„An vielen Stellen ist die Infrastrukturwelt im Umbruch, verbunden mit neuen Chancen für die Anleger“ (Interview – Jochen Terpitz)

Derzeit beschäftigen sich viele institutionelle Investoren mit dem Thema Infrastruktur. Betrachten sollte man dabei die aktuelle Situation vielleicht weniger unter dem Aspekt von Kurzfristdenke und Prozyklik auf der Anbieterseite. Denn die Niedrigzinsphase wird die Industrie längerfristig begleiten, Know-how im Infrastruktur-Segement wird auf Seite der Investoren in intern und extern schrittweise ausgebaut. Markus Hill* sprach für FONDSBOUTIQUEN.DE mit dem Rechtsanwalt Jochen Terpitz (Simmons & Simmons) über die Herausforderungen, der sich Anbieter und Investoren zu stellen haben.

Hill: Schon seit einigen Jahren wird viel gesprochen darüber, dass Kapitalsammelstellen wie Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder Versorgungswerke ideale Investoren in Infrastruktur wären – warum ist es denn noch nicht Alltag, dass Versicherer die Energiewende finanzieren und Pensionseinrichtungen den Neubau von Straßen und Glasfasernetzen?

Terpitz: In gewisser Weise findet diese Investitionstätigkeit ja durchaus statt, nur vielleicht nicht immer in dem Umfang und an den Stellen, die interessierte Kreise aus der Politik sich vorstellen oder die besonders öffentlichkeitswirksam sind. Investitionen in die deutschen Strom-Höchstspannungsnetze, in Offshore-Windparks wie London Array oder auch in Infrastruktur-Fonds mit Beteiligungen an ÖPP-Vorhaben zeigen, dass durchaus sehr unterschiedliche Projekte marktgängig sein können.

Hill: Wo liegen die Schwierigkeiten?

Terpitz: Infrastruktur-Investitionen sind für die Anleger häufig mit viel mehr Aufwand verbunden als die Geldanlage über die Kapitalmärkte. Neben der individuellen Projektprüfung gibt es auch viele kleine Fallstricke zu beachten. Regulierung gemäß der AIFM-Richtlinie, Eigenkapitalunterlegung nach Solvency II und dann noch die Regulierung des Zielprojekts selbst, sei es im Energiemarkt, im Transportwesen oder in der Telekommunikation. Und man muss ja auch sehen, dass es doch sehr unterschiedliche Anlagemöglichkeiten gibt und jeder Anleger die ins Auge gefasste Investition mit dem eigenen Risikozuschnitt und hauseigenen Anlageregeln in Übereinstimmung bringen muss. Die Lernprozesse kosten Zeit.

Hill: Welche unterschiedlichen Anlagemöglichkeiten gibt es denn und entwickeln sich hier Marktstandards?

Terpitz: Eine allgemeingültige Klassifizierung ist schwierig. Da gibt es erst einmal die große Bandbreite der Zielprojekte von Autobahnen über Gefängnisse/Stadthallen, Telekommunikation und Stromnetze bis hin zu Eisenbahnwaggons, Hafenterminals und dann den gesamten Kraftwerksbereich mit seinen großen und kleinen, zentralen oder dezentralen Anlagen. Eine relevante Unterscheidung lässt sich sicher vornehmen zwischen der Investition in Infrastruktur-Unternehmen einerseits (z.B. Stromnetze und Wasserversorgung), die Personal vorhalten, regelmäßig reinvestieren und auch nach Jahrzehnten noch einen Wert haben, und andererseits der in einzelne Infrastruktur-Projekte, die sich über eine festgelegte Laufzeit amortisieren und am Ende Anlagezeit mit Null oder einem bestimmten Restwert zu bewerten sind.
Eine andere, auch risikorelevante, Unterscheidung ergibt sich zwischen Eigenkapital-Investitionen und Fremdkapital-Anlagen, sei es in Anleihen oder direkt in Darlehen; allerdings gibt es, gerade bei mittelgroßen Investments, auch viele Anleger, die den gesamten Kapitalbedarf als Eigenkapital bereitstellen. Letztlich kann man den Markt noch unterscheiden zwischen den Projekten, in die einzelne Anleger individuell investieren, und den Fällen, in denen über zwischengeschaltete Fonds-Strukturen, die mehreren Investoren offen stehen, zusätzlich Kapital und Investitionsentscheidungen konzentriert werden. Hier werden spezialisierte Asset Manager tätig, die ihr Know-how auf diese Weise vielen Anlegern zur Verfügung stellen können.

Hill: Entsteht denn hier ein zusätzliches Asset-Management-Segment? Oder wer kann das als Anleger selbst leisten?

