Themen wie ESG, SRI, Impact Investing und Fondsboutiquen haben Langfristcharakter. Vor dem Hintergrund von COVID-19 scheinen sich Prioritäten in der aktuellen Diskussion zu verschieben. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Anton Bonnländer, Advisor für die Bank für Sozialwirtschaft AG, über die aktuelle Situation und Impressionen bei Produktentwicklung, Due Diligence und Fundraising im Bereich nachhaltiger Investments. Themen wie Seed Money, Skin-in-the Game, Kitesurfen, Rockbands und Social Distancing runden hier das gegenwärtige Stimmungsbild ab.
Hill: Die aktuelle Diskussion kreist sehr stark um COVID-19, die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft sowie auf die Börsen dieser Welt. Niemand kann heute die Auswirkungen dieser Pandemie greifen. Dies impliziert eine sehr monothematische Sicht auf unsere Gesellschaft und Wirtschaft und führt ebenfalls zu einer wahrnehmbar abnehmenden Risikobereitschaft im Anlagebereich. Inwieweit ist damit das Thema ESG und Impact Investment überhaupt noch aktuell? Vor allem, bricht die gerade angesprungene Attraktivität, die auch zu vielen Neuausrichtungen bei den Produktanbietern geführt hat, wieder in sich zusammen?
Bonnländer: Interessant ist schon, wie die Corona-Pandemie derzeit alle anderen Problemthemen in der öffentlichen Diskussion scheinbar mühelos verdrängt. Ich sage ganz bewusst „scheinbar“, denn tatsächlich schärft die aktuelle Notsituation den Blick vieler auch auf andere Krisenherde: Unterfinanzierungen/Strukturschwächen im Gesundheitswesen, Unzulänglichkeiten der digitalen Infrastruktur, Resilienz-Defizite bei Versorgungs- und Lieferketten, notwendiges Umdenken bei Transportsystemen und Mobilitätsgewohnheiten, Unstimmigkeiten im Sozialsystem – um nur einige Themen zu nennen. Interessanterweise führt der „Shutdown“ in den großen Volkswirtschaften zu einer Verbesserung der „Umweltqualität“, zu einem anderen Blick auf die „Welt nach der Pandemie“. Dieser Sachverhalt geht einher mit der Frage „Lassen sich die finanziellen Mittel, die jetzt zur Krisenbewältigung eingesetzt werden, nicht auch mit einer nachhaltigen Investition verknüpfen?“ Ich meine, der Blick auf die eine Katastrophe eröffnet auch Erfindungsgeist und soziale Motivation, wie man andere Problemfelder quasi in einem Zug mit bewältigen könnte. Weltweit wird hier sehr viel Kapital verfügbar gemacht, das vorher von der Politik, wenn überhaupt, eher nicht für sinnvolle Investitionen verplant wurde. Von daher ist das Thema ESG und Impact Investing hochaktuell. Wir werden mit der Pandemie klarkommen, sie wird abschwellen. Die gravierenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Fragen, die in den 17 SDGs der UN erfasst sind, bleiben aktiv und wollen gelöst werden. Die globale Betroffenheit durch die Pandemie baut vielleicht auch die erforderlichen Brücken, hier auf internationaler Ebene stärker zusammen zu kommen. Also, erstens – es wird Kapital fließen und zwar in neue Investitionsfelder mit Renditeperspektiven. Strukturkrisen waren auch immer Chancen. Und zweitens: Hinsichtlich der Kapitalmärkte bietet die Krise für mich als „Anlagemensch“ die Chance, die Resilienz von nachhaltigen Anlagelösungen bei exogenen Schocks im Vergleich zu konventionellen, rein renditegetriebenen – und oft umweltschädigenden – Investitionsmöglichkeiten zu analysieren. Erste Ergebnisse zeigen mir, dass ESG-Investments zumindest nicht stärker fallen als der Markt, viele ESG-Portfolios verloren sogar deutlich weniger. Sobald ich das hinreichend verifiziert habe, werde ich meine Ergebnisse zugänglich machen.
Hill: Sie haben als Bank, „ESG-Boutique“, vorwiegend nachhaltige Publikumsfonds im Angebot. Gleichzeitig entwickeln Sie Impact-Investments für den kleineren Kreis, für professionelle und semi-professionelle Investoren. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gesammelt? Welche Hinweise und Tipps können Sie bei der Produktkonzeption geben? Welche Fehler sollte man vermeiden?
