„Die langfristige Unternehmensrentabilität steht im Vordergrund für die Investmententscheidung, nicht der täglich veröffentlichte Aktienkurs“ (Interview – Prof. Dr. J. Carlos Jarillo)

Institutionelle Investoren beobachten seit Jahren das verstärkte Auftreten von unabhängigen Asset Managern („Fondsboutiquen“). Die Value-Investoren unter diesen eigentümergeführten Unternehmen haben oft einen ganz eigenen Blick auf die Auswahl von Investments. Markus Hill sprach für IPE Institutional Investment mit dem ehemaligen Strategie-Professor Dr. J. Carlos Jarillo von der SIA Funds AG über Themen wie Konkurrenzanalyse, Strategie und den Faktor Geduld.

Hill: Sie haben einen profunden internationalen akademischen Hintergrund mit Lehrpraxis und managen seit Jahren erfolgreich Aktienfonds. Mit welchem Bereich haben Sie sich ursprünglich in der Theorie intensiv beschäftigt?

Jarillo: Ich hatte schon immer ein ausgeprägtes Interesse an allen Fragestellungen, die den Themenbereich Unternehmensstrategie berührt haben. Dies war auch einer der Gründe, warum ich meinen PhD an der Harvard Business School gemacht habe. Harvard stach in diesem Feld hervor, die Vorlesungen von Michael Porter im Bereich Wettbewerbsanalyse hatten mich damals zusätzlich in meinem Interesse bestärkt. Eine Fragestellung hatte mich in dieser Zeit stark beschäftigt: Wie kann es sein, dass ein Unternehmen A profitabler als Unternehmen B sein kann, obwohl beide in derselben Branche tätig sind? Interessant war es, im Laufe der Zeit genau herausarbeiten zu können, worin das „Erfolgsrezept“ von Unternehmen A liegen kann. Im Laufe meiner späteren Karriere konnte ich feststellen, dass diese Informationen beim Managen von Portfolios sehr wertvoll sein können.

Hill: Welche Schlüsse haben Sie aus Ihrer akademischen Zeit für die Praxis geschlossen?

Jarillo: Während meiner Zeit als Professor für Unternehmensstrategie habe ich immer den aktiven Dialog mit Unternehmen aus den verschiedensten Industrien gepflegt. Eine Erkenntnis aus dem intensiven Austausch mit den „Praktikern“ war, dass oft das eine gesagt wird und das andere getan wird. Gerade wenn man sich verstärkt mit Themen wie Fusionen, finanziellen Anreizsystemen für Management und Rentabilität beschäftigt, kann man zu interessanten Schlüssen kommen. Dinge die offiziell verlautbart werden zur Begründung von unternehmerischen Entscheidungen mit großer Tragweite für die Zukunft von Unternehmen, können unter Umständen abweichen von inoffiziellen Ansichten von Entscheidern. Wenn man solche Dinge häufig beobachtet hat, betrachtet man auch als Value Manager die Welt mit anderen Augen. Die Themen Wettbewerb und Rentabilität gewinnen an Bedeutung, beispielsweise oft weit hinausgehend über die klassischen Gedanken zum Thema „economic moat“. Verlässt man vielleicht ausgetretene Pfade, kommt man unter Umständen zu alternativen Investmententscheidungen. Auch diese Gedanken hatten mich damals zum Wechsel in die Praxis motiviert.

Hill: In einem Buch von Ihnen, das in einer Rezension als praxisorientierte Ergänzung zu Michael Porter’s Standardwerk bezeichnet wurde, betonen Sie den Begriff „Strategische Logik“. Was genau bedeutet der Schluss von der „Strategischen Logik“ zur Maxime „Strategisches Investieren“? In welchem Zusammenhang stehen Unternehmertum und Investment?

Jarillo: Mein Gedanke war, dass es für den strategischen Investor wichtig ist, vorab strategisch gut positionierte Unternehmen von strategisch schlecht positionierten Unternehmen zu unterscheiden. Ist man nun als Value Investor in der Lage, ein solches gut positioniertes Unternehmen noch zu einem sehr attraktiven Preis zu kaufen, nenne ich dies „Strategisches Investieren“. Dabei ist wichtig, sich mental als Besitzer dieses Unternehmens zu verstehen und nicht als Spekulant. Diese Denkweise ist für mich der „Ownership Approach“, man findet diesen in ausgeprägter Form bei unternehmerisch tätigen Investoren beziehungsweise bei vielen Family Offices. Eigentlich kann man diesen Ansatz auch losgelöst von der Investmenthülle betrachten. Direktinvestments, Beteiligungen oder auch Fondsvarianten, die von klassischen, liquiden Investmentfonds abweichen, können ähnlich beurteilt werden. Die langfristige Unternehmensrentabilität steht im Vordergrund für die Investmententscheidung, nicht der täglich veröffentlichte Aktienkurs: Vom „Casino-Anleger“ zum klassischen Value Investor!

