„Viele der Unternehmer bei Fondsboutiquen und Family Offices lieben und genießen ihr Tageswerk, sie leben ihre Berufung“ (Interview – Markus Hill)

Fondsboutiquen, Value Investing und Sinnökonomie – viele Investoren auf Family Office- und Unternehmerseite bewegen sich in ihren Entscheidungen oft in diesem speziellen wirtschaftlichen Dreieck. Über diesen Zusammenhang sowie über die Rolle von Absolute Return-Ansätzen, Seeding von Fondskonzepten, Langfristdenke und Risikomanagement sprach IPE Institutional Investment-Chefredakteur Frank Schnattinger mit dem unabhängigen Asset Management Consultant Markus Hill. Einige dieser Themenpunkte werden von ihm auch in einem Kurzintro zu dem Vortrag „Strategic Investing – Investieren wie ein Unternehmer“ von Prof. Dr. J. Carlos Jarillo am 29.11.2017 in Hamburg angesprochen.

IPE Institutional Investment: Value Investing und Langfristdenke bei institutionellen Anlegern sind Themen, die Sie immer wieder inhaltlich begleiten. Wo sehen Sie hier die spezielle Verbindung?

Hill: Marcos Hernandez Aguado, ein Kollege von Prof. Dr. J. Carlos Jarillo, sagte vor kurzem in „Finanz und Wirtschaft“ aus der Schweiz, dass Value Investing den Investoren gegenwärtig wieder mehr Freude bereiteten sollte. Ich bin befangen. Sein Statement fiel mir auf, da ich mehrfach mit Prof. Jarillo kleinere Investorenveranstaltungen begleiten durfte. Natürlich ist Herr Aguado nicht der erste, der diesen Sachverhalt unterstreicht. Der mögliche aktuelle Trend hier erscheint vorteilhaft. Überzeugte Value Investoren fühlen sich häufig von dieser Art von Rückenwind im eigenen Anlageverhalten wenig berührt. Analysieren, Auswerten, Entscheiden, Investieren – das ist bei diesem Investorentypus oft vorherrschend. Natürlich werden Positionen gehalten und auch über den Exit nachgedacht. Durch die Brille desjenigen betrachtet, der seine Hausaufgaben gemacht hat und eher denkt: In der Ruhe liegt die Kraft. Prozyklik findet sich hier weniger. Trotzdem können solche Trends dazu führen, dass sich bestimmte Investoren stärker mit Value Investing beschäftigen.

IPE Institutional Investment: Gibt es das vielleicht bestimmte Investorengruppen, die eine besondere Affinität zu diesem Investmentstil aufweisen könnten?

Hill: Gerade im Bereich von Unternehmern und Family Offices stellt man oft fest, dass die unternehmerische, unabhängige Denke sich gut mit diesem Investmentstil vereinbaren lässt. Wirtschaftliche Unabhängigkeit führt oft dazu, dass man weder im Finanzierungs- noch im Anlagebereich hektisch und unbedacht reagiert. Unternehmer, die eigenes Geld investieren, gehen gerade bei der Due Diligence von Investments sehr intensiv, mit Liebe zum Detail, an die Sache. Das Interessante im Value-Bereich ist, dass viele der Ansätze sehr kommunikations-intensiv sind. Ob ich hier sehr „unconstrained“ vorgehe oder mehr durch Regeln gebunden: Damit der Investor Vertrauen zum Ansatz gewinnt, muss er sehr genau wissen, wie der Fondsmanager denkt und handelt. Ich rede hier bewusst nicht von Smart Beta-Ansätzen bei ETFs oder extrem stark automatisierten Prozessen. Es gibt im Value-Manager-Bereich ein Segment, das sich natürlicherweise harter Fakten bei der Auswahl von Titeln bedient und auch eigener Prozesse, Automatismen und Filter bedient. Ein Match findet sich hier aber oft bei Managern auf Fondsseite mit Investoren auf der anderen Seite, je stärker eigenes Knowhow, Marktkenntnis in Nischen und Netzwerk in weniger skalierbarer Form vorliegen. Vielleicht ist Skalierbarkeit nicht der Kernfaktor, man könnte eher sagen, dass der Kopf des Managers sozusagen der Faktor ist, der den Burggraben bildet, Economic Moat. Diese Manager, oft mit starker „BWL-Brille“ unterwegs, konkurrieren eigentlich nicht mit Großunternehmen und mit deren Produktpalette, da Nischen abgedeckt werden. Es kann der Strategie-Professor sein, der Fondsmanager aus dem Beteiligungsbereich, der Analyst aus bestimmten Branchen oder auch der Portfoliomanager aus etabliertem Hause mit großem Drang zum unabhängigen Arbeiten. Gerade weil man Dürrestrecken in Sachen Performance mental über Zeit aushalten können muss, findet man hier viele sehr unabhängige Köpfe. Man wird mich kritisieren, trotzdem: Oft erinnern diese Persönlichkeiten an „Künstler“ mit solidem handwerklichen Hintergrund!

