Hill: Warum ist die Schweiz ein beliebtes Einwanderungsland für internationale Vermögensinhaber?

Schwingshackl: Gerade in Krisenzeiten wird die Schweiz als sicherer Hafen wahrgenommen. Politische, wirtschaftliche und steuerliche Stabilität sind ausschlaggebende Standortparameter für internationale Vermögen und Vermögensinhaber, die auf geopolitische und wirtschaftliche Veränderungen auch mit Migration reagieren. Die Schweiz ist zudem ein Einwanderungsland, da 25% der Bevölkerung eine ausländische Nationalität haben.

Vermögen ist mobil und insbesondere wohlhabende Menschen verlassen ein Land, wenn sie ihre Sicherheit und ihren Wohlstand gefährdet sehen. Werden neue Steuern oder Steuererhöhungen eingeführt, macht sich das besonders bemerkbar. In der Schweiz hat übrigens das Stimmvolk auch zum Thema Steuern das letzte Wort, da gegen Gesetze das Referendum ergriffen werden kann und auch regelmässig wird. Das überrascht aus ausländischer Sicht oft, steht aber auch für die Stabilität des Landes durch seine direkte Demokratie. Darüber hinaus ist die Steuerbelastung im international Vergleich moderat und stellt sicherlich einen zusätzlichen Anreiz für die Einwanderung dar.

Die Schweiz hat viele weitere Vorteile, die internationale Vermögensinhaber anziehen dürften. Die zentrale Lage in Europa, Sicherheit, ein hervorragende Infrastruktur und Verkehrsanbindung, renommierte Privatschulen, Effizienz der Verwaltung, allgemeine Verlässlichkeit und die hohe Lebensqualität sind einige Merkmale, die rein steuerliche Überlegungen in den Hintergrund drängen. Weiters besteht mit der Europäischen Union ein Abkommen zur Personenfreizügigkeit, sodass Europäer unkompliziert und schnell in der Schweiz Wohnsitz nehmen können.

Hill: Wie sieht die Wohnsitznahme für Nichteuropäer aus?

Schwingshackl: Das ist wesentlich schwieriger und erfolgt in der Regel über eine sogenannte Pauschalbesteuerung. Sofern man ein fiskalisches Interesse für einen Kanton, der Pauschalbesteuerung anbietet, darstellt, kann eine Wohnsitzberechtigung erteilt werden, wobei man keiner Erwerbstätigkeit in der Schweiz nachgehen darf. Die Steuerbasis berechnet sich dann nach den jährlichen Lebenshaltungskosten im In- und Ausland. Eine weitere Referenzgrösse sind die Kosten für Miete oder Unterkunft in der Schweiz, die mit bestimmten Faktoren multipliziert werden, um den höchsten Betrag als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

Für Nichteuropäer liegt die allerdings meistens höher, um dem fiskalischen Interesse des Kantons zu entsprechen. Die Steuerbemessungsgrundlage wird in der Praxis mit den Steuerbehörden erörtert und dann in einem verbindlichen Ruling festgehalten. Damit hat der Steuerpflichtige Planungssicherheit für mehrere Jahre.

Es findet dann jährlich eine sogenannte Kontrollrechnung statt und sollten Einkünfte in der Schweiz und solche, für die Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch genommen werden, die vereinbarte Bemessungsgrundlage übersteigen, erhöht sie sich entsprechend. Auch gibt es noch Modifikationen aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen mit bestimmten Staaten, die man berücksichtigen muss.

Mit entsprechender Planung lässt sich die Steuerbelastung aber verlässlich kalkulieren, sodass Drittstaatenangehörige auch vergleichsweise hohe Steuern in Kauf nehmen, da die Schweiz viele weitere Vorzüge bietet. 

Hill: Andere Staaten haben spezielle Residence By Investment und Golden Visa Programme, um wohlhabende Steuerzahler anzuziehen? Wie positioniert sich die Schweiz in diesem Bereich?

Schwingshackl: Neutral würde ich sagen. Die Zahl der Pauschalbesteuerten dürfte so bei 4’500 Personen liegen, was weniger als ein Promille der Steuerpflichten ausmacht. In den Kantonen Zürich, Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Basel Landschaft und Basel Stadt gibt es gar keine Pauschalbesteuerung. Steuerattraktivität für natürliche Personen ist vielmehr von lokaler Bedeutung, da die Kantone untereinander im Steuerwettbewerb stehen. Das fördert die Effizienz der Verwaltung und kommt somit der Bevölkerung zugute.

Das Thema wird aber gerne von den Medien aufgegriffen, da beispielsweise Formel 1 Fahrer unter Pauschalbesteuerung in der Schweiz leben. Es gibt hier kein Formel 1 Rennen, somit gehen sie in der Schweiz auch keiner Erwerbstätigkeit nach und damit bietet sich für diese Berufsgruppe der Steuerstatus der Pauschalbesteuerung an. Weiters dürften sie die Privatsphäre in der Schweiz schätzen, da man Prominenten hier mit Zurückhaltung begegnet.

Die von Ihnen genannten und entsprechend beworbenen internationalen Programme werden gerne aus rein steuerlichen Gründen in Anspruch genommen, wobei sich dann auch Ernüchterung einstellen kann, wann man dann im entsprechenden Land lebt. Es bringt noch keine Lebensqualität, lediglich Steuern zu sparen. Deshalb rate ich meinen internationalen Klienten stets, sich erst mit dem Land und den lokalen Begebenheiten vertraut zu machen, bevor man eine so weitreichende Entscheidung trifft.