Hill: Portfolio-Investments in langfristig attraktive Unternehmen sind ein Grundstein für überzeugende Performance, Risikomanagement stellt einen anderen Erfolgsfaktor dar. Welche Bedeutung hat Diversifikation im Portfolio bei Investoren im Bereich des Value Investing?

Jarillo: Hier besteht meiner Ansicht nach häufig ein Missverständnis bei manchen Investoren. Man müsste hier vielleicht zwei Motivebenen betrachten. Auf der einen Seite streue ich als Investor im Portfolio meine Risiken zum Beispiel auf aktive Fonds, passive Fonds und Liquidität. Hiermit bediene ich bereits eine Risikomanagement-Ebene. Der Normalfall ist, dass die Voraussage im jeden Fall schwer fällt, welche der beiden Managementansätze im jeweiligen Jahr „gewinnt“. Auf der anderen Seite sollte sich der Investor klar bewusst sein, dass er im Bereich der Value-Fonds häufig auf sehr konzentrierte Portfolios stößt. Risikomanagement wird hier oft innerhalb des Fonds auch dadurch betrieben, dass man die eigenen, wenigen Werte sehr intensiv, „konzentrierter“ verfolgt und bei Handlungsbedarf zeitnah reagiert. Auf der Gesamtportfolio-Ebene ist der Investor gut beraten, auch seine Investments möglicherqweise auf verschiedene Value-Fonds mit anderen Management-Anstätzen zu streuen. Wie beim „Rennen“ von Aktiv vs. Passiv weiß man auch hier nicht, wer am Jahresende die Nase vorn hat.

Hill: Casino-Mentalität und Gier gegen Geduld, Gelassenheit und Langfristdenke – sind Value Investoren langfristig die erfolgreichen Investoren?

Jarillo: Meine Meinung ist, dass Value Investing ohne langfristigen unternehmerischen Denkansatz nicht funktioniert. Allein die kurzfristige Volatilität in verschiedenen Value Fonds zeigt, dass große Überzeugung und Geduld gefragt sind. Gelingt es dem Fondsmanager, die Investoren verstärkt für die Investments in einen „Köcher“ von exzellent positionierten Unternehmen zu gewinnen, ist ein Grundstein für den Erfolg gelegt. Wenn klar kommuniziert wird, dass die aktuelle, volatile Börsenbewertung nicht täglich Handlungsbedarf signalisiert, dann ist oft Ruhe und Gelassenheit die Folge beim Investor. Diese Gelassenheit zeichnet viele langfristig erfolgreiche Investoren aus. Man staunt, dass dieses Anlegerverhalten im Segment der Immobilien-Investments durchaus üblich ist. Ich sage nicht, dass Fondsmanager sich immunisieren sollen gegen neue Informationslagen. Was ich sage ist, dass man die neuen Informationen danach bewertet, ob die ursprüngliche Bewertung des Investments noch der ursprünglichen fundamentalen Bewertung entspricht und ob es auch neue, temporär unterbewertete „Schnäppchen“ am Markt gibt. Vor diesem Hintergrund muss ich – als Value Manager zugegebenermaßen befangen – sagen: Value Investoren haben langfristig die Nase vorn!

Hill: Ihr Standpunkt ist klar. Natürlich führen viele „Investmentwege“ nach Rom. Das Universum von Möglichkeiten (Aktiv, Passiv, Value, Growth etc.) ist groß. In Frankfurt finden auch in diesem Frühling und Sommer diverse Value Investing-Events statt. Zum einen tragen Sie in Frankfurt vor, zum anderen gibt es auch dieses Jahr wieder die ACATIS Value Konferenz in Frankfurt (29.5.2015) und die Value Intelligence Conference in München (11.6.2015). Viele Value-Boutiquen führen ebenfalls Roadshows in Frankfurt und München durch. Wettbewerb belebt das Geschäft. Vielen Dank für das Gespräch.


Veranstaltungshinweis: Frankfurt am Main, 5.5.2015: Vortrag von Prof. Dr. J. Carlos Jarillo zum Thema „Strategic Investing“ (Konkurrenz-Analyse als Kernstück der Unternehmens-Analyse), Kurzintro „Value Investing, Fondsboutiquen und Unabhängigkeit“ (Markus Hill)

Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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