„Diese Fonds hoffen wir mit unserem Ansatz zu finden, bevor sie auf dem Radar der datenbankorientierten Investoren auftauchen“ (Interview – Jakob von Ganske)

Entscheidungsstrukturen im Bereich Fondsselektion und Asset Allocation im Bereich Family Offices werden von Produktanbietern wie auch Investoren in der Fondsindustrie mit großem Interesse betrachtet. Auch in Family Office-Bereich wird hier das Know-how fortwährend ausgebaut. Die Bedeutung von wissenschaftlichen Methoden beim Investmentprozess hat sich zunehmend durchgesetzt, auch der klassische Konflikt zwischen aktiven und passiven Produkten wird häufig bei Investoren gelassener betrachtet. Markus Hill sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit Jakob von Ganske, Leiter Investment Consulting und Risikomanagement und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung, Deutsche Oppenheim Family Office AG, über den hauseigenen Fondsauswahlprozess, Strategische Asset Allocation (SAA) und Optimierungspotenziale im Bereich Due Dilligence (Long-Only-Manager, Emerging Markets, Absolut Return, ETFs etc.).

Hill: Wie sieht der Fondsauswahl-Prozess bei Ihnen aus?

von Ganske: Die Strategische Asset Allocation ist auch in unserem Fondsauswahl-Prozess der erste und wichtigste Schritt. Sie definiert die Benchmark, gegen die sich der Mehrwert unseres aktiven Managements messen wird – ohne SAA kann keine objektive Messung des aktiven Mehrwerts erfolgen. Bei der eigentlichen Fondsauswahl gehen wir dann in vier Schritten vor: der erste Schritt ist eine sehr detaillierte Analyse der jeweiligen Peer Group und eine Zusammenstellung der Short List. Der zweite Schritt beinhaltet die Analyse und Auswahl einzelner Fonds aus dieser Short List, wobei für jede Assetklasse stets mehrere aktive Fonds gleichzeitig ausgewählt werden. Die qualitative Analyse als dritter Schritt dient der Suche nach „Dealbreakern“, also Problemen im Investmentprozess der jeweiligen Kandidaten, die trotz guter quantitativer Ergebnisse dazu führen, dass wir nicht investieren. Der vierte Schritt ist dann die Portfoliokonstruktion, in der wir basierend auf einer Risikogewichtung der jeweiligen Alphaquellen ein optimal diversifiziertes Portfolio erstellen.

Hill: Die qualitative Analyse gleicht in Ihrem Hause also mehr der Suche nach Problemen?

von Ganske: Das ist korrekt. Wir suchen gezielt nach „Dealbreakern“, denn eine qualitative Analyse kann unserer Ansicht nach nur neutral oder negativ sein. Sie sollte niemals die Grundlage für positive Entscheidungen sein, denn dafür ist eine qualitative Analyse viel zu sehr abhängig von subjektiven Eindrücken des Analysten. Mit dieser Betrachtung unterscheiden wir uns stark von der Herangehensweise anderer Fondsselektoren im Markt.

Hill: In unserem letzten Interview im Februar 2016 hatten Sie erwähnt, dass die quantitative Analyse einen sehr hohen Stellenwert in Ihrem Fondsauswahlprozess hat. Hat sich seitdem etwas verändert?

von Ganske: Die quantitative Analyse ist noch bedeutender geworden. Ganz konkret haben wir sehr viel Entwicklungsarbeit in die Beurteilung der jeweiligen Peer Groups, also Schritt 1 in unserem Investmentprozess, investiert. Das Ziel war es, bereits bei der Erstellung der Short List ein Maximum an Diversifikation zu erreichen. Das Risikomanagement ist bereits in der Erstellung der Short List der Schwerpunkt. Was ist damit gemeint? Nun, die akademische Grundannahme bezüglich des aktiven Managements ist, dass alle aktiven Fonds mehr oder weniger unkorrelierte Alpha-Quellen besitzen. Alle Manager investieren voneinander unabhängig und alle Investmentprozesse sind voneinander signifikant unterscheidbar. Das würde bedeuten, dass man als Fondsselektor nur genügend viele aktive Fonds kaufen muss um ein diversifiziertes Fondsportfolio zu erhalten. Diese Annahme ist aber leider empirisch widerlegbar – viele Fondsmanager haben ähnliche Anlagephilosophien und werden demnach in bestimmten Marktphasen sehr ähnliche Wertentwicklungen gegenüber der Benchmark aufweisen, sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne. Diese Klumpenrisiken eliminieren wir durch unseren Investmentansatz größtenteils. Ein wunderbares Beispiel war das Jahr 2016 im Bereich Aktien Emerging Markets: eine Reihe aktiver Fonds, die in den vorangegangenen Jahren allesamt hervorragende Outperformance generiert hatten, produzierten auch allesamt in 2016 eine hohe Underperformance. Denn die Fonds hatten größtenteils die gleiche Alphaquelle, also den gleichen renditetreibenden Faktor – in diesem Fall einen Faktor den man als Growth interpretieren kann.