IPE Institutional Investment: Gibt es in zum Beispiel viele dieser „Künstler“ im Fondsboutiquen-Bereich?

Hill: Es gibt eine Menge interessanter Köpfe mit den verschiedensten Ansätzen in Deutschland. Hendrik Leber, Frank Fischer, Marc Siebel, Johannes Ries, Raik Hoffmann, Christian Funke, Stefan Rehder und viele andere mehr, die Liste wäre lang. Ohne Gewichtung, ohne die Produkte abschließend zu bewerten – die Managerpersönlichkeiten, die Biografie, Vorgehensweise und Philosophie sind das Interessante dabei. Viele dieser Köpfe findet man in den Produktangeboten von spezialisierten KVGen wie zum Beispiel Universal-Investment, Hansainvest, Ampega und bei anderen interessante Adressen. Multiplikatoren für die Promotion des Value Investment-Gedankens findet man auch bei Depotbanken wie Berenberg, Hauck & Aufhäuser und anderen Häusern. Auch Haftungsdächer wie BN & Partner, NFS Netfonds etc. unterstützen durch ihre Tätigkeit die vielen unabhängigen Asset Manager in diesem Feld.

IPE Institutional Investment: Wo sehen Sie Zusammenhänge bei Risikomanagement, Absolute Return-Ansätzen und Value Investing?

Hill: Absolute Return-Ansätze werden oft stärker im Bereich Cash oder Renten von Investoren verortet. Interessant erscheint mittlerweile, dass sich neue Betrachtungsweisen zu entwickeln scheinen. Manager von Value-Boutiquen investieren oft eigenes Geld. In vielen Fällen, gerade bei starker Verbindung zum Unternehmertum, sind Friends & Family beim Seeding-Prozess des Produkts involviert. Es kann sich die Konstellation ergeben, dass rein aus Risikogesichtspunkten der Investmentprozess speziell ausgerichtet ist. Obwohl Aktienprodukt, kann alleine durch verschiedene Risikostufen bei Investments Risikomanagement betrieben werden. Der eine oder andere Investor, der stark in den Kategorien von Small- und Mid-Caps denkt, ist vielleicht in Einzelfällen zu Beginn irritiert, wenn Manager mit großer „Nischen-Expertise“ plötzlich in Unilever & Co. anlegen. Viele Value-Manager sehen ihre Stärke vielleicht eher bei diesen Werten, als ein elaboriertes Cash- und Bondmanagement zu betreiben. Andere Manager trauen sich dies zu, geraten dann aber in die Schwierigkeit, dass bestimmte Investorengruppen sagen: „Dafür habe ich das Geld nicht gegeben, Asset Allocation betreiben wir selber“. Es gibt Manager die mit oder ohne Bondexpertise die ersten Schritte sozusagen mit einem Gedankenkorsett in Form von Value Investing, aber mit angezogener Handbremse betreiben. Auch dies kann eine der Folgen der Spezialisierung im Fondsboutiquen-Bereich sein, man kann nicht in jedem Feld immer wieder neue Fonds auflegen. Das Investment in konzentrierte Portfolios mit Werten, die der Manager extrem gut kennt und verfolgt ist eine andere Form des Risikomanagements. Auch vermögensverwaltende Konzepte im Value-Bereich kann man mit Interesse betrachten. Gerade vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel Unternehmervermögen gesichert werden soll, der Unternehmer aber durchaus die Nerven hat, volatile Marktphasen zu durchstehen, solange er das Gefühl hat, dass er sozusagen „Substanz“ im Portfolio hat. Unabhängig von den Mechanismen oder gespielten Assetklassen: Am Schluss geht es darum, einem Kopf mit bestimmter Expertise einen Investmentbetrag anzuvertrauen. Hier finden sich durchaus Schnittstellen von Absolute Return-Denke und Value Investing – über den Zyklus einer bestimmten Anzahl von Jahren sollen positive Ergebnisse erzielt werden und Verluste vermieden werden. Mit einem kleinem Unterschied vielleicht: Dem eingefleischten Value-Investor liegt der Gedanke vielleicht näher, dass man in turbulenten Marktphasen einfach auf eine konstruktive Weise ignorant für das Grundrauschen in der täglichen Berichterstattung sein muss. Kluge Investoren verteilen dann oft zusätzlich das Gesamtrisiko, dass sie eine größere Anzahl von Value-Managern mandatieren.

