«Wir sollten alles gleichermaßen vorsichtig wie auch zuversichtlich angehen» (Epiket). Gerade Value-Investoren durchleben aktuell herausfordernde Zeiten. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Alex Rauchenstein, CEO von SIA Funds AG, über Themen wie «Value versus Growth», Erwartungsmanagement, den Dialog mit Family Offices und über Investments in Rohstoffe. Themen in diesem Zusammenhang waren auch zwei «LIVE-Veranstaltungen» dieser Fondsboutique («Natural Resources Day», Zürich, 17.9.2020 und «Strategic Investing – Denken und investieren wie ein Unternehmer», Frankfurt, 24.9.2020). Abgerundet wurde das Gespräch durch ein Anti-Stress-Geheimnis, das für bestimmte Menschen auch den Griff zum Handy oder Buch ersetzen kann.
Hill: Wie in den Vorjahren findet immer wieder eine lebhafte Value versus Growth-Diskussion in Fachkreisen statt. Value Investing ist Investieren mit langem Atem – was spricht dafür im aktuellen Marktumfeld?
Rauchenstein: Ja, Sie sagen es richtig. Value Investing ist kein 100-Meter-Sprint, sondern ein Marathon. In der aktuellen Situation fühlt es sich an wie ein Ultra-Marathon. Denn die Underperformance einer werthaltigen globalen Strategie dauert schon einige Jahre an, fast ein Jahrzehnt. Interessant ist jedoch zu sehen, dass wir mit dem Europa-Anteil unseres Portfolios seit 2011 in der Lage waren, den Euro Stoxx 600 um 100% zu übertreffen. Mit anderen Worten, es war für einen werteorientierten, global anlegenden Investor fast unmöglich, den globalen Index zu schlagen. Auf Europa bezogen sah die Situation anders aus. Anders ausgedrückt – die Bewertungsübertreibung findet schon eine längere Zeit primär in den USA statt. Da in unseren Augen nun die Zinsen kaum mehr weiter nachgeben werden und die Fremdkapital-Finanzierung vieler Wachstumsfirmen ins Stocken geraten ist, wird es spannend. Jetzt aber zu prognostizieren, dass es genau drehen wird, ist für mich und unser Haus nicht möglich. So eine Prognose würde mir als unseriös erscheinen. Hingegen investiere ich das Geld meiner Kinder weiterhin in unseren Value Fonds und nicht in den NASDAQ.
Hill: Viele Ihrer Investoren sind Family Offices und unabhängige Vermögensverwalter. Wie sehen diese Anleger Value Investing, was fällt Ihnen bei den Gesprächen auf?
Rauchenstein: Ja, viele unserer Investoren stammen aus dem Segment der Family Offices und der unabhängigen Vermögenverwalter. Unsere Ansprechpartner sind oft sehr professionelle Investoren mit 20 bis 30-jähriger Anlageerfahrung. Alle mit einer klaren langfristigen, unternehmerischen Denkweise. Diese passt sehr gut zu unserem Investment-Ansatz und der Sicht eines Unternehmers. Wir bieten unseren Kunden eine interessante Möglichkeit, in börsennotierte Aktien mit der Denkweise eines Private Equity Investors langfristig zu investieren, bei täglicher Liquidität.
Hill: Eine Besonderheit in Ihrem Hause ist die Verbindung von Value Investing und Investment in Rohstoffe. Wie ist diese Verknüpfung entstanden? Welche Argumente sprechen für diese Kombination?
Rauchenstein: Im Grundsatz interessieren wir uns für alle Investment-Möglichkeiten, die sich bieten. Denn desto größer die Auswahl, desto höher die Chance etwas Unterbewertetes oder «Missverstandenes» zu finden. Nun sind Rohstoffunternehmen wohl das Zyklischste, das man sich vorstellen kann – andererseits dauert der Zyklus bei den meisten Rohstoffunternehmen 7 bis 10 Jahre an. Ist man nun in der Lage, mittel- bis langfristig den Zyklus richtig einzuschätzen, ergeben sich hervorragende Anlagechancen. Denn vielen Anlegern fällt es extrem schwer, diese Unternehmen richtig zu bewerten. Hier schließt sich für uns die Klammer zu Themen wie Langfristdenke, Zyklen und Unternehmensbewertung.
Hill: Wie schätzen Sie die aktuelle Marktsituation ein?
