Caduff: Herr Hill, Sie haben sich in Deutschland über viele Jahre den Übernamen «Mr. Family Office» erarbeitet. Dies wäre heute wahrscheinlich schwieriger, weil es so viele Institutionen, Berater und Formate in diesem Segment gibt…
Hill: … und das ist sehr gut so. Völlig richtig, es gibt in diesem Feld viele interessante Persönlichkeiten und Institutionen, gerade auch Hochschulen und andere Bildungsinstitutionen, übrigens auch in der übrigen DACH-Region. Der Bereich Family Offices bildet sich ja in einer interessanten Form von «Verästelung» ab. Bereiche wie Unternehmertum, Investments – direkt, indirekt, liquide und nicht liquide, Unternehmensnachfolge, Governance, Beteiligungen, M&A – alle diese Facetten und mehr werden berührt in diesem Feld. Zusätzlich ergibt sich noch eine Nähe und eine Brücke zu Gebieten wie Fondsboutiquen und Stiftungen, Charity, Philantropie, Kunst und Politik. Jeder der Akteure, durch meine Brille als Volkswirt betrachtet, fördert durch seine Aktivitäten die Diffusion von Wissen und die Transparenz in diesem Feld. Man könnte sagen, dass diese Form von «Ökosystem» wirkt sozusagen wohlfahrtserhöhend für alle.
Caduff: Und Sie kennen alle wichtigen Player in diesem Gebiet?
Hill: Nein, natürlich nicht. Durch die vielen Panels, Interviews, Investoren-Veranstaltungen und bei «internen Foren» und Direktkontakten in diesem Segment kennt man vielleicht überdurchschnittlich viele Adressen – auf Family-Office-Seite wie auch auf der Seite der Anbieter von Dienstleistungen in diesem Segment. Der Gedankenaustausch hier macht Freude. Die Vielfalt auch auf Anbieterseite (Multiplikatoren, Forschung, Dienstleister etc.). Allein die Vielzahl von Single Family Offices in den verschiedensten Varianten garantiert, dass man immer wieder interessante Adressen in diesem Segment kennenlernt. Ein interessantes Phänomen ist zudem, dass viele Adressen, die nach gängiger Definition ein Single Family Office darstellen, dieses überhaupt nicht wahrnehmen. Ich hatte gerade diese Woche ein Telefonat mit einem Vertreter aus diesem Segment, die einen eigenen Asset-Management-Ansatz verfolgen und die eher überlegen, obwohl ausgewiesener Investor in andere Anlageklassen, ob man hier sozusagen auch Ross und Reiter nach aussen nennen sollte. Mit allen Vor- und Nachteilen: Entweder sich von Wissen abschneiden oder permanente Sales-Anrufe von Produktanbietern – im Extrem ausgedrückt.
Caduff: Sie beschäftigen sich aber auch intensiv mit kleinen und mittelgrossen Fondsgesellschaften. Macht Ihnen dies immer noch Freude? Die grossen Adressen decken ja alles ab.
Hill: Klasse statt Masse sollte hier zählen. Natürlich decken die grossen Asset Manager ein weites Feld ab. Natürlich gibt es auch dort exzellente Fondsmanager. Natürlich macht es mir viel Freude. Ich finde die Menschen in diesem Feld interessant. In der Regel besitzen diese in einem Feld eine besondere Begabung («Gabe») in ihrem speziellen Feld und eine tiefe Leidenschaft für das, was sie tun. Im Idealfall hat man einen Manager, von dem man so überzeugt ist – unabhängig von der temporären Performance – dass man ihn mit Freude mit anderen interessanten Markteilnehmern in Kontakt bringt. Das kann in verschiedenen Stufen erfolgen – Presse («Abstandsmarketing»), dann mittelbare und unmittelbare Kontakte. Richtig erfreulich ist es, wenn am Schluss Leute zueinander gefunden haben, die einander schätzen. Das ist völlig unabhängig davon, ob beim ersten Kennenlernen die jeweiligen Dienstleistungen (zum Beispiel Fonds, Advisory etc.) passen. Oft ist hier eher das Denken in langen Zeiträumen, wie im Spezialfondsbereich, gefragt. Ehrlicherweise muss man sagen, dass am Schluss der Ansatz und die Performance vom Manager stimmen müssen.
Caduff: Glauben Sie, dass es in naher Zukunft noch so viele ganz kleine Fondsanbieter gibt?
