Family Offices, Fonds­initia­toren und der Faktor „Brennende Leiden­schaft“ (Interview – Markus Hill, Thomas Caduff)

Caduff: Herr Hill, Sie haben sich in Deutschland über viele Jahre den Übernamen «Mr. Family Office» erarbeitet. Dies wäre heute wahrscheinlich schwieriger, weil es so viele Institutionen, Berater und Formate in diesem Segment gibt…

Hill: … und das ist sehr gut so. Völlig richtig, es gibt in diesem Feld viele inte­res­sante Persön­lich­keiten und Insti­tu­tionen, gerade auch Hoch­schulen und andere Bildungs­insti­tutionen, übrigens auch in der übrigen DACH-Region. Der Bereich Family Offices bildet sich ja in einer inte­res­santen Form von «Verästelung» ab. Bereiche wie Unter­nehmertum, Investments – direkt, indirekt, liquide und nicht liquide, Unter­nehmens­nachfolge, Gover­nance, Betei­ligungen, M&A – alle diese Facetten und mehr werden berührt in diesem Feld. Zusätzlich ergibt sich noch eine Nähe und eine Brücke zu Gebieten wie Fonds­boutiquen und Stif­tungen, Charity, Philan­tropie, Kunst und Politik. Jeder der Akteure, durch meine Brille als Volks­wirt betrachtet, fördert durch seine Akti­vitäten die Diffusion von Wissen und die Transparenz in diesem Feld. Man könnte sagen, dass diese Form von «Öko­system» wirkt sozu­sagen wohl­fahrtser­höhend für alle.

Caduff: Und Sie kennen alle wichtigen Player in diesem Gebiet?

Hill: Nein, natürlich nicht. Durch die vielen Panels, Inter­views, Inves­toren-Veran­stal­tungen und bei «internen Foren» und Direkt­kontakten in diesem Segment kennt man vielleicht über­durch­schnittlich viele Adressen – auf Family-Office-Seite wie auch auf der Seite der Anbieter von Dienst­leistungen in diesem Segment. Der Gedanken­austausch hier macht Freude. Die Vielfalt auch auf Anbieter­seite (Multi­pli­katoren, Forschung, Dienst­leister etc.). Allein die Vielzahl von Single Family Offices in den verschie­densten Varianten garantiert, dass man immer wieder inte­res­sante Adressen in diesem Segment kennen­lernt. Ein inte­res­santes Phänomen ist zudem, dass viele Adressen, die nach gängiger Defi­nition ein Single Family Office darstellen, dieses über­haupt nicht wahrnehmen. Ich hatte gerade diese Woche ein Telefonat mit einem Vertreter aus diesem Segment, die einen eigenen Asset-Mana­gement-Ansatz verfolgen und die eher über­legen, obwohl ausge­wiesener Investor in andere Anlage­klassen, ob man hier sozusagen auch Ross und Reiter nach aussen nennen sollte. Mit allen Vor- und Nachteilen: Entweder sich von Wissen abschneiden oder perma­nente Sales-Anrufe von Produkt­anbietern – im Extrem ausge­drückt.

Markus Hill, unabhängiger Asset Management Consultant
Markus Hill, unabhängiger Asset Management Consultant

Caduff: Sie beschäftigen sich aber auch intensiv mit kleinen und mittel­grossen Fonds­gesell­schaften. Macht Ihnen dies immer noch Freude? Die grossen Adressen decken ja alles ab.

Hill: Klasse statt Masse sollte hier zählen. Natürlich decken die grossen Asset Manager ein weites Feld ab. Natürlich gibt es auch dort exzellente Fonds­manager. Natürlich macht es mir viel Freude. Ich finde die Menschen in diesem Feld inte­ressant. In der Regel besitzen diese in einem Feld eine beson­dere Begabung («Gabe») in ihrem speziellen Feld und eine tiefe Leiden­schaft für das, was sie tun. Im Ideal­fall hat man einen Manager, von dem man so über­zeugt ist – unab­hängig von der tempo­rären Perfor­mance – dass man ihn mit Freude mit anderen inte­res­santen Markteil­nehmern in Kontakt bringt. Das kann in verschie­denen Stufen erfolgen – Presse («Abstands­marketing»), dann mittel­bare und unmittel­bare Kontakte. Richtig erfreulich ist es, wenn am Schluss Leute zueinander gefunden haben, die einander schätzen. Das ist völlig unab­hängig davon, ob beim ersten Kennen­lernen die jewei­ligen Dienst­leistungen (zum Beispiel Fonds, Advisory etc.) passen. Oft ist hier eher das Denken in langen Zeit­räumen, wie im Spezial­fonds­bereich, gefragt. Ehrlicher­weise muss man sagen, dass am Schluss der Ansatz und die Perfor­mance vom Manager stimmen müssen.

Caduff: Glauben Sie, dass es in naher Zukunft noch so viele ganz kleine Fonds­anbieter gibt?

