Kommentar: Fondsboutiquen und konzerngebundene Asset Manager im In- und Ausland

„Man sollte keine Eulen nach Athen tragen“, im übertragenen Sinne auf die Fondsindustrie würde das wohl bedeuten, dass viele Neuigkeiten keinen Neuigkeitswert hätten. Mehr als neue Produkte, Investmentsätze gibt es häufiger, eine Wiederkehr von Altbekanntem in neuem Outfit. Fondsvertrieb, Kommunikation bewegen sich interessanterweise auch in In- und Ausland oft in ähnlichen Bahnen.

Viele Phänomene aus der Fondsindustrie ließen sich mit etwas Abstraktionsvermögen leicht auf andere Industrien übertragen, ein mögliches Fazit: Hat man ein Produkt mit „schlechten“ bis „mittelprächtigen“ Eigenschaften, so hat man Schwierigkeiten bei Kommunikation und Absatz! („Mittelprächtig“ und „schlecht“ sind wertfrei zu betrachten, einfach als Statthalter für „im Vertrieb kontinuierlich schwer vermittelbaren „Added Value“ für den institutionellen Investor – viele Kundenansprachen, viel Rechtfertigungsargumentation, ausgeprägtes, langfristiges Desinteresse seitens Fondsselektoren). Eine einfache Wahrheit, die auch für die Asset Management-Industrie gilt, wo bekannter weise – auch in der Natur der Sache liegend – nicht nur exzellente Fondsmanager den Markt bestimmen.

Fairerweise ist anzumerken, dass die zum Beispiel die Peitsche der Transparenz im Fondsgeschäft den Anbietern das Leben schwer macht. Ziehen betroffene in- und ausländische Asset Manager oft Konsequenzen aus der Positionierung im hart umkämpften Markt bei der Geschäftsstrategie oder im Bereich der Kommunikation mit Investoren?

Haken und Ösen im Vertrieb – Problemstellung bei betroffenen Asset Managern

Fondsboutiquen- und konzerngebundene Asset Manager kämpfen mit den Problemen Transparenz, Fixkostenblock und mit dem Verteilungsproblem der „Ressource überdurchschnittliche Portfolio-Manager-Skills“. Diese Themenfelder besitzen jeweils verschiedene Gewichtungen in verschiedenen Organisationsformen. Institutionelle Investoren können sich oft in Ruhe zurücklehnen und diverse Informationsquellen nutzen (Hitlisten, Rankings, Ratings, Consultants, Datenbanken etc.), viele Aktivitäten die heute im Sales-Bereich bei Fondsgesellschaften praktiziert werden, würden wahrscheinlich neu überdacht werden („Zero Base Budgeting“), wenn vielleicht nicht auch einige sachfremde Erwägungen bei der Aufrechterhaltung bestehender Strukturen indirekt wirken würden.

Warum soll nach wie vor ein größerer Mitarbeiterstab Vertrieb betreiben, wenn die Zeiten des „Kurzfrist-Performanceverkaufs“ aufgrund von Transparenz und Selektorenprofessionalität vorbei sind? Wenn ich als Anbieter nicht bei den oberen 10 % zu finden bin bzw. nicht das Potenzial habe, auf mittlere Sicht hier aufzuschließen – über welches Thema kann ich mich dann sinnvollerweise mit einem institutionellen Investor unterhalten?

Typische Fallstricke für in- und ausländische Portfoliomanager

a) “Don’t call us, we call you!”
Spricht man zum einen mit institutionellen Investoren im direkten Gespräch („Produkt-Feedback“) oder bei Branchenveranstaltungen im In- oder Ausland, so finden sich kaum Unterschiede in der Wahrnehmung von Managementexpertisen wieder. Häuser mit exzellenter Performance und interessantem Ansatz (Kontinuität!) – ein willkommener Aufhänger für den direkten Dialog. Häuser mit „mittelprächtiger“ bis „schlechter“ Performance und Expertise – zäher Dialog, kaum Mehrwert im Gespräch, in Teilen bei direkter Ansprache durch Vertrieb bei den Investoren als „Ärgernis, Belästigung, Zeitverschwendung“ (Originalzitate: Family Office, Versorgungswerk, Private Banking-Fondsselektion) angesehen: „Don’t call us, we call you!“ – eine Einstellung mancher Investoren, die das Leben für den Vertriebler eines fußkranken Produkts nicht leichter macht. Unverschuldet bekommt hier Sales die Prügel dafür, dass die Fondsgesellschaft vielleicht bei der Produktkonzeption die Hausaufgaben nicht gemacht hat bzw. dass der Manager nicht nur kurz- bis mittelfristig eine Schwächephase hat. Ein Völker verständigendes Element ist hier vielleicht zu finden: Der in- und ausländische Vertriebsmann durchleben denselben Schmerz!

b) Kontinuität bei „mittelprächtiger“ bis „schlechter“ Performance
Es ist verständlich, wie in vielen Industrien, dass Organisationen ihr Eigenleben entwickeln. Wenn ein Sales-Apparat eine gewisse Größe entwickelt hat, muss Auslastung her. Man vergisst oft dabei, dass es exzellente Sales-Leute gibt, die jedoch selbst bei bestem Netzwerk und Goodwill im Investorenbereich nicht Wasser zu Wein machen können. Wenn das Produkt, der Manager, die Performance keinerlei Mehrwert im Dialog mit institutionellen Investoren erbringt, dann bekommt der Sales-Mitarbeiter im Zweifelsfalle viele Höflichkeits- und Kaffeegespräche, aber keine Tickets.