Rauchenstein: Die aktuelle Marktsituation erinnert mich und meine Kollegen sehr stark an das Jahr 2000. Ähnlich wie damals fällt uns auf, dass sich kaum jemand für fundamentale Bewertungen zu interessieren scheint. Ungefähr nach dem Motto «solange der Umsatz eines Unternehmens steigt, ist alles in Ordnung». Dass aber Umsatz nicht gleich Gewinn ist, kümmert aktuell kaum jemanden. Mal sehen wie lange dies noch so anhält. Wir beobachten diese Situation intensiv.
Hill: Womit beschäftigen Sie sich derzeit intensiver? Wie bleiben Sie im Austausch mit Ihren Investoren?
Rauchenstein: Covid19 hat auch bei uns die Reisetätigkeit etwas eingeschränkt. Direkte Besuche haben wir, wie viele Adressen im Markt, auf ein Minimum reduziert. Telefon, Zoom, Skype – derzeit gibt es ja viele Wege, um im Dialog zu bleiben. Vor zwei Wochen hatten wir noch am Wiesbadener Investorentag teilgenommen. Uns ist aufgefallen, dass nach dieser langen kommunikativen «Ansage zur Distanz» viele Investoren wieder Freude am direkten Gedankenaustausch haben, von Angesicht zu Angesicht. Dies geschieht natürlich unter den üblichen Auflagen, wie dem Halten von Abstand und dem Tragen von Mundschutzmaske. Auch wir werden wieder in diesem Jahr unsere Veranstaltung «Denken und investieren wie ein Unternehmer» (Strategic Investing) am 24. September in Frankfurt durchführen. Vorab an dieser Stelle noch ein Dankeschön für Ihre Moderation und Ihr Kurzintro («Fondsboutiquen») bei der Veranstaltung. Eine Woche davor am 17. September findet unser diesjähriger Natural Resources Day in Zürich statt. Beide Veranstaltungen dienen auch einem vertieften Dialog mit Investoren und Fachpublikum über Themen wie Investmentstile, Asset Allocation und Portfolio Management im aktuellen Marktumfeld. Besonders freuen wir uns in Zürich auf ein ungewöhnliches Thema, da in Corona-Zeiten auch intensiv das Thema Emerging Markets diskutiert wird: «Commodities and the development of India» von Chrys Kamber (Picard Angst), Head of Indian Investments.
Hill: Falls nicht die Börse im Vordergrund steht – wie bekommen Sie den Kopf frei?
Rauchenstein: Investieren ist meine Passion und ich würde dasselbe tun, wäre es nur mein eigenes Geld. Covid19 hat uns allen sicherlich wieder einmal aufgezeigt, was die wichtigen Dinge im Leben sind. Für mich ist der schnellste Weg, meinen Kopf in Kürze freizubekommen, die Aktivitäten mit meine drei Jungs – eine Herausforderung und Freude für jeden Vater! Diese sind übrigens, ohne es zu wissen, zu 100% in unseren Fonds investiert. Ihr Anlagehorizont sollte lang genug sein, um davon zu profitieren.
Hill: Vielen Dank für das Gespräch.
Veranstaltungen:
- ‚Denken und investieren wie ein Unternehmer – Value Investing, Fondsboutiquen & Family Offices‘ (Prof. Dr. J. Carlos Jarillo, Alex Rauchenstein, Marcon Hernandez, Urs Marti & Markus Hill, 24.9.2020, Frankfurt)
- Natural Resources Day (SIA Funds AG, 17.9.2020, Zürich)
- SAVE THE DATE – Martin Friedrich, Lansdowne Partners Austria Gmbh (15.10.2020, Wien)
Zusätzliche Veranstaltungsinformationen: Frankfurt, Zürich, Wien
Verwandte Interviews:
- Family Offices und Fondsboutiquen besitzen viele Gemeinsamkeiten (Interview – Thomas Caduff, Markus Hill)
- Family Offices, Strategische Asset Allocation & Asset Manager Auswahl (Interview – Martin Friedrich, Lansdowne Partners Austria GmbH)
- Rohstoffe, Value Investing, Family Offices und Hugo Stinnes (Interview – Urs Marti, SIA Funds)
Foto: www.pixabay.com
3 Gedanken zu “FONDSBOUTIQUEN & PRIVATE LABEL FONDS: Value versus Growth, Rohstoffe, Indien, Jugend und die innere Ruhe (Interview – Alex Rauchenstein, SIA Funds AG)”