Kommentar: Family Offices und unabhängige Vermögensverwalter – „Mogelpackungen“, Performance und Wohlfühlfaktor

„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften“ (John Ruskin).

Dienstleister wie Family Offices und Vermögensverwalter stellen Kunden ihren Service in Rechnung. In der Natur vieler Dienstleistungen liegt es, dass es im Bereich Messbarkeit noch Diskussionsbedarf besteht. Ein Phänomen, mit dem sich in der Gesellschaft auch öffentliche Dienstleister (Schulen, Sozialarbeit etc.) intensiv beschäftigen. Wenn man zum Beispiel den Ausgangspunkt Privatkundenbetreuung und Private Banking als Nukleus vieler Geschäftsmodelle im Bereichen Vermögensmanagement und Vermögenscontrolling betrachtet, scheint die „weiche“ Beziehungskomponente im Vergleich zur Performance – scheinbar harter Faktor – bei der Diskussion oft in den Hintergrund zu treten. Verkannt wird häufig, dass ein Großteil der tatsächlichen Portfolio Management-Leistung kaum oder mit großem Aufwand sichtbar gemacht wird – ein klassisches Problem des Feldes Private Banking, im Gegensatz zu regulären Publikumsfonds, die sehr häufig einen befriedigenden Grad an Transparenz aufweisen. Wenn Performance „Hygienefaktor“ ist – über welche Themen lohnt sich hier noch eine Diskussion?

„Mogelpackung“ Family Office und Vermögensverwaltung?

Ähnlich wie der Begriff Fondsboutiquen wird derzeit der Begriff Family Office in Medien und Fachkreisen diskutiert. Der eindeutige Sieger der Deutungshoheit ist noch nicht ausgemacht: Forschung und Lehre, Medien und Industrie selber befinden sich in einer Suchphase.

Single Family Office und Multi Family Office: Abgrenzung, Definition etc. – der Prozess läuft. Vielleicht wird sich eine Deutung durchsetzen, vielleicht können auch verschieden Deutungen „koexistieren“. Die Mogelpackungs-Diskussion im Family Office-Bereich greift deshalb oft nicht, weil Begrifflichkeiten sich noch im Bildungsprozess befinden. Man kann den Vermögensverwalter als reinen Dienstleister fürs Vermögensmanagement betrachten, mit aktivem Einsatz beim Portfolio Management, unter Umständen mit eigenen Produkten („Fondsboutiquen“).

Nimmt man die reine Fixierung auf die Vermögensbetreuung bei Familien und HNWIs beiseite, kann man in Teilen Ähnlichkeiten bei bestimmten Dienstleistungspaketen sehen. Vertreter der reinen „Lehre“ diskutieren hier intensiv – wo liegt die genau Abgrenzung zwischen „Edel-Vermögensverwalter“ und klassischem Family Office? An dieser Stelle soll einmal bewusst eine „unscharfe“ Sichtweise dargestellt werden, wissend um die Mängel des Diskussionsansatzes. Bewusst werden Dienstleister, die sich zumeist klar voneinander abgrenzen wollen, als in Teilen ihrer Dienstleistungspakete vergleichbar betrachtet – bei zum großen Teil unterschiedlicher Zielgruppenausrichtung. Für Kunden bzw. Prospects von Family Offices und Vermögensverwaltungen scheint Transparenz über die gebotene Dienstleistung als ein geeigneter Faktor (von vielen!) für die Auswahl des Dienstleisters:
*Family Office und Vermögensverwalter – möchte ich schwerpunktmäßig Beratung und Controlling?
*Family Office und Vermögensverwalter – ist mir die aktive Verwaltung meines Vermögens wichtig?
*Family Office und Vermögensverwalter – wer bietet Services, die sich klar voneinander abgrenzen lassen?

Beratung und Controlling

Es ist eine klare Positionierung zu sagen, dass man selbst den Kunden ausschließlich berät, ihm Vorschläge macht und am Schluss des Prozesses der Kunde über Art und Umfang des Investments entscheidet. Wenn der Kunde fähig ist, diese Entscheidungsvorlagen fachlich nachzuvollziehen, hat er das als Dienstleistung erhalten, was passend für ihn ist. Klarheit in der Dienstleistungsdarstellung erscheint das oberste Gebot. Beispiele für Unklarheiten kann man zum Beispiel in Teilen des klassischen Asset Managements-Consultings finden: Wenn der Consultant „aktiv“ ein Multi Manager-Mandat betreut – worin liegt genau der „aktive“ Teil seiner Leistung? Im regelgebundenen, vorher schriftlich fixierten Rebalancing? Vor dem Hintergrund der zu Beginn angeführten Preisdiskussion erscheint dieser Punkt nachvollziehbar. Pricing für Beratung und Controlling unterscheidet sich in der Regel bewusst vom Pricing bei der aktiven Verwaltung von Vermögen. Interessant ist zum Beispiel, dass auch Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater sehr genau die potenziellen Marktzutritts-Schranken im Family Office-Bereich beobachten und sich positionieren.