Fairerweise muss man sagen, dass viele Auftraggeber mit der Tonnage-Ideologie „Termine, Termine, Termine“ zum einen das Prospekt-Netzwerk Institutionelle Investoren weit über Gebühr belasten können. Bis hin zum Effekt, dass der eine oder andere Entscheider schon bei Kontaktaufnahme des entsprechenden Sales-Mitarbeiter bzw. wenn er den Namen des Asset Managers hört, sagt: „Bitte nicht durchstellen, dass ist der, der immer mit den fußkranken Produkten kommt!“

Umgekehrt kann ein Boomerang für den Asset Manager daraus entstehen: Die eigene Sales-Force produziert schöne, viele Gesprächsprotokolle, die scheinbar großes Potential für den Arbeitgeber versprechen – bei laufender Gehaltszahlung kann während dieser Phase der Mitarbeiter in Ruhe nach einem neuen Arbeitgeber mit attraktiverer Performance/Expertise suchen, wo vielleicht zusätzlich auch eine Bonuszahlung in Reichweite gerät.

Eine interessante Frage an dieser Stelle, unterstellt, dass Produkte von Mitbewerbern in der gleichen Kategorie durchaus „gekauft“ werden: Kontaktiert ein Mitarbeiter aus dem Sales-Bereich in einem bestimmten Zeitraum zum Beispiel 200 Investoren und erhält durchgängig abschlägige Antworten – wer trägt hier Verantwortung? Das Portfolio-Management aufgrund von „mittelprächtiger“ Leistung? Die Führungskraft oder der Unternehmenseigner, der den Sales-Mitarbeiter eingestellt hat und nach diesen 200 Versuchen plötzlich die Einsicht zur verspüren scheint, dass der Mitarbeiter keine ausreichenden vertrieblichen Fähigkeiten besitzt? Wie soll ein angestellter Mitarbeiter seinem Arbeitgeber gegenüber die Botschaft „verkaufen“, dass sein Produkt unattraktiv für institutionelle Investoren ist? Ein Thema, dass bestimmt zu engagierten und kontrovers geführten Mitarbeitergesprächen und Sales-Team-Meetings viele Inhalte bietet. Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit und auch Kritikfähigkeit von Führungskräften und Fachkräften können hier ein gutes Testfeld finden.

c) „Hausarbeiten Markteintritt“ – indirekte Vorgehensweise und Mangel an Effizienz
Viele Fehltritte im Bereich der Marktbereitung bei in- und ausländischen Asset Managern haben häufig einfache Gründe. Ein Produkt ist auf der „grünen Wiese“ konzipiert worden, jetzt muss der Vertrieb damit leben – und womöglich auch der völlig desinteressierte Investor. Unrealistische Erwartungen bei der Fondsauflage – wenn die Manager zu Beginn zum Beispiel die ersten fünf Millionen investiert haben, dann wird auch der Rest beim Fundraising klappen. Bei ausländischen Asset Managern auch eine beliebte Vorgehensweise: Besuche einmal ein paar Fachkonferenzen, spreche mit ein paar Mitbewerbern (da viele Fachkonferenzen gerade wenig Investorenpräsenz aufweisen – „mehr Jäger als Wild“) und versuche dann per Zufallsprinzip in verschiedenen Zielmärkten Investoren per Telefon zu kontaktieren, um irgendwie Termine zu bekommen. Auch eine Vorgehensweise, die ab und an Treffer landet. Opportunismus versus strukturierte Marktbearbeitung, häufig anzutreffen, aber in der Regel nicht das Verschulden des jeweiligen Sales-Mitarbeiters: „Gehe einmal nach Deutschland, Schweiz, Österreich und mache Umsätze. Dann erhältst Du Budget, um diese Märkte systematisch und nachhaltig zu bearbeiten“, so könnte die inoffizielle Strategie bei einigen ausländischen Asset Managern beschrieben werden. Die Ergebnisse sprechen oft für sich: Ein paar Telefonate, ein paar Termine, danach die Meinung, dass beispielsweise Deutschland doch ein sehr schwerer Markt zu sein scheint. Schade, da auf diese Weise viele gute Asset Manager nie auf dem Radar der Investoren erscheinen, wo diese wirklich einen Mehrwert bieten könnten.

