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FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Fondsboutiquen, Think Tanks und Investor Relations – „Kunst“, Fans und die Schatzinsel (Kommentar, Markus Hill)

„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig“ (Albert Einstein). Diese Freude an Erkenntnis findet man bei vielen Persönlichkeiten im Segment der Fondsboutiquen. Dort finden sich viele unabhängige Köpfe mit umfangreichem Knowhow und (Widerspruch!) außerordentlichem Talent. Viele der Fondsmanager hören es vielleicht nicht so gerne – die Nähe zum „Künstlertum“ ist ersichtlich. Unterstellt man großzügig, dass Felder wie zum Beispiel Ökonomie und Asset Management keine „Reissbrett-Wissensfelder“ sind, sondern immer noch viele unentdeckte Wirkungsmechanismen aufweisen, dann nähert man sich dieser gewagten Charakterisierung. Solange noch nicht alle Gesetzmäßigkeiten hier entdeckt sind, bieten sich Chancen für unabhängige Talente, die neben Performance auch einen Mehrwert im Bereich Investor Education bieten. Wo liegt hier die Schnittstelle zum Bereich Investor Relations? Welche Formate werden oft genutzt?

Think Tanks und „Citizen Education“

Viele der sogenannten Think Tanks werden oft in erster Linie nicht mit dem Bereich Investment in Verbindung gebracht, sie werden häufig im allgemeinen Bereich von Ökonomie und Politik verortet. Beispiele: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. (IW), Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW), Friedrich Naumann Stiftung etc. Viele dieser Institute erfüllen eine wertvolle Funktion, sie wirken als Katalysator im Bereich „Diffusion von Wissen“, zum Beispiel in den benannten Themenfeldern – natürlich ist der Rahmen auf alle Think Tanks bezogen viel weiter zu spannen. Die interessierte Aufnahme dieses Wissens setzt mündige Bürger voraus. Warum? Bei jeder dieser Institutionen empfiehlt es sich, die jeweilige „Agenda“ der Institutionen zu betrachten. Wer publiziert was, mit welchem Interesse? Dieser Sachverhalt erscheint natürlich und stellt auch kein Problem dar. Man muss halt seine Hausaufgaben machen. Positiv gesehen: Diese Information ist transparent dargestellt, es wird auch kritisch in den Medien erörtert. Die Gesellschaft profitiert von der konstruktiven Diskussion, die durch diese Institute der interessierten Öffentlichkeit ermöglicht wird. Als eine von vielen Informationsquellen wird ein Mehrwert geschaffen.

Fondsboutiquen und Investor Education

Losgelöst von den oben erwähnten Strukturen haben sich viele andere Ausprägungen von Think Tanks gebildet. Ähnlich wie die Schlagworte Family Offices, Fondsboutiquen oder Impact Investing erscheint es positiv, kreativitätsfördernd, dass sich alle diese Begriffe noch im Stadium der Diskussion um Deutungshoheit in der Debatte befinden, siehe auch den engagierten Diskurs bei „Nachhaltigkeit“. Gerade im Bereich von eher kommerziell geprägten Adressen im Segment Asset Management gibt es interessante Adressen, die sich transparent um Investor Education bemühen. Adressen wie FERI Cognitive Finance Institute und Flossbach von Storch RESEARCH INSTITUTE, auch „Hybrid-Think Tanks“ wie Kiel Economics, wären an dieser Stelle zu nennen. Im Schatten dieser sozusagen institutionalisierten Häuser könnte man noch einige andere Adressen betrachten, die Investor Education betreiben, ohne dass man direkt mit einem Instituts-Label werben kann. Adressen wie ACATIS, DJE, Lansdowne Partners Austria, Eyb & Wallwitz und sentix bemühen sich, neben vielen anderen Adressen, um zusätzlichen Input für Investoren bei Anlageentscheidungen – bei denen im Vordergrund nicht die reine Produktwerbung stehen. Die einen Häuser agieren hier selbst als Portfolio Manager (Fondsadvisor), manche haben sozusagen mehrere Hüte auf (Investor, Portfolio Manager, „Inkubator“ etc.). Jede Adresse findet sozusagen die eigenen Fans, jeder Topf also auch seinen Deckel.