Hill: Grundsätzlich glaube ich weiterhin an die Kreativität und Anpassungsfähigkeit im Bereich der unabhängigen Asset Manager. Es wird immer eine Nachfrage nach nicht-konzerngebundenen Experten mit hohem Spezialisierungsgrad und «Skin-in-the-Game-Anmutung» geben, die mit «brennender Leidenschaft» ihren Interessen nachgehen. Unternehmerpersönlichkeiten haben einen langen Atem, sind findig und flexibel. Natürlich findet fortwährend eine Marktbereinigung auch in diesem Segment statt. Es gibt viele kleine Häuser, die sich auch jahrelang mit kleinen Volumen (AuM) halten, gerade an der Grenze des betriebswirtschaftlich vertretbaren. Manche schaffen dann noch den Durchbruch, weil sie zum Beispiel einen langen Atem und Kapital haben. Auch in diesem Markt gibt es ein ständiges Kommen und Gehen. Mir sagte einmal ein Buchautor zum Themenbereich Unabhängige Vermögensverwalter: «Ich habe mit 100 verschiedenen Adressen gesprochen und habe 100 verschiedene Geschäftskonzepte gesehen.» Nischenanbieter sind flexibel, zumindest wenn es in einem Markt stattfindet, der nicht wie das klassische institutionelle Asset Management abläuft: Rechenschieber, Performancemessung, Gremienentscheid als Hauptfaktoren bei der Managerauswahl.
Caduff: Wenn jemand einen Fonds aufsetzen will, was sind Ihre drei wichtigsten Ratschläge?
Hill: Einmal ohne Anspruch auf Vollständigkeit, wichtige Punkte könnten zum Beispiel sein:
- Irgendeine Form von «USP», zum Beispiel besondere Performancehistorie, fachliche Expertise, Reputation, Netzwerk etc.
- Geduld, langer Atem, Freude am Austausch mit anderen Menschen oder bei der Gewinnung anderer Menschen zur Unterstützung des eigenen Fondsprojekts (Multiplikatoren, Netzwerk, Externe etc.)
- Finanzieller «Puffer», die Phase einer Seed-Money-Suche muss man überstehen und die Zeit danach auch. Es kann – Praxiserfahrung – genauso schwer sein, von Null auf drei Millionen Fondsvolumen zu kommen, wie danach von drei auf zehn Millionen zu kommen. Diese Phasen werden meiner Meinung nach häufig übersehen.
Man besitzt auch einen zentralen Vorteil, wenn man einen standfesten Kern-Seeder hat. Ansonsten «zerbröseln» viele Projekte oder werden zu «Kaugummi-Projekten»: Endlos, zermürbend, am Schluss oft scheiternd. Ich rede hier bewusst von sehr kleinen Adressen. Bei Institutionen (zum Beispiel Family Offices, Stiftungen etc.), die oft selbst zu Beginn Kern-Seeder sind, gibt es wieder ganz andere Fallstricke in den nächsten Stufen, die man zugegebenermassen mit etwas strategischer Planung umgehen kann.
Caduff: Womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver?
Hill: Reguläre Beratungsmandate (Search, «Investorendialog»), wie üblich. Interessanterweise berühren sie hier derzeit stark die Bereiche Real Assets in liquider und nicht-liquider Form – Immobilienentwickler sind interessante Unternehmerpersönlichkeiten, Schnittstellen zum Single-Family-Office-Bereich sind oft gegeben. Ein weiteres Thema, was mich zudem derzeit stark interessiert, ist das Thema Kapitalmarktexpertise im Bereich Family Offices und Fondsboutiquen. Ich schaue mir derzeit viele der Akteure und Publikationen in diesem Bereich an: HQ Trust, Eyb & Wallwitz, Flossbach von Storch, Lansdowne Partners Austria, DJE – um einige von vielen spannenden Adressen zu nennen. Es fällt auf, dass es hier sozusagen viele interessante Experten gibt, die oft originelle, unterhaltsame Publikationen, Kommentare mit Mehrwert publizieren. Gerade bereite ich noch thematisch eine interessante Veranstaltung im Nachgang auf, ein Interview und einigen fachlichen Gedankenaustausch mit Teilnehmern und Dozenten. Der Hintergrund: Ich hatte netterweise vor dem Shutdown im Herbst noch die Möglichkeit, an einer sehr interessanten Family-Office-Jahrestagung (Fachseminare von Fürstenberg) im Kloster Eberbach im Rheingau als Gast teilzunehmen. Jetzt kommen ja die Weihnachtstage und die Tage zwischen den Jahren – da kann man hier wieder den Faden aufnehmen. Nach dem Geniessen der Feiertage natürlich!
Zur Person
Markus Hill ist seit Mitte 2005 unabhängiger Asset Management Consultant. Beruflicher Hintergrund sind u.a. Firmen wie SEB Bank (Marketing/Produktmanagement, Investment Banking) und Credit Suisse Asset Management (Vertrieb, Asset Management). Zu seinen Tätigkeitsfeldern gehören die Betreuung von Mandaten im Marketing-, PR-Bereich und Fondsselektion. Als ehemaliger Head of Sales Publikumsfonds bei einer Investmentboutique (Aktien und Renten) und in der externen Zusammenarbeit mit einem Dachfondsmanager stehen kleine- bis mittelgrosse Asset-Management-Firmen im Fokus seines Interesses. Zusätzlich beschäftigt er sich journalistisch mit den Themen Fondsboutiquen (fondsboutiquen.de) und Einsatz von Publikumsfonds bei Institutionellen sowie mit der Thematik Zielfondsauswahl bei Multi-Management-Ansätzen.
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