Es könnte sehr einfach sein: Man kontaktiert beispielsweise vorher (!) eine bestimmte Anzahl von Zielinvestoren, von denen man sich ein ungeschminktes Feedback einholt: Ja, Nein, Vielleicht – oft effizienter, direkter, zielführender als reines Trial-and-error-Verfahren. Mit der Gefahr natürlich, dass man ein klares Nein erhalten kann. Kann der in- und ausländische Produktanbieter damit leben?

Fallstricke – gibt es ein Patentrezept zur Vermeidung?

Vorab gesagt, natürlich gibt es kein Patentrezept. Ganz einfach gesprochen, der Autor ist sich hier seinen eigenen Erkenntnisgrenzen durchaus bewusst: Eine Konsequenz könnte sein, dass man sein Geschäftsmodell ändern, die Kommunikation oder das eigene Netzwerk anders nutzt. Der Druck auf viele Asset Manager wird zudem auch wegen der Regulierung zunehmen. Geschäftsmodelle werden verstärkt hinterfragt. Vergessen wird oft, dass man sich ja als „mittelprächtiger“ bis „schlechter“ Portfolio-Manager nicht diese Position bewusst erkämpft hat. Das „Unglück“ im institutionellen Bereich heißt Professionalität auf der Investorenseite und Transparenz. Im Privatkundenbereich kann ich viele Defizite durch Service, Beratung etc. wettmachen – das Überleben der Private Banking-Sparte in vielen Segmenten zeigt den Weg auf: Auch durchschnittliche Performance kann durch gutes Beziehungsmanagement kompensiert werden.

Ein anderer Weg für bestimmte Manager könnte sein, dass man sich verstärkt als Berater in einem Segment positioniert. Ein guter Trainer muss kein guter Fußballer sein. Sollte er als Fußballer (Portfolio Manager) nicht in allen Graden überzeugen, so kann er zumindest behaupten, dass er nicht nur in der Theorie weiß, wo die Fallstricke beim Portfolio-Management liegen, das unterstreicht die Glaubwürdigkeit. Mit Substanz und „kreativer“ Kommunikation gelingt manchmal diese Neupositionierung.

Ein recht radikaler Weg könnte darin bestehen, dass bestimmte Manager eigene Produkte vielleicht für den Privatkundenbereich weiter „laufen lassen“. Um institutionelle Kunden anzusprechen, könnte der Vertrieb von exzellenten dritten Managern interessant sein. Wenn man beispielsweise drei Jahre ohne großen Erfolg institutionelle Anbieter angesprochen hat, hat man unter Umständen eine exzellente Datenbank. Die vorher angesprochenen Investoren sind vielleicht erfreut, wenn ein neuer Kommunikationsanlauf genommen wird mit Content, der attraktiv für weitere Diskussionen erscheint („guter Portfolio-Manager & interessanter Ansatz“).

Eine positive Rolle bei der Lösungsfindung können auch Kapitalanlagegesellschaften und klassische Custodians spielen. Gesellschaften wie Universal-Investment, AmpegaGerling, Hansainvest wie auch State Street Global Services, Northern Trust, Societe Generale Securities Services, wie auch viele andere: Gute Beratung bei der Fondskonzeption und Fondsauflage verhindert oft Fehlstarts von Managern. Ein interessantes Feld für den Markteintritt nach Deutschland könnten auch Vertriebs- und Marketing-Services für Fondsinitiatoren im deutschsprachigen Raum sein – hier können klassische Kapitalanlagegesellschaften in Deutschland und Luxemburg gegenwärtig noch stärker eine Rolle spielen. Die klassischen Custodians beschäftigen sich in Ansätzen mit diesen Gebieten, sehen sich wohl derzeit aber weniger in der Rolle eines Full-Service-Providers.

Fazit

Die oben angesprochenen Sachverhalte sind in der Branche nichts Neues, man trägt wahrlich „Eulen nach Athen“ – für bestimmte Gruppen im Markt. Das Verhalten von anderen Gruppen im Markt zeigt vielleicht, dass diese Sachverhalte einigen Entscheidern nicht ganz klar sein könnten: Markt ist völlig überbesetzt, Investor will Spitzenprodukte, Produkte sind transparent und die Aufmerksamkeitsspanne bei den Investoren wird kürzer für alternative „Problemlösungen“ im Asset Management-Bereich. Viele Investoren, aber auch Sales-Mitarbeiter, wissen um die obigen Sachverhalte, teilweise leidet man unter diesen Tatsachen bzw. Sachzwängen. Es sollte vielleicht weniger zu dem Empfinden führen wie bei einem bekannten Märchen, bei dem das unschuldige Kind am Schluss sagt – übertragbar auf Portfolio-Management ohne Mehrwert: „Die sind ja alle nackt!“


*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.

Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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