Jakob von Ganske, Leiter Investment Consulting und Risikomanagement und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung, Deutsche Oppenheim Family Office AG
Jakob von Ganske, Leiter Investment Consulting und Risikomanagement und Mitglied der erweiterten Geschäftsführung, Deutsche Oppenheim Family Office AG

Hill: Woher wissen Sie denn, welcher Treiber in Zukunft der renditetreibende Faktor sein wird?

von Ganske: Das wissen wir eben nicht. Es kann der US-Dollar sein – auch Momentum, Value, Size, Nachhaltigkeit, Rohstoffe, eine Kombination daraus oder ein anderer, noch nicht beobachteter Faktor. Hinzu kommt, dass viele der oben genannten Faktoren auch noch untereinander korrelieren, man also nicht klar zwischen den Faktoren abgrenzen kann. Quantitativer Fakt ist leider, dass die meisten Renditetreiber nicht beobachtbar, also nicht belastbar interpretierbar, sind. Deshalb muss ein Risikomanagement-Ansatz explizit mit berücksichtigen, dass weder der Faktor noch dessen Einfluss bekannt sind. Eine Analyse der Aktien in einem aktiven Fonds reicht also nicht aus um auszusagen, welche Treiber die Alphaquelle darstellen und wo demnach Klumpenrisiken schlummern. Rein qualitative Analysen oder einfache quantitative Analysen sind hier, wie auch in vielen anderen Fällen, eher nutzlos, zumal das Fondsuniversum in einzelnen Segmenten eine Menge Fonds beinhaltet, es also Hunderttausende möglicher Portfoliokombinationen gibt. Demnach hat ein Fondsselektor zusätzlich noch das Problem, dass er irgendeine Art von Filter anwenden muss um das Universum einzuengen – hier wird zumeist „nach Augenmaß“ zusammengestrichen oder unter Verwendung von Datenbanken die sternebasierte Vorabrankings zur Verfügung stellen. Leider sind die 5-Sterne-Fonds von heute zumeist die 3-Sterne Fonds von morgen.

Hill: Wie lautet nun Ihr Vorschlag dieses Risikomanagement-Problem zu lösen?

von Ganske: Es gibt im Bereich der Statistik Konzepte, die explizit annehmen dass die renditetreibenden Faktoren weder bekannt noch beobachtbar sind. Damit ist das erste Problem adressierbar. Einige dieser Konzepte kommen aus dem Bereich der Big Data-Algorithmen und sind somit darüber hinaus hervorragend dazu geeignet, mit der großen Anzahl aktiver Fonds umzugehen. Eines dieser Verfahren setzen wir ein.

Hill: Wie sieht das konkret aus?

von Ganske: Wir verwenden das komplette Fondsuniversum für eine Anlageklasse, sagen wir mal Aktien Europa, und sortieren nur Fonds heraus, die zu wenig Volumen, eine zu kurze Datenhistorie oder weitere, relativ wenig einschränkende, Rahmenparameter nicht erreichen. Wir erhalten dann je nach Segment 20 bis 200 aktive Fonds unterschiedlichster Couleur und Wertentwicklung. Dann setzen wir Big Data-Algorithmen ein um aus den Alphas dieser aktiven Fonds zur Benchmark (in diesem Fall dem MSCI Europa) Alpharenditentreiber zu extrahieren, die weder bekannt noch beobachtbar sein müssen – nennen wir sie der Einfachheit halber Alpha-Faktoren. Diese Alpha-Faktoren sind per Konstruktion miteinander unkorreliert. Sobald wir diese Alpha-Faktoren extrahiert haben, unterteilen wir das Fondsuniversum in diejenigen Fonds, deren Alphas mit dem Alpha-Faktor 1 am höchsten korrelieren, in diejenigen deren Alphas mit dem Alpha-Faktor 2 am höchsten korrelieren, usw. Somit erhalten wir eine gewisse Anzahl an Untergruppen, denen aktive Fonds zugeordnet werden. Die Fondsalphas innerhalb dieser Untergruppen korrelieren zwar untereinander. Entscheidend ist aber, dass die Fondsalphas in einer Gruppe nicht mit den Fondsalphas den anderen Untergruppen korrelieren. Damit ist bereits bei der Erstellung der Short List eine maximale Diversifikation das Ziel.