Aktive Verwaltung des Vermögens

Passives Management, „Smart Beta“, aktives Portfoliomanagement – alles Dienstleistungen die engagiert in der Fachwelt diskutiert werden. Wird aktives Management bei der Vermögensverwaltung bei meinem Dienstleister betrieben? Kann ich diese Aktivität quantitativ messen? Ist der Verwalter am Erfolg beteiligt? Darf er eigene Produkte einsetzen? Diese Sachverhalte werden bei Family Offices wie auch bei Vermögensverwaltern und natürlich auch auf Kundenseite intensiv diskutiert. Gibt es einen Konflikt zwischen Beratung und aktivem Portfolio-Management? Kernpunkte bei der Diskussion sind zum einen der Sachverhalt, dass der ideale Beziehungsmanager (Family Office oder Vermögensverwalter) nicht immer der optimale Portfolio Manager sein muss. Ist sich der Kunde, auch der Institutionelle (Beispiel: Stiftungen), sich dessen bewusst?

Wie zu Beginn erwähnt – beide Anbieterkategorien haben ausgeprägte Stärken im Bereich Vertrauensbildung, Beziehungsmanagement, Langfristdenken: Kann es nicht sein, dass der Kunde in bestimmten Fällen aufgrund dieser „soften“ Faktoren bei bestimmten Gebieten beim „falschen“ Family Office oder Vermögensverwalter Kunde ist? In bestimmten Fällen ist dies wohl der Fall. Vergessen wird hier häufig, dass man sich im Dienstleistungsbereich befindet. Sollte „mittelgute“ Performanceleistungen dem Kunden ausreichend erscheinen (oder „mittelgute“ fachliche Skills, Know-how, Vernetzung von Dienstleister etc.), dann wird dieser Convenience-Faktor im Zweifelsfaktor als Added Value akzeptiert, die Suchkosten für die auch temporär wechselnden „idealen“ Portfolio Manager erscheinen unter Umständen zu hoch. Alles im Interesse des Kunden – wenn er sich dieses Sachverhaltes bewusst ist.

Abgrenzbarkeit von Services

Um auf den Begriff der „Mogelpackung“ zurück zu kommen: Wissenschaft und Fachwelt bemühen sich derzeit intensiv um Definitionskriterien für Single Family Offices und Multi Family Offices in Abgrenzung zu den Dienstleistern im Bereich unabhängige Vermögensverwalter. Der Bereich konzerngebundener „Family Offices“ bleibt hier bei der Diskussion bewusst außen vor. Natürlich ist das Family Office in seiner Funktion als zentraler Dienstleister für bestimmte Familien in der Breite der Aufgabenstellung nicht gleich zu setzen mit der reinen Funktion eines Vermögensverwalters. Die Existenz des Verband unabhängiger Vermögensverwalter Deutschland e.V. (VuV) zeigt, dass Dienstleister ihre „Definitionsmacht“ bündeln können, vielleicht ergeben sich in Zukunft auch einmal ähnliche kommunikative Strukturen im Family Office-Bereich?

Ausblick: Family Offices, Vermögensverwalter, Stiftungen und Kapitalanlagegesellschaften

Unabhängigkeit, Kompetenz, Seriosität: Betrachtet man diese Bausteine als entscheidend für eine langfristig zufriedenstellende Geschäftsbeziehung, kann man auch den Bogen zur klassischen Asset Management-Industrie schlagen. Kapitalanlagegesellschaften wie Universal-Investment, Ampega, Hansainvest und viele andere Häuser müssen sich anhand dieser Kriterien als spezialisierte Dienstleister „messen“ lassen. Der Preiswettbewerb ist beispielsweise sehr intensiv im Bereich Fondsadministration. Wie im Bereich Family Offices und Vermögensverwalter treten bei der Entscheidung oft „softe“ Faktoren wie Know-how, Netzwerk und Beziehung in den Vordergrund. Nach dem Beauty Contest haben viele Häuser sich auf ähnliche Preisstrukturen hin bewegt, wenn Preise ähnlich erscheinen, dann wird der Mehrwert durch zusätzliche Faktoren unterstrichen.

Stiftungen, denen man ähnliche Strukturen in der „Anlagedenke“ (Langfristigkeit) wie bei Family Offices bzw. bei Unternehmerfamilien unterstellt, beschäftigen sich derzeit mit den oben angeführten Fragestellungen und bauen Kompetenz auf. Unter anderem, um für sich den passenden Dienstleister zu finden. Derzeit spielen noch viele konzerngebundene Anbieter eine starke Rolle in der Stiftungsbetreuung: Banken sind oft zu Beginn bei der Gründung mit ihm Boot. Und es gibt gute Banken, unbestritten. In Zukunft werden die Anbieter Marktanteile gewinnen, die glaubwürdig den Kunden, privaten wie institutionellen, vermitteln: Kunden- und Anbieterinteresse befinden sich im Gleichklang. Die Bankenwerbung bewegt sich schrittweise in diese Richtung. Family Offices und unabhängige Vermögensverwalter haben sich in der Vergangenheit bereits bewusst in dieser Richtung positioniert. Vereinfacht kann man sagen: Alles, was der Kunde versteht, was Mehrwert bietet bei der neutralen Unterstützung von Vermögensangelegenheiten sollte auch bezahlt werden, denn: Billig kann auch teuer werden!



Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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