hinaus ist die Kennzahl lediglich für Aktien anwendbar und nicht für andere Anlageklassen. Des Weiteren sagt die Höhe des Active Share allgemein betrachtet nicht sehr viel über die wirkliche Aktivität des Portfolios aus. Es hängt sehr stark von der jeweiligen Benchmark ab. Es ist weit verbreitet in der Industrie, dass ein Active Share von über 80 als sehr „gut“ bzw. „aktiv“ gilt. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Bei einem Index mit vielen Titeln wie zum Beispiel dem MSCI World erreichen Sie relativ schnell eine hohe Active Share von 80 und höher, allein schon weil Sie den Großteil der Aktien in der Benchmark gar nicht investieren. Nehmen Sie hingegen eine überschaubare Benchmark wie zum Beispiel den MSCI Latein Amerika, bei dem die größten 5 Indexgewichte nahezu 40% des gesamten Indexes ausmachen, ist schon eine Active Share von 60 als sehr hoch zu beurteilen. Sie sehen also, dass diese Kennzahl mit Vorsichtig zu genießen ist und immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Benchmark zu betrachten ist. Wir verwenden diese Kennzahl entsprechend und bevorzugen Fonds mit einer hohen Active Share und einem hochwertigen qualitativen Investmentprozess.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
Quelle: www.institutional-investment.de
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