Hill: Wie geht es dann weiter?

von Ganske: Die Fonds in jeder Untergruppe werden danach einzeln analysiert. Wir nutzen unseren etablierten quantitativen Analyseprozess um den unseres Erachtens besten Fonds aus jeder Untergruppe zu finden. Unseren Analyseprozess hatten wir bereits in unserem letzten Interview besprochen, er ist größtenteils unverändert. Zusammengefasst ist der rote Faden also wie folgt: wenn wir beispielweise 4 Alpha-Faktoren ermittelt haben, dann erhalten wir am Ende 4 aktive Fonds in die wir gleichzeitig, je nach Risikobeitrag gewichtet, investieren. Die Alphaquellen dieser 4 Fonds sind per Konstruktion unseres Ansatzes miteinander unkorreliert. Damit wird ein Maximum an Diversifikation erreicht. Gleichzeitig werden aktive Fonds ausgesucht, die historisch positives und signifikantes Alpha-Potential aufgezeigt haben – aber eben auf Basis unterschiedlicher Investmentansätze, das ist der Knackpunkt.

Hill: Welchen Vorteil bringt dieser Ansatz?

von Ganske: Maximale Diversifikation der Alphaquellen und Manager-Skills. Implizit vermeiden wir mit diesem Ansatz auch, dass Fonds investiert werden nur weil sie in den letzten Jahren gut gelaufen sind und damit im Top-Quantil einschlägiger Datenbanken liegen. Denn die meisten dieser Top-Quantil Fonds verbindet, dass sie deshalb so gut waren weil sie alle einen ähnlichen Investmentstil hatten. Wir investieren mit unserem Ansatz explizit auch in Fonds, die zwar eine Outperformance zur Benchmark generiert haben, die in einschlägigen Datenbanken aber eher unter dem Radar gelaufen sind, also zum Beispiel im 2. Quantil ihrer Peer Group waren. Es lässt sich gut beobachten, dass Fonds die aufgrund einer sehr guten Wertentwicklung ein hohes Rating erhalten haben, in den darauf folgenden Jahren eher schlechtere Performance generieren. Gleichzeitig gibt es historisch gesehen eine Menge Fonds die zu einem gegebenen Zeitpunkt zwar nur drei oder vier Sterne hatten, die aber in den darauf folgenden Jahren eine so gute Wertentwicklung aufgewiesen hatten, dass sie „aufgewertet“ wurden. Diese Fonds hoffen wir mit unserem Ansatz zu finden, bevor sie auf dem Radar der datenbankorientierten Investoren auftauchen.

Hill: Wie gehen Sie in Ihrem Hause mit dem Thema Auswahl von Absolute Return-Managern um?

von Ganske: Im Segment Absolute Return ist eine Analyse der Cluster-Risiken noch entscheidender als bei Long-Only-Fonds. Dies hat den Grund, dass Absolute Return in unseren Augen marktunabhängig sein muss, damit es eine Existenzberechtigung hat. Es darf also keine Sensitivität gegenüber Risikoprämien vorliegen, darauf legen wir sehr viel Wert. Eine solche Marktunabhängigkeit lässt sich mittels Hauptkomponentenanalyse, neben der Verwendung traditioneller Regressionsanalysen, hervorragend verifizieren.

Hill: Nutzen Sie weiterhin auch passive Fonds und ETFs?

von Ganske: Ein klares Ja von unserer Seite. Mittlerweile sind je nach Mandat mindestens 25% in passiven Instrumenten investiert, zum Beispiel aber nicht nur im Segment Aktien USA, Euro Staatsanleihen oder auch Emerging Market Bonds. Nur in Anlageklassen die nachweislich ein Alpha-Potential aufweisen suchen wir nach aktiven Managern, zum Beispiel Aktien Europa, Aktien Emerging Markets oder auch europäische Unternehmensanleihen. Wir haben auch Investoren, die zu günstigen Preisen eine fast vollständig passive Abbildung wünschen. Wir haben eine Systematik entwickelt um Best-in-Class ETFs für eine Vielzahl an Anlagesegmenten zu suchen und zu finden, um solche Anforderungen von Kunden bedienen zu können. Ich habe Grund zu der Annahme, dass wir damit zu den Vorreitern in Deutschland gehören. Viele Asset Manager und Dachfondsanbieter schaffen es nicht der Realität ins Auge zu blicken, dass passives Management aktive Manager immer mehr verdrängen wird. Nur im Bereich weniger effizienter Märkte wie zum Beispiel in den Entwicklungsländern, sowie im Mischfondsbereich, wird zukünftig noch Mehrwert gegen passive Konzepte generiert werden können. Und hier kommt es entscheidend darauf an, die richtigen aktiven Fonds auszuwählen.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.



*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.com; Website: www.markus-hill.com

Link: Mehr zur Deutsche Oppenheim Family Office AG finden Sie im Web unter www.deutsche-oppenheim.de

Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

Artikel teilen