Fondsboutiquen & Markteintritt ausländischer Asset Manager: Stolpersteine und Immanuel Kant

„Erfahrung ist eine verstandene Wahrnehmung“ (Immanuel Kant) – interessant erscheint die Frage, ob Erfahrung auch immer positiv das Handeln von Marktakteuren bestimmt oder unter Umständen ignoriert werden kann. Der deutsche Fondsmarkt erscheint in den letzten Jahren zunehmend attraktiver für ausländische Asset Manager. Ein Treiber hierfür können zum einen die UCITS-Thematik, der Abbau administrativer bzw. regulatorischer Hindernisse, wie auch die Professionalisierung auf Investorenseite und ein Entstehen einer unabhängigen Dienstleisterindustrie sein (Marketing, PR, Placement Agents etc.).

Man hat schon seit langer Zeit erkannt, dass gute Asset Management-Talente außerhalb Deutschlands zu finden sind. Fonds-Neuauflagen bei Kapitalanlagegesellschaften wie Universal -Investment, LBB Invest, HSBC Trinkaus und anderen „Promotern“ der bankunabhängigen Fondsadvisors zeigen, dass der Absatzmarkt Deutschland interessant ist. Auch die etablierten, konzernabhängigen Häuser wie DWS und Union Investment verfolgen den Markt für ausländische Asset Management-Expertise mit großer Aufmerksamkeit.

Ob „kleiner“ oder „großer“ Manager aus dem Ausland, die gemachten Erfahrungen weisen oft eine große Ähnlichkeit auf. Am Rande bemerkt – auch inländische Anbieter können sich teilweise auf der „Mikroebene“ diesem Erfahrungsschatz kaum verschließen. Erfolgreiche Markteintritte gibt es natürlich, interessant erscheint vielmehr, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Welche Faktoren können mögliche Stolpersteine für den Markteintritt darstellen?

Unterschätzung von Marktpotential – die angezogene Handbremse

Ausländische Manager aus USA, Kanada und Australien betrachten oft Europa als eine Einheit, die aufgrund von Sprachaffinität zunächst einmal aus London zu bearbeiten ist. „Hit-and-run“-Entry, vorzugsweise gepaart mit administrativen „Baustellen“ sind bekannte Vorgehensweisen. Für Asien erscheint vielen Managern der eigene Markt derzeit attraktiver (Singapur, Hongkong etc.): Europa erscheint unsicher, auf dem „absteigenden Ast“. Vergessen wird bei unzureichender Marktbearbeitung oder bei negativer Markteinschätzung, dass Europa und insbesondere das vorwiegend deutschsprachige Europa (Deutschland, Österreich, Schweiz) einen sehr attraktiven Absatzmarkt bilden.

Nicht nur Größe erscheint attraktiv, sondern auch die Vielfalt an Absatzkanälen bzw. Zielgruppen. Wenn man zum Beispiel mit begrenzten Ressourcen an das Projekt „Markteintritt Deutschland“ geht, kann man unter Umständen schnelle Erfolge vorweisen. Vergessen wird häufig, dass nur ein sehr kleiner Teil des Marktpotentials genutzt wird. Für die Vertriebsziele des „Head of International Business Development“ mag dies förderlich sein, für den ausländischen Asset Manager insgesamt kann man sich ein langfristig ertragreicheres Szenario vorstellen. Budget und Ressourcen könnten für die Vertriebsaufgabe oft ausgeweitet werden, um auch zeitnah Marktchancen in Deutschland wahrzunehmen.

Fehleinschätzung von potentiellem Marktdurchdringungsgrad

Eng in Verbindung mit der Fehleinschätzung von Marktpotential steht bei vielen ausländischen Anbietern auch das sogenannte „Tonnagedenken“ im Sinne von: „Eine große Adresse muss großen Umsatz bringen“. Oder auch: „Der Consultant als erste Anlaufstelle wird es schon richten“. Beliebt erscheint manchmal auch: „Wenn ich auf einer Plattform zum Vertrieb registriert bin, dann werden die Investoren auf mich aufmerksam“.

Strategische Partner mit einer gewissen Größe haben Verhandlungsmacht und es gibt keine Gewähr dafür, dass die alleinige Aufnahme in eine Preferred Partner-Liste bzw. die Aufnahme auf eine sogenannte „Watchlist“ einen aktiven Fondsvertrieb in Deutschland ersetzt. Consultants sind anerkannte Know-how-Center – vergessen wird von ausländischen Anbietern oft, dass auch viele Consultants davon abhängig sind, dass überhaupt aktiv von deren Kunden Mandate ausgeschrieben werden; ganz zu schweigen davon, dass hier oft der Kampf zwischen zeitintensivem „Ausfüllen von RFPs“ versus hohem Margendruck bei Beauty-Contests zu sehen ist. Auch hier erscheint ein bequemer Weg verführerisch (Asset Manager-Listen), den man vielleicht trotzdem mit zusätzlichen Vertriebsaktivitäten ergänzen sollte. Eine ähnliche Thematik findet man bei Plattformen, auf denen Vertriebspartner Fonds ordern können. Die Passivität dieses Vertriebsansatzes sticht ins Auge. Natürlich sollte gelten: Das eine tun, das andere nicht lassen!