Terpitz: Nach unserer Erfahrung ist doch eine Betreuungsintensität für das Infrastruktur-Asset erforderlich, die Spezialisten-Know-how erfordert, das vermutlich nur die Größten der Branche innerhalb der eigenen Organisation aufbauen können; das ist um einiges aufwändiger als der Kauf von Anleihen. Vielfach sind auch laufendes Reporting und Informationstransparenz nicht gleich so, wie von den Anlegern erwartet; gelegentlich, wie man das jetzt bei Offshore-Wind-Projekten sehen kann, wird eine gewisse Personalstärke auch zur Investorenbetreuung innerhalb der Projektgesellschaften aufgebaut, häufig werden solche Leistungen aber von externen Asset Managern erbracht.
Es kommt ja auch nicht nur auf die Nähe zum eigentlichen Infrastrukturprojekt an, sondern der Asset Manager muss in der Lage sein, die Entwicklung im Bereich Anlageverordnung oder Solvency II zu verfolgen und umzusetzen. Hinzu kommen Anforderungen aus der AIFM-Richtlinie bzw. KAGB an die Manager, die eine Eigenverwaltung des Projekts eher erschwert. Ein guter Asset Manager kann wohl auch dazu beitragen, das „gefühlte Anlagerisiko“ im Infrastruktur-Bereich dauerhaft zu reduzieren: je kompetenter die Anlageform erklärt und begleitet wird, desto geringer die Scheu davor, hier die Investitionen auszuweiten.
Eine Ebene darüber muss dann bei jedem Anleger überprüft werden, in welche Quote die Investition einzuordnen ist und mit wie viel Eigenkapital zu unterlegen. Das ist ja individuell ganz unterschiedlich bei den verschiedenen Versicherern oder Pensionsfonds, und insofern gibt es auch kein für jeden „Solvency-II-optimiertes“ Anlageprodukt. Teilweise verlangt die Versicherungsaufsicht auch von jedem Anleger den Nachweis spezifischen Know-hows hinsichtlich Projektrisiken, zu dessen Aufbau der Asset Manager dann beiträgt.

Hill: Stichwort Risiken – sind Infrastruktur-Investitionen denn nicht besonders sicher?

Terpitz: Geldanlage in Kraftwerke, Straßen, Pipelines oder Eisenbahnen hat natürlich den Vorteil, dass diese Vermögenswerte nicht so einfach abhandenkommen und dass sie einen über lange Zeit stetigen Ertrag versprechen. Die gegenüber Staatsanleihen höhere Rendite, die aus diesen Anlageformen erwartet wird, ist aber durchaus mit einem anderen Risikoprofil als Bundesanleihen verbunden. Renditen können verspätet eintreffen, oder Nachinvestitionen könnten erforderlich werden. Häufig sind diese Infrastruktur-Investitionen sehr langfristig. Das ist einerseits vorteilhaft für Investoren, die ebenso langfristig Kapital anzulegen haben. Andererseits fallen, je länger der Anlagehorizont ist, auch Prognoseunsicherheiten mehr ins Gewicht. Solche Unsicherheiten können sich auf Bedarf an der Infrastruktur oder Nutzeraufkommen beziehen, aber auch auf Änderungen des politischen Umfelds.

Hill: Welche Ansätze zur Risikobegrenzung gibt es hier?

Terpitz: Es gibt verschiedene Ansätze, Projektunsicherheiten bei Infrastruktur-Investitionen zu begrenzen. Zum einen kann man versuchen, Risiken vertraglich anderen Projektbeteiligten zuzuordnen, man kann mit Stress-Szenarien rechnen und entsprechend finanzielle Puffer einbauen, oder, je nach Art der Investition, Überprüfungen und werterhaltende oder wertsteigernde Anpassungen während der Betriebszeit vorsehen. Auch die Aufteilung in Tranchen mit unterschiedlichem Risikoanteil ist ein Weg, wie Anleger sich entsprechend ihrer eigenen Risikoneigung an Infrastruktur beteiligen können.
Echte Prognoseunsicherheiten sind als solche wohl schwierig auszuschließen. Die Extrapolation historischer Daten ist im Zweifel ungeeignet, wenn es um prognostiziertes Verkehrsaufkommen oder Energieverbrauch in den kommenden zwei Dekaden geht. Man denke nur an diverse europäische Regionalflughäfen oder an die unterschätzte Geschwindigkeit des Aufbaus von Erneuerbare-Energien-Kraftwerken in einigen europäischen Ländern, die dann zu unerwarteten Reaktionen der staatlichen Regulierung geführt hat. Hier hilft es nur, das Vorhandensein dieser Unsicherheiten in das Anlagemodell einzuberechnen und alternative Nutzungen oder Absatzmöglichkeiten zu finden.
Staatliche Stellen sind auch nur in manchen Bereichen bereit, solche Unsicherheiten zu übernehmen, so dass es sehr auf die Qualität der Datenaufbereitung durch Anleger und Asset Manager ankommen dürfte. An anderen Stellen, wie etwa bei Baurisiken oder technischen Risiken während der Betriebszeit, sehen wir durchaus, dass Projektpartner mit geeigneter Bonität und dem entsprechenden Know-how diese übernehmen können. In stark politisch geprägten Infrastrukturmärkten kann es sinnvoll sein, innerhalb der Investition ein Budget für die Teilnahme an Initiativen von Verbänden zur aktiven Gestaltung dieser Märkte zu reservieren.

Hill: Was können Investitionswillige denn sonst unternehmen, um mehr an der an den Chancen von Infrastruktur teilzunehmen?

Tepitz: Stets offene Augen und Ohren für die Entwicklungen der Infrastrukturmärkte sind empfehlenswert. In den nächsten Jahren wird es vielfach auch darum gehen, sich die Anlagemöglichkeiten erst zu erarbeiten. Denn von den Projekten mit einfachen, erprobten Strukturen gibt es ja jetzt schon weniger als investierbares Kapital bereitsteht. An vielen Stellen ist unsere Infrastrukturwelt aber im Umbruch, was neue Chancen eröffnet. Zur Energiewende könnte ja durchaus noch eine Verkehrswende hinzukommen, etwa mit autonomen Elektro- und Gasfahrzeugen. Und das weiter ansteigende Durchschnittsalter der Bevölkerung erfordert vielleicht noch an vielen Stellen neue Entwicklungen und Investitionen.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.


Quelle: www.institutional-investment.de
Foto: www.pixabay.com

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