Hill: Grundsätzlich glaube ich weiterhin an die Kreati­vität und Anpassungs­fähigkeit im Bereich der unab­hängigen Asset Manager. Es wird immer eine Nachfrage nach nicht-konzern­gebun­denen Experten mit hohem Spezia­lisie­rungs­grad und «Skin-in-the-Game-Anmutung» geben, die mit «brennender Leiden­schaft» ihren Interessen nachgehen. Unter­nehmer­persön­lich­keiten haben einen langen Atem, sind findig und flexibel. Natürlich findet fort­während eine Markt­berei­nigung auch in diesem Segment statt. Es gibt viele kleine Häuser, die sich auch jahrelang mit kleinen Volumen (AuM) halten, gerade an der Grenze des betriebs­wirt­schaftlich vertret­baren. Manche schaffen dann noch den Durch­bruch, weil sie zum Beispiel einen langen Atem und Kapital haben. Auch in diesem Markt gibt es ein ständiges Kommen und Gehen. Mir sagte einmal ein Buch­autor zum Themen­bereich Unab­hän­gige Vermö­gens­ver­walter: «Ich habe mit 100 verschie­denen Adressen gesprochen und habe 100 verschie­dene Geschäfts­konzepte gesehen.» Nischen­anbieter sind flexibel, zumindest wenn es in einem Markt statt­findet, der nicht wie das klassische insti­tutio­nelle Asset Mana­gement abläuft: Rechen­schieber, Perfor­mance­messung, Gremien­entscheid als Haupt­faktoren bei der Manager­auswahl.

Caduff: Wenn jemand einen Fonds aufsetzen will, was sind Ihre drei wichtigsten Ratschläge?

Hill: Einmal ohne Anspruch auf Voll­ständigkeit, wichtige Punkte könnten zum Beispiel sein:

  1. Irgendeine Form von «USP», zum Beispiel beson­dere Perfor­mance­historie, fachliche Exper­tise, Repu­tation, Netzwerk etc.
  2. Geduld, langer Atem, Freude am Austausch mit anderen Menschen oder bei der Gewinnung anderer Menschen zur Unter­stützung des eigenen Fonds­projekts (Multi­plika­toren, Netzwerk, Externe etc.)
  3. Finanzieller «Puffer», die Phase einer Seed-Money-Suche muss man über­stehen und die Zeit danach auch. Es kann – Praxis­erfahrung – genauso schwer sein, von Null auf drei Millionen Fonds­volumen zu kommen, wie danach von drei auf zehn Millionen zu kommen. Diese Phasen werden meiner Meinung nach häufig übersehen.

Man besitzt auch einen zentralen Vorteil, wenn man einen stand­festen Kern-Seeder hat. Ansonsten «zerbröseln» viele Projekte oder werden zu «Kaugummi-Projekten»: Endlos, zermürbend, am Schluss oft scheiternd. Ich rede hier bewusst von sehr kleinen Adressen. Bei Insti­tu­tionen (zum Beispiel Family Offices, Stiftungen etc.), die oft selbst zu Beginn Kern-Seeder sind, gibt es wieder ganz andere Fall­stricke in den nächsten Stufen, die man zuge­gebener­massen mit etwas strate­gischer Planung umgehen kann.

Caduff: Womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver?

Hill: Reguläre Beratungsmandate (Search, «Investoren­dialog»), wie üblich. Inte­ressan­ter­weise berühren sie hier derzeit stark die Bereiche Real Assets in liquider und nicht-liquider Form – Immo­bilien­entwickler sind inte­res­sante Unter­nehmer­persön­lichkeiten, Schnittstellen zum Single-Family-Office-Bereich sind oft gegeben. Ein weiteres Thema, was mich zudem derzeit stark inte­ressiert, ist das Thema Kapital­markt­exper­tise im Bereich Family Offices und Fonds­boutiquen. Ich schaue mir derzeit viele der Akteure und Publi­kationen in diesem Bereich an: HQ Trust, Eyb & Wallwitz, Flossbach von Storch, Lansdowne Partners Austria, DJE – um einige von vielen spannenden Adressen zu nennen. Es fällt auf, dass es hier sozusagen viele inte­ressante Experten gibt, die oft origi­nelle, unter­haltsame Publi­kationen, Kommentare mit Mehr­wert publi­zieren. Gerade bereite ich noch thema­tisch eine inte­ressante Veranstaltung im Nachgang auf, ein Interview und einigen fachlichen Gedanken­austausch mit Teil­nehmern und Dozenten. Der Hinter­grund: Ich hatte netterweise vor dem Shutdown im Herbst noch die Möglichkeit, an einer sehr inte­res­santen Family-Office-Jahres­tagung (Fach­seminare von Fürstenberg) im Kloster Eberbach im Rheingau als Gast teilzu­nehmen. Jetzt kommen ja die Weih­nachts­tage und die Tage zwischen den Jahren – da kann man hier wieder den Faden aufnehmen. Nach dem Geniessen der Feiertage natürlich!


Zur Person
Markus Hill ist seit Mitte 2005 unab­hän­giger Asset Mana­gement Consultant. Beruf­licher Hinter­grund sind u.a. Firmen wie SEB Bank (Marketing/Produkt­mana­gement, Invest­ment Banking) und Credit Suisse Asset Mana­gement (Vertrieb, Asset Mana­gement). Zu seinen Tätig­keits­feldern gehören die Betreuung von Mandaten im Marketing-, PR-Bereich und Fonds­selektion. Als ehe­maliger Head of Sales Publikums­fonds bei einer Invest­ment­bou­tique (Aktien und Renten) und in der externen Zusammen­arbeit mit einem Dach­fonds­manager stehen kleine- bis mittel­grosse Asset-Mana­gement-Firmen im Fokus seines Interesses. Zusätzlich beschäftigt er sich journa­listisch mit den Themen Fonds­boutiquen (fondsboutiquen.de) und Einsatz von Publikums­fonds bei Insti­tutio­nellen sowie mit der Thematik Ziel­fonds­auswahl bei Multi-Mana­gement-Ansätzen.

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Quelle: www..fundplat.com
Foto: www.pixabay.com

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