Personaleinsatz, Meilensteine und Zielgruppe

Viele ausländische Asset Manager haben naturgemäß einen Fokus auf den Heimatmarkt. Die Bearbeitung ausländischer Märkte wird in vielen Fällen einem Head Of International Business Development übertragen oder einem regulärem Sales-Mitarbeiter als Sonderprojekt. Natürlich gibt es Unterschiede bei Fondsboutiquen gewisser Größe zu Häusern, die zum Beispiel konzernabhängig hunderte von Milliarden Dollar verwalten. Selbst der engagierteste, international tätige Sales-Mitarbeiter gerät hier schnell an seine Grenzen. Reisen, Gespräche, Protokolle, Follow-up-Anrufe und -Besuche sind zeitaufwändig.

Bei einem „Markteintritts-Nebenberufler“ (Projekt) besteht eine noch größere Gefahr , dass viel Potential für die Marktdurchdringung verschenkt wird. Allein die Anzahl von Dachfondsmanagern, Banken, Family Offices, Corporates etc. verteilt auf die verschiedenen Investorenadressen (dezentrale Struktur in Deutschland), überfordert viele Gesellschaften. Vergessen wird oft auch, dass das Datenmaterial von Ausländern oft unzureichend erscheint (Zielgruppendatenbanken – „weiße Krater“ statt „weißer Flecken“!).

Bei unzureichendem Personaleinsatz lassen sich bei Markteintrittsprojekten oft schwer intern Erfolge verkaufen. Eine bestimmte Anzahl von Reisen, einige Gespräche – viele vielleicht verbunden mir reinem „Fact-finding-mission-Charakter“ – stellen langfristig keine Markteintrittsstrategie im Asset Management-Vertrieb da. Wie will man Meilensteine definieren und erreichen, wenn man sozusagen über lange Zeit nur einen Zeh ins Wasser steckt?

Reaktionsmanagement, Erwartungen und Prioritäten

Aus den oben angeführten drei möglichen Stolpersteinen lassen sich oft interessante Reaktionsweisen von ausländischen Anbietern ableiten. Erwartet man zu viel in zu kurzer Zeit, werden Vertriebsprojekte zeitlich stark gestreckt und Investoren in Deutschland wundern sich dann, dass fachlich gesehen attraktive Asset Management-Adressen nie so richtig wahrgenommen werden. Eine Spekulation: Vielleicht hat die Geschäftsführung des ausländischen Managers bestimmte Hausaufgaben intern oder extern nicht erledigt. Oder der interne Promoter des Projekts „Markteintritt Deutschland“ hat im Unternehmen aufgrund ständig wechselnder Prioritäten („Asien ist jetzt interessanter als Europa inklusive Deutschland!“) einen schweren Stand. Vertrieb erfolgt dann nach dem Muster „Stop-and-Go“.

Eine andere Reaktionsweise kann darin bestehen, an einer schlechten Strategie festzuhalten, aber die Anstrengungen zu verdoppeln. Ein Beispiel hierfür kann der Anbieter sein, der eine durchschnittlich performende Hedgefondsstrategie im UCITS-Mantel verpackt und meint, dass deutsche Investoren solche Produkte schätzen würden. Verantwortlichkeit, Revision von Entscheidungen, Richtungswechsel – alles Felder, die nicht nur in der Asset Management-Branche in Zukunft viel Optimierungspotential bieten.

Fazit

Wie zu Beginn beschrieben, gibt es viele erfolgreiche Markteintritte in Deutschland. Deshalb erscheint es umso interessanter, dass die oben willkürlich ausgewählten Punkte bei Markteintritten immer wieder Bedeutung besitzen. Obwohl die angeführten Erfahrungen zeigen, dass es kritische Faktoren beim Markteintritt gibt, werden diese oft ganz oder in Teilen nicht berücksichtigt. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass viele Erfahrungen „selbst“ gemacht werden wollen oder müssen.

Vielleicht herrscht Misstrauen bei ausländischen Managern gegenüber internem oder externem Know-how und Unterstützung. Vielleicht gibt es aber auch eine ganz einfache Regel bei der Verarbeitung von Erfahrung, die in kluges Handeln umgesetzt werden könnte. KISS: Keep It Simple, Stupid – Zeit ist eine kostbare Ressource, Vorbereitung braucht Zeit. Auch bei Projekten wie Markteintritten hilft oft ein Zurücktreten, Abwarten, Analysieren – im Sinne von: Eine gute Vorbereitung bildet oft die Grundlage für den langfristigen Vertriebserfolg in Deutschland!


Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.de

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