IPE Institutional Investment: Sie beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit den Themen Fondsboutiquen und der Langfristdenke im Asset Management. Vor dem Hintergrund Ihres Kurzintro in Hamburg – was erscheint Ihnen so interessant an diesem Themenkreis?

Hill: Ich kenne die Zielgruppe der Fondsboutiquen recht gut durch interne und externe Zusammenarbeit. Mir fällt es insofern leicht, die Denke in diesem Unternehmensbereich gut nachvollziehen zu können, zumal ich seit Mitte 2005 selber als unabhängiger Consultant berate und operativ unterstütze. Zum einen in Projekten bezüglich Produktauswahl, zum anderen bezüglich der Erhöhung der Visibilität von bestimmten Fondskonzepten oder Persönlichkeiten, mit denen ich mich gerne fachlich intensiver auseinandersetze. Gerade das fachliche Feedback auf Investorenseite ermöglicht es häufig zu Beginn, noch Optimierungsschritte beim eigenen Konzept einzuleiten. Dies erhöht zumindest die Wahrscheinlichkeit dass bei der Seed Money-Suche nicht völlig am Endabnehmer des Produkts vorbeigedacht wurde. Dies ist auch unabhängig davon, in welchen Produktverpackungen oder Assetklassen man sich bewegt. Ich würde sogar weitergehen: Diese Vorgehensweise lässt sich grob gesehen auch auf Direktinvestments übertragen – mehr mit der Überlegung: Wie passt das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung in das Portfolio des potenziellen Investors oder Sponsors? Oft reicht dieser Fondsinitiatoren-Ansatz häufig nicht: „Das kann ich gut, das will ich gerne machen – gebe mir bitte dein Geld, möglichst schnell!“. Es gibt übrigens, eigene Erfahrung, die im Erstgespräch bei potenziellen Seedern durchaus überzeugen. Die Historie, Erfahrung in dem Feld ist Standard-Hygienefaktor für die Fortführung der Gespräche mit dem Investor – es muss etwas „Besonderes“ mit Substanz angeboten werden. In Kombination hiermit erscheint mir aber die Persönlichkeit des Fondsinitiators als der strategische Engpassfaktor für den Erfolg der Gespräche. Schwer tun sich in diesem Prozess austauschbare Konzepte, da man schon von vornherein gegen die Etablierten mit praktischem Track Record im Rennen bei den Investoren steht. Bei extrem gutem Vertrauensverhältnis zu Friends & Family, vielleicht noch mit eigenem Geld im Fonds, können solche Konzepte dann doch nach dem Seeding-Prozess „fliegen“. Es sei denn, dass in den Folgestufen kein Vertrieb mit Netzwerk für weitere Promotion vorhanden ist. Ansonsten „verschimmeln“ vieler dieser Produkte später, dümpeln mit minimalen Fondsvolumen jahrelang vor sich her. Garantien gibt es hier nicht. Oft gibt es sogar Seeder, die noch gar nicht wissen, dass sie eigentlich seeden sollten. Diese zu identifizieren ist oft nicht leicht, man entwickelt da sozusagen selber einen Markt – dicke Bretter bohren ist angesagt. Vieles in diesem Bereich erinnert an die Beratung von Startup-Unternehmen – Idee, Konzept, Seeding, Stolpersteine im Vertrieb, Bekanntheitsgrad etc. Das angenehme an der Kundengruppe Fondsboutiquen ist, dass man hier oft zu schätzen weiß, dass die praktische Unterstützung hier oft einen Mehrwert hat im Gegensatz zur reinen „PowerPoint-Folien-Beratung“. Faszinierend ist die Begeisterung und Hingabe vieler dieser spezialisierten Unternehmen für die eigene Sache. Mit eigener Sache meine ich, dass man konsequent „sein Ding“ in fachlich hochwertiger Form betreibt. Deshalb auch die angeführten Gedanken zu Sinnökonomie an anderer Stelle. Viele dieser Unternehmen sind im Finanzbereich aufgrund ihrer Spezialisierung mit Hidden Champions aus dem klassischen deutschen Mittelstand zu vergleichen. Man tut die Dinge, in denen man sehr gut bis exzellent ist, im Idealfall natürlich. Diese Spezialisierung finden sich dann manchmal in Investmentphilosophie, Prozessen, Know-how oder bei bestimmten Assetklassen wieder. Wenn man hinter dem eigenen Produkt stehen muss, vielleicht selber in eigene Produkte investiert ist, dann sagt das sehr viel aus. Man fühlt sich hier oft schon an den Bereich Sinnökonomie von Aaron Hurst erinnert, erinnert, eine etwas sperrige Bezeichnung für diese Betrachtungsweise.

IPE Institutional Investment: Was genau meinen Sie damit, Sinnökonomie?

Hill: Ich möchte an dieser Stelle nicht zu philosophisch werden, auch nicht womöglich Viktor Frankl ins Spiel bringen. Es geht mir auch nicht um solche Dinge wie Work-Life-Balance, von daher ist die Einordnung Sinnökonomie vielleicht nicht ganz zutreffend. Ursprünglich ging es zum Beispiel stark um Vertreter aus Marketing und Personal, die einen hohen Grad nach Selbstverwirklichung anstreben. Etwas plakativ ausgedrückt: Viele der Unternehmer bei Fondsboutiquen und Family Offices lieben und genießen ihr Tageswerk, sie leben ihre Berufung. Sie sind also sozusagen fortwährend auf der richtigen Spur was die eigene, durchaus mit Arbeit verbundene Selbstverwirklichung betrifft. Um der Sache den Stachel zu nehmen, weniger „Psycho-Jargon“: Spaß zu haben und Dinge zu tun, die einem liegen bedeutet nicht, dass man nicht hart arbeitet – man sieht einfach mehr Sinn im eigenen Tun als vielleicht viele Arbeitnehmer, die zum Beispiel angestellt bei Großunternehmen arbeiten. Ich würde aber an dieser Stelle noch einen Schritt weitergehen. Neben Selbstverwirklichung kommt oft noch der Aspekt der Gemeinwohlorientierung. Ich hatte letzte Woche ein sehr interessantes Gespräch mit einem Value-Manager, der sich in der Seeding-Phase für einen neuen Fonds befindet. Ich fand es faszinierend, dass er auf eine zugegebenermaßen etwas theoretisch anmutende, aber mich persönlich überzeugende Weise eine sehr fast altruistisch klingende Argumentation für das eigene Tun anführte. Als guter Value-Manager würde er die wirtschaftlich effizienten Unternehmen rausfiltern, auf die sich die Investoren mit Ihrer Kapital-Allokation konzentrieren sollten. Die ineffizient operierenden Unternehmen würden hierdurch bestraft, sozusagen hierdurch langsam aus dem Markt gedrängt. Auch hier bin ich zugegebenermaßen befangen. Meine Diplomarbeit in Volkswirtschaftslehre habe ich über den wettbewerbstheoretischen Ansatz von Friedrich August von Hayek geschrieben. Viele Gedanken über marktwirtschaftliche Prozesse und deren Auswirkungen auf das Gemeinwohl findet man hier, ohne dass man zum Anhänger der sogenannten österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre werden müsste – die spontane Ordnung lässt sich als Denkkonzept auf die verschiedensten gesellschaftlichen Bereich übertragen. Zugegebenermaßen befindet sich hier langsam mehr im Bereich der Sozialphilosophie. Politik, Ökonomie, Geschichte und Philosophie finden in solchen Themen oft wieder zusammen. Die Welt der interessanten Gesprächsthemen wird ja nicht ausschließlich durch Finanzthemen definiert – die Ränder, Schnittmengen zu anderen Feldern machen oft die Würze aus!

IPE Institutional Investment: Vielen Dank für das Gespräch.


Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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