Bonnländer: Spannende Frage! Auch hier zeigt Corona wie im Brennglas die schon vorher bestehende Notwendigkeit zum Beschreiten neuer Wege auf. Wir betrachten uns auch als eine Art ESG-Boutique, viele Fondsboutiquen in dem Segment stellen sich in Köln im Bereich Fondsselektion vor. Klinkenputzen, Besuchstermine bei großen potenziellen Investoren in der Startphase einer neuen Produktidee, um Seed Money einzusammeln, sind derzeit schlicht nicht möglich, ja sogar verboten. In der Bank für Sozialwirtschaft war ich einige Jahre auch auf der Seite des „Produktentscheiders“. Da werden Sie mit Terminwünschen überhäuft, lästige Präsentationen werden geschickt und die Rollen sind meist von vorneherein klar verteilt. Diese Gespräche sind meist von „Verkaufs-Druck“ statt von „Interesse-Sog“ geprägt. Selten gelang es den Gesprächspartnern, dies umzukehren. Derzeit ist also die digitale Kommunikation das Gebot der Stunde! Damit kann ich „Sog“ erzeugen. Aufmerksamkeit auf das eigene Haus lenken, ohne gleich in lästige Werbetrommelei zu verfallen. Informationen mit Mehrwert für den Informationsempfänger zur Verfügung stellen – das baut Kompetenz, USPs und Neugier auf den Gesprächspartner auf. Je komplexer die Produkte werden, umso wichtiger sind auch notwendige Vorarbeiten. Pre-Market-Sounding sollte sich auch auf die Situation eines potenziellen Investors fokussieren. Was sucht mein potenzieller Partner? Welche Regulatorik muss er einhalten? Welches Anlagevehikel ist für ihn am leichtesten investierbar? Wieviel administrative Energie kostet den Investor meine Produktidee? Wie kann ich seinen Neue-Produkte-Prozess erleichtern? Welche Argumente kann ich für die hausinterne Produktdiskussion zur Verfügung stellen? Braucht er wirklich den 17. Rentenfonds, der im Euroraum investiert? Auch das ehrliche Aufzeigen von Produktnachteilen in bestimmten Marktphasen zeigt Transparenz und schafft Vertrauen. Weitere vertrauensbildende Maßnahmen sind eigenes „Skin-in-the-Game“ oder nationale beziehungsweise supranationale Garantiegeber, die das Investitionsrisiko mindern. Interessant sind auch produktferne Informationen, die Gemeinsamkeiten in der Firmenphilosophie aufzeigen, die besondere Kompetenzen untermauern, Track-Records bei anderen Produkten, das Aufzeigen von positiven Veränderungen in eigenen Prozessen. Auch Information-on-Demand und nicht produktbezogene Calls-to-Action bilden Nähe und damit die Basis für erfolgreiche persönliche Gespräche. Derzeit finden diese eher in Webinar-Format oder über Videokonferenzen statt. Persönlich bin ich gespannt, wann wir endlich wieder Roundtables, Face-to-Face-Gespräche, Konferenzen und Kundenveranstaltungen durchführen können. Das fehlt mir persönlich in der heutigen Zeit am meisten! Ich mache das gerne, ich habe gerne Menschen um mich – je mehr je besser. Mir fehlt der persönliche Austausch schon sehr. Gerade bei Veranstaltungen mit kritischen Zuhörern und den anschließenden Diskussionen über Details habe ich oft viele Anregungen mitgenommen. Das hilft uns ja auch, bei bestimmten Details nachzuschärfen, wenn wir neue Produktideen entwickeln.
Hill: Was machen Sie persönlich „an Tagen wie diesen“, um eine Liedzeile der Toten Hosen zu zitieren? Die soziale Distanzierung führt ja bei vielen Menschen zu großen Veränderungen im persönlichen Umfeld. Was beschäftigt Sie derzeit intensiver?
Bonnländer: Ich kite sehr gerne und spiele in einer Rockband. Von daher bauen Sie mir mit den Toten Hosen eine schöne Brücke – denn für diese Hobbies ist momentan leider tatsächlich „tote Hose“. Wenn ich heute ans Ijsselmeer fahren wollte – tolles Wetter und oft gute Windverhältnisse – so würde ich wahrscheinlich schon am Grenzübergang zu den Niederlanden scheitern. Es gibt keine Übernachtungsmöglichkeiten in der Nähe der dortigen Kite-Spots, alle Restaurants sind geschlossen. Hier spüre ich schon sehr deutlich, wie die Pandemie bisherige Selbstverständlichkeiten plötzlich in Luft auflöst. Mit Joggen und Mountainbike fahren halte ich mich derzeit in Form – mein „Hähnchenhügel“ hat sich leider trotzdem etwas stärker ausgebildet und die Waage zu Hause unterstreicht den optischen Eindruck auf grausame objektive Art und Weise. Auch das gemeinsame Musizieren mit meiner Band in der Eifel fällt zurzeit leider flach. Dort haben wir einen tollen Proberaum und können richtig Gas geben, ohne jemanden akustisch zu belästigen.
Aber es macht keinen Sinn – Social Distancing ist einfach momentan das Gebot der Stunde. Also übe ich in meiner Freizeit derzeit zu Hause, in niedriger Zimmerlautstärke oder mit Kopfhörer. Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir bald wieder mehr Freiraum gewinnen. Von daher, bleiben Sie alle gesund, es kommen auch wieder bessere Zeiten!
*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com
Link zur Bank für Sozialwirtschaft Aktiengesellschaft https://www.sozialbank.de
Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com