Hill: Allerdings steht auch die Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb. Wie sehen Sie den Aspekt?

Schwingshackl: Die Positionierung der Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb zielt meines Erachtens auf eine andere Ebene ab. Man will internationale Unternehmen und wirtschaftliche Investitionen, die Arbeitsplätze und Wachstum schaffen, anziehen. Hier spielen Steuern in der Tat eine bedeutende Rolle, wobei aber auch noch weitere Standortfaktoren massgebend sind. So hat Google seinen Standort in Zürich mit 4’500 Mitarbeitern zum grössten Entwicklungszentrum ausserhalb der USA ausgebaut. Als ausschlaggebende Faktoren nennt man die Attraktivität der Schweiz als Arbeitsplatz, die Effizienz, die Nähe zu international führenden Hochschulen und die Steuerpolitik.

Nehmen wir Regulierung als weiteres Beispiel. Der Schweizer Gesetzgeber gilt als zurückhaltend und wirtschaftsliberal. Unternehmen können langfristig planen und ich sehe aktuell in meiner anwaltlichen Tätigkeit im Wealth Management eine vermehrte Nachfrage nach Gesellschaftsgründungen in der Schweiz. Von Vorteil ist insbesondere der klare rechtliche Rahmen sowie der Zugang zum Regulator und die Möglichkeit, Geschäftsmodelle zu erörtern und mit einem Ruling zu bestätigen. Man benötigt zudem Substanz und somit macht es Sinn, sich in ein international anerkanntes Ökosystem zu integrieren. Wenn ein Unternehmen international tätig ist, bringt eine Offshore Destination, die sicherlich günstiger als die Schweiz ist, regelmässig einen Reputationsnachteil mit sich.

Man erkennt den Standortvorteil auch bei digitalen Vermögenswerten und Blockchain Unternehmen. Die Schweiz hat ein weltweit führendes regulatorisches Rahmenwerk und das entsprechende Ökosystem, das internationale Unternehmen im Bereich anzieht.

Wenn ich mit ausländischen Unternehmern spreche, heben sie regelmässig die schweizerischen Standortvorteile wie Stabilität und Planungssicherheit hervor, die sie in ihrem aktuellen Umfeld vermissen. Vor diesem Hintergrund ist die Migration von Gesellschaften und Unternehmen in die Schweiz, die einmal mehr als sicherer Hafen wahrgenommen wird, nachvollziehbar.   

Hill: Wie bereiten Sie Vermögensinhaber auf die Wohnsitznahme in der Schweiz rechtlich vor?

Schwingshackl: Man analysiert die bestehende Vermögenssituation aus schweizerischer Sicht und des Wegzugslandes. Nach einer gründlichen Bestandsaufnahme werden die konkreten Auswirkung des Wohnsitzwechsels in beiden Ländern untersucht.

Im sogenannten Pre-Immigration Planning liegt der Fokus besonders auf erbrechtlichen Überlegungen. Da der lokale Wohnsitz eines Erblassers die Anwendung von Schweizer Recht bedingt, ergeben sich regelmässig Konfliktsituationen zwischen Rechtssystemen. Wenn man beispielsweise aus einem Land kommt, das keine Pflichtteilsberechtigung kennt, sollte man erbrechtliche Dokumente anzupassen, damit man eine Rechtswahl zum Recht seiner Nationalität rechtsgültig vornehmen und seinen letzten Willen entsprechend umsetzen kann.

Dies ist ein sehr guter Moment, um die Nachlassplanung umfassend zu regeln und entsprechende Vehikel wie Trusts, Stiftungen und Lebensversicherungen zu implementieren, da ein Testament allein in internationalen Konstellationen in der Regel zu kurz greift. Wenn neben Vermögen auch noch Begünstigte im Ausland verbleiben, gilt es in breiten Szenarien zu denken und vielfältige Lösungsansätze zu entwickeln. Weiters kann man auch gleich eherechtliche Fragestellungen überprüfen und allfällige Vereinbarungen treffen.

In einem nächsten Schritt kommen dann steuerliche Überlegungen zum Zug. Manche Länder sehen eine Wegzugbesteuerung vor oder knüpfen die Besteuerung trotz Wegzug des Steuerpflichtigen an bestimmte im Wegzugsland belegene Vermögenswerte an. Weiter zu berücksichtigen ist die zukünftige Besteuerung von internationalen Vermögenswerten und die allfällige Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen.

Daran anknüpfend wird der zukünftige steuerliche Rahmen in der Schweiz abgesteckt und allenfalls Vermögen entsprechend vor dem Zuzug strukturiert. Sie dürften es schon erwartet haben, auch hierzu werden regelmässig Rulings von den Schweizer Steuerbehörden eingeholt, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Bei der Gelegenheit wird auch der Rahmen der Vermögensverwaltung überprüft. Manche Investitionen können im neuen Umfeld nicht mehr zielführend sein und wenn man bisher nicht aus schweizerischer Sicht in der Vermögensplanung beraten war, können auch hier Anpassungen angezeigt sein. Seinen Vermögensverwalter hat man ja meistens bereits schon vor Ort. Dazu kommen noch praktische Fragen, wie beispielsweise ausländische Fahrzeuge oder die Verwaltung von ausländischen Immobilien.

Die Migration ist daher Teil eines grösseren Bildes, das Nachfolgeplanung, Steuerplanung und Vermögensplanung umfasst. Für Unternehmer ergeben sich noch zusätzliche Herausforderungen im Zusammenhang mit ihrer geschäftlichen Tätigkeit in einem internationalen Kontext, die man berücksichtigen muss.

Artikel teilen