Die Schatzinsel – Newsletter, White Papers und Webinare

Viele Fondsboutiquen verfolgen natürlich das Interesse, die eigenen Produkte (Fonds) verkaufen zu wollen. Vielen dieser Adressen ist aber bewusst, dass das ständige Publizieren, Posten und Versenden von reiner Produktinformation (Wer liest eigentlich die ganzen Mails mit angehängten Factsheets auf Investorenseite?) auf ein zunehmend sparsameres Interesse stößt: Information Overflow, zudem soll es noch Datenbanken und andere Infoquellen geben, die diese scheinbaren „harten“ Informationen über Fonds verständlich, unabhängig aufbereiten und in einen Zusammenhang stellen. Nur ein bestimmter Teil der Asset Manager schafft es, hier Mehrwert zu schaffen. Viele Feedbacks auf Investorenseite ergeben ein interessantes Bild, Beispiel Webinare: Oft von Fondsselektoren genutzt, Info häufig unter vorgehaltener Hand: „Produktinfos organisiere ich mir ohnehin selbst, interessant ist der Makro-Ausblick des Managers, danach klinke ich mich aus“. Diese Art von Feedback korrespondiert mit dem großen Interesse an Mehrwert-Informationen auf Investorenseite: Asset Allocation – Begründung, alternative Einschätzung von Marktszenarien, interessante Fachkonferenzen beziehungsweise Webinare mit „Informationen-über-den-Tellerrand“, Sichtweisen von Fondsmanagern, die außer aktueller Portfolio Manager-Sicht noch interessante zusätzliche Aspekte zu diesen Themenfeldern diskutieren können, da man vor der Portfolio Manager-Karriere vielleicht noch viele andere, interessante „Hüte“ aufhatte (Analyst, Bänker, Publizist, Family Officer etc.). Eine Schatzinsel, die bei den unabhängigen Häusern von vielen Investoren vielleicht noch nicht entdeckt wurde, ist bestimmt einen tieferen Blick wert: Newsletter, Webinare und White Papers zu ausgewählten Themengebieten!

Persönlichkeit, Knowhow und Skin in the Game

Unabhängige Asset Manager leben in einer anderen Welt, im Vergleich zu konzerngebundenen Experten. Schon Nassim Nicholas Taleb hat diesen Sachverhalt indirekt in dem Buch „Das Risiko und sein Preis – Skin in the Game“ angesprochen. Entscheidungen werden optimalerweise von Leuten getroffen, welche die Auswirkungen der Entscheidungen auch über eine direkte Feedbackschleife erfahren können: Es ist ein Unterschied, ob ich Dinge analysiere, beschreibe und in die Öffentlichkeit trage, ohne dass praktische Aktionen mit den Ergebnissen meiner Analyse verknüpft sind. Unabhängige Asset Manager treten in der Regel unter eigenem Namen auf, bauen einen persönlichen Track Record beim eigenen Fonds auf. Durch die fortlaufende Kommunikation der eigenen Weltsicht zu Märkten, Asset-Klassen, Timing-Entscheidungen oder über regelbasierte Systeme im Fondsmanagement (Hat nicht jeder Fondsmanager ein eigenes, regelbasiertes System – implizit oder explizit beschrieben?) macht er sich „verwundbar“, ist transparent und messbar. Er hat Skin in the Game! Kein seriöser Fan von Fondsboutiquen behauptet, dass jeder der unabhängigen Manager jederzeit den Markt und die „Großen“ schlägt. Bekannterweise ist der perfekte Manager, der alle anderen mit seinen „objektiven“ Portfolio Management-Ergebnissen glücklicherweise noch nicht Wirklichkeit geworden. So lange dies noch so ist (Lösung: KI-Ansätze in 2050?), gibt es im Segment der Boutiquen eine Vielzahl von interessanten Köpfen zu entdecken, mit interessantem Knowhow und interessanter Persönlichkeit. Vorausgesetzt der eigene Ansatz weist langfristig positive Erfolge für die Investoren auf, schließt sich hier der Kreis: „Im Entwurf, da zeigt sich das Talent, in der Ausführung die Kunst“ (Marie von Eber-Eschenbach).


